[Rezension] Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters

28. Mai 2019 | 23:45 | Gelesen

Titel: Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters
Autorin: Christelle Dabos
Originaltitel: La Passe-miroir – Les fiancés de l’hiver
Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzerin: Amelie Thoma


Wissenswertes

Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters ist der Debütroman der französischen Bestseller-Autorin Christelle Dabos, die nach ihrem Studium nach Belgien auswanderte und dort als Bibliothekarin arbeitete. Sie begann an diesem Projekt zu arbeiten, nachdem sie 2007 an Krebs erkrankte und veröffentlichte zunächst Auszüge aus dem Roman im Internet. 2013 gewann sie damit den Jugendbuchbettbewerb eines französischen Verlags, der das Buch daraufhin noch im gleichen Jahr veröffentlichte.

Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters ist zudem der Auftakt zu einer Tetralogie. Der zweite Band, Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast, soll bereits Ende Juli dieses Jahres auf Deutsch erscheinen. Der dritte Teil, Das Gedächtnis von Babel, soll voraussichtlich im Januar 2020 folgen. Am Abschluss der Reihe arbeitet die Autorin zurzeit noch.

Inhalt

Bisher konnte die stille Ophelia mit der Unterstützung ihres Onkels erfolgreich verhindern von ihrer Familie verheiratet zu werden. Sie ist vollkommen zufrieden damit eines der Museen auf Anima zu leiten und bei ihrer Familie zu leben. Doch der Verlobung, die nun von den Ältesten über ihren Kopf hinweg arrangiert wurde, kann sie sich nicht so einfach widersetzen. Schlimmer noch als die Aussicht einen fremden Mann heiraten zu müssen ist allerdings der Umstand, dass ihr Verlobter Thorn zwar aus einer adligen Familie, aber von einer anderen, weit entfernten Arche stammt. Ophelia soll ihn zum eisigen Pol begleiten, womit sie zugleich ihre geliebte Familie und ihre Arbeit hinter sich lassen muss. Thorn wollte offenbar unbedingt eine Animistin zur Frau, nur warum? Und warum wurde ausgerechnet sie dafür auserwählt?

Kritik

Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters ist der großartige Auftakt zu einer überaus faszinierenden Fantasy-Saga, der einen nach dem Lesen noch lange beschäftigt und einem nicht so schnell wieder aus dem Kopf geht.

Christelle Dabos hat eine faszinierende, magische Welt erschaffen, über die man insgesamt allerdings noch zu wenig erfährt. Vor allem über den sogenannten Riss, durch den die schwebenden Archen überhaupt erst entstanden sind, hätte man gern noch mehr gewusst, doch vielleicht wollte die Autorin sich noch einige Informationen für die Fortsetzungen aufheben. Trotz des angeblich vorherrschenden Matriarchats erscheint einem die Welt zudem sehr rückständig. So soll Ophelia ihrem Verlobten zum Beispiel unbedingt gehorchen, um die Verbindung nicht zu gefährden und der Familie keine Schande zu machen, ohne im Vorfeld überhaupt nach ihrer Zustimmung gefragt worden zu sein.

Ophelia ist eine wirklich außergewöhnliche Protagonistin, die man trotz oder womöglich gerade wegen ihrer Eigenheiten sehr schnell ins Herz schließt. Sie ist intelligent, mutig und stark, aber auch tollpatschig und eher introvertiert. Von Leuten, die sie nicht besonders gut kennen, wird sie deshalb häufig unterschätzt. Dass Ophelia zurückhaltend ist und ihre eigene Meinung meistens für sich behält, heißt nämlich noch lange nicht, dass sie keine eigenen Ansichten hat oder sich alles widerstandslos gefallen lässt. Um nicht von Anima verbannt zu werden, muss sie sich zwar der Verlobung mit Thorn fügen und mit ihm zum Pol reisen, das hält sie jedoch nicht davon ab nach Antworten zu suchen. Sie ergibt sich also nicht einfach kampflos ihrem Schicksal.

Darüber hinaus verfügt sie über beeindruckende und zugleich beneidenswerte Fähigkeiten. Wie der Titel bereits andeutet, kann sie durch Spiegel reisen, wenngleich nur innerhalb einer begrenzten Reichweite. Außerdem ist sie eine sehr begabte Leserin, was in diesem Fall allerdings nichts mit der herkömmlichen Lektüre von Büchern zu tun hat. Vielmehr kann Ophelia die gesamte Vergangenheit eines Gegenstandes ergründen, indem sie ihn berührt, einschließlich der Gedanken oder Gefühle ehemaliger Besitzer in mit dem Objekt verbundenen Momenten.

Ihre alleinstehende Tante Roseline begleitet Ophelia zu der fremden Arche, sozusagen als Anstandsdame. Anfangs mag man sie nicht besonders, später ist man über ihre Anwesenheit dafür genauso froh wie ihre Nichte. Außer ihrer Tante, der Ophelias Wohl aufrichtig am Herzen liegt, kann sie nämlich niemandem auf der Himmelsburg bedingungslos vertrauen.

Thorn versichert seiner Verlobten mehrfach, dass seine Tante Berenilde absolut vertrauenswürdig sei, beide haben jedoch zu viele Geheimnisse vor Ophelia, um sich tatsächlich darauf verlassen zu können. Statt einer standesgemäßen Begrüßung wird ihre Identität geheim gehalten – angeblich zu ihrem Schutz – und mehr als einmal muss sie eine unangemessene Behandlung erdulden. Als seine Verlobte hat Ophelia beinahe ebenso viele Feinde wie Thorn, wird aber immerzu im Dunkeln über die familiären Differenzen sowie den eigentlichen Grund für die Verlobung gehalten als würde sie das alles nichts angehen, obwohl sie direkt betroffen ist.

Die verschiedenen Familien am Pol mit ihren vielseitigen Fähigkeiten und die facettenreichen Bewohner der Himmelsburg sind durchaus interessant. Ihre rauen Sitten sowie ihr Hang zum Meuchelmord sind hingegen Furcht erregend, sodass man für die meisten von ihnen nur Verachtung oder Unverständnis übrig hat. Ophelia und ihre Familie haben wenigstens moralische Werte und Prinzipien, weshalb erstere ihre Kräfte beispielsweise nur mit der Erlaubnis des jeweiligen Besitzers des Objektes anwendet. Doch anders als am Pol müssen diese zugegebenermaßen nicht täglich um das eigene Überleben kämpfen.

Am Pol bzw. auf der Himmelsburg möchte man als Leser also gewiss nicht leben, nicht nur wegen der kalten Temperaturen. Die zahlreichen Intrigen machen die Geschichte allerdings überaus fesselnd. Zusammen mit Ophelia sucht man nach Antworten, die man zur Freude des Lesers im Verlauf der Handlung zumindest teilweise bekommt, auch wenn es sich hierbei um den Auftakt zu einer Tetralogie handelt. Schließlich findet Ophelia sogar so etwas wie Freunde oder Verbündete. Es gibt somit selbst am Pol wenigstens ein paar liebenswerte Charaktere, die den Tod anderer nicht lediglich „unerfreulich“ finden.

Ophelias Verlobter Thorn bleibt einem dagegen bis zum Schluss ein Rätsel. Der unhöfliche und schweigsame Mann ist einem vom ersten Moment an eher unsympathisch, obschon man Mitleid mit ihm hat, weil er von allen am Pol für einen Umstand gehasst wird, den er selbst nicht zu verantworten hat. Das entschuldigt jedoch nicht, dass er Ophelia in seine Konflikte verstrickt und ihr seine wahren Absichten verheimlicht. Als er mit der Zeit etwas zugänglicher wird und freundlicher zu Ophelia ist, glaubt man ihm vertrauen zu können und dass er ernsthaft um Ophelia besorgt ist. Am Ende ist man sich aber leider nicht mehr sicher, ob dieses Verhalten nicht nur dazu diente sie zu manipulieren. War er aufrichtig zu ihr oder benutzt er sie nur für seine Zwecke?

Da Ophelia gegen ihren Willen verlobt wird, sollte man trotz der anstehenden Hochzeit nicht auf eine Liebesgeschichte hoffen. Vielleicht entwickeln Ophelia und Thorn im späteren Verlauf der Serie noch irgendwann Gefühle füreinander, vielleicht auch nicht. Im ersten Band empfindet sie jedenfalls noch keine Zuneigung für ihn, so viel steht fest.

Die Handlung ist von Beginn an mitreißend, da man die ganze Zeit über mit Ophelia mitfiebert. Spätestens im Mondscheinpalast, wo verschiedene Figuren rücksichtslos ihre eigenen Interessen verfolgen und dabei notfalls über Leichen gehen, wird es dann richtig spannend. Von da an kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Der erste Band endet zwar nicht mit einem richtigen Cliffhanger, doch immerhin an einer Stelle, an der man gern sofort weiterlesen würde und mit einigen offenen Fragen. Man möchte auf jeden Fall erfahren, wie die Geschichte um Ophelia weiter geht und dank des zeitnahen Erscheinungstermins muss man zum Glück nicht allzu lange auf die begehrte Fortsetzung warten.

Der Schreibstil von Christelle Dabos lässt sich sehr angenehm und flüssig lesen. Die gesamte Geschichte wird aus der Perspektive von Ophelia geschildert, der man sich trotz des personalen Erzählers sehr verbunden fühlt und deren Gedanken und Gefühle größtenteils nachvollziehbar beschrieben werden. Lediglich Ophelias Interpretationen von Thorns Verhalten oder Aussagen sind manchmal nicht ganz plausibel.

Fazit

Mit Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters hat Christelle Dabos einen packenden Auftakt zu einer faszinierenden Tetralogie mit einer ungewöhnlichen Protagonistin geschrieben, deren Abenteuer zum Glück noch lange nicht zu Ende ist. Die hoffentlich ebenso spannenden Fortsetzungen wird man sich daher keinesfalls entgehen lassen.





Kommentare

  1. Hi Stephie,

    die Geschichte klingt faszinierender und spannender als ich dachte. Mal sehen, vielleicht wandern das Buch und seine drei weiteren Bände noch auf die Wunschliste.

    Liebe Grüße, Tina

    • Hallo Tina,

      faszinierend ist die Geschichte auf jeden Fall, daher kann ich dir nur empfehlen dem ersten Band einmal eine Chance zu geben. Ob du danach weiter liest, hängt dann natürlich davon ab wie gut dir der Auftakt gefällt. ;)

      Viele Grüße, Stephie

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