Autor: Charles Dickens
Originaltitel: A Christmas Carol with A Christmas Tree
Erstveröffentlichung: 1843
Übersetzerin: Gundula Müller-Wallraf
Wissenswertes
Eine Weihnachtsgeschichte und die Erzählung ein Weihnachtsbaum sind zwei in einer illustrierten Ausgabe vereinte weihnachtliche Erzählungen des bekannten britischen Schriftstellers Charles Dickens, dessen zahlreiche Werke, darunter Oliver Twist, David Copperfield sowie Große Erwartungen sich noch heute großer Beliebtheit erfreuen, mehrfach adaptiert wurden und mitunter zu den bedeutendsten Romanen der englischen Literatur zählen.
Die wunderbaren Illustrationen stammen von dem australischen Graphikdesigner Robert Ingpen, der bereits 1986 für seine Verdienste als Kinderbuchillustrator mit der Hans-Christian-Andersen-Medaille ausgezeichnet wurde.
Inhalt
Kritik
Das Buch beginnt mit einer sehr schönen Einführung, die einige interessante Informationen zur damaligen Zeit, dem viktorianischen England, sowie zum Autor selbst liefert, insbesondere im Hinblick auf Weihnachten und die damit verbundenen Sitten und Bräuche, gefolgt von einer Anmerkung des Illustrators und einem Vorwort des Autors.
Eine Weihnachtsgeschichte ist nicht nur eines der bekanntesten Werke von Charles Dickens, sondern wahrscheinlich die wohl geläufigste Weihnachtsgeschichte überhaupt, zumindest in der westlichen Welt. Die Handlung dürfte den meisten wenigstens durch eine der zahlreichen Adaptionen schon bekannt sein, dennoch macht es Freude – und ist alles andere als langweilig – diesen berühmten Klassiker einmal im Original zu lesen.
Die Geschichte ist statt in Kapitel in Strophen unterteilt und liest sich dank des vortrefflichen Schreibstils des Autors ganz wunderbar. Einfache, schmucklose Hauptsätze wird man bei ihm kaum finden, seine Sätze erstrecken sich nämlich regelmäßig über mehrere Zeilen. Der personale Erzähler schildert die Ereignisse aus der Perspektive von Ebenezer Scrooge, spricht den Leser aber manchmal auch direkt an.
Inhaltlich ist Eine Weihnachtsgeschichte eine fesselnde Erzählung, deren Botschaft auch nach über 150 Jahren noch nicht an Gültigkeit oder Aktualität verloren hat. Menschlichkeit und Nächstenliebe sind heute nach wie vor erstrebenswerte Tugenden – nicht nur zu Weihnachten – und ein paar freundliche Worte können niemals schaden. Ehrgeiz, Sparsamkeit und Fleiß sind nicht zwingend verwerflich, solange man alles andere darüber nicht vollkommen vergisst. Nicht alles im Leben muss Geld einbringen; Freude an etwas zu haben kann weitaus bedeutender sein. Denn was nützt einem der größte Reichtum, wenn man niemanden hat, mit dem man ihn teilen kann? Wenn man vor lauter Arbeit gar keine Zeit mehr hat sein Leben zu genießen?
Schön ist zudem, dass Scrooge bereits von der Begegnung mit dem Geist der vergangenen Weihnachtsfeste an langsam beginnt sein Verhalten zu bedauern. Seine Einstellung ändert sich also mit jedem der drei Geister und allem, was sie ihm vor Augen führen, nach und nach etwas mehr. Das zeigt deutlich, dass es sich dabei um eine freiwillige, eigenständige Entwicklung handelt; Scrooge bleibt weder stur noch ist er unbelehrbar. Darüber hinaus ist er nicht erst entschlossen sein Verhalten zu verändern als er mit seinem bevorstehenden Tod konfrontiert wird. Schon vorher hat er von sich aus den Wunsch entwickelt sein Leben anders zu gestalten, sodass er diese beachtliche Veränderung nicht lediglich vortäuscht, um sein Leben zu verlängern. Nach der Begegnung mit den drei Geistern ist Scrooge ein neuer, besserer Mensch, sehr zur Überraschung seiner Mitmenschen. Er hat wieder Freude am Leben gefunden und teilt diese mit anderen; er ist nun großzügiger denen gegenüber, die weniger haben als er.
Dem aufmerksamen Leser wird außerdem nicht die Gesellschaftskritik entgehen, die Charles Dickens an den Zuständen der damaligen Zeit übt. Seinerzeit interessierten sich viele Leute ausschließlich für sich selbst und verschlossen nur allzu bereitwillig die Augen vor dem Elend anderer, was heute nicht unbedingt anders ist. Umso erstaunlicher ist es, dass gerade die ärmsten der Armen, die nur selten Grund zu lachen haben, trotzdem oftmals mehr Freunde am Leben haben als Menschen wie der einstige Ebenezer Scrooge, so beschwerlich es auch sein mag, und häufig großzügiger sind als jene, die so viel geben könnten, ohne den geringsten Verlust zu spüren. Sie wissen, was im Leben wirklich von Bedeutung ist, und ihre Herzlichkeit ist beinahe ansteckend.
Des Weiteren ist es interessant auf diese Weise etwas mehr über eine längst vergangene Zeit zu erfahren und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zu gegenwärtigen Weihnachtsfesten zu entdecken. Einige Begriffe sind heute zwar nicht mehr gebräuchlich, wurden aber im Original belassen, was einer Modernisierung angesichts der Zeit, in der die Geschichte spielt, auf jeden Fall vorzuziehen ist. Auf Fußnoten oder ein Glossar wurde verzichtet, doch die entsprechenden Antworten sind heute ohnehin immer nur einen Mausklick (oder einen Touch) entfernt, falls man mehr über irgendetwas wissen möchte.
Die zweite Erzählung, Ein Weihnachtsbaum, der ebenfalls eine kurze Einführung vorangestellt ist, die Auskunft darüber gibt wie die Geschichte entstanden ist, ist eine ansprechende Ergänzung, die allerdings relativ undurchsichtig bleibt und nicht annähernd so schön ist wie Eine Weihnachtsgeschichte. Darin denkt der (Ich-)Erzähler in einem etwas unstrukturiert wirkenden, inneren Monolog unter anderem an die Weihnachtsfeste seiner Kindheit zurück. Am interessantesten ist es dabei zu erfahren, welches Spielzeug Kinder damals begeistert hat und womit Weihnachtsbäume früher für gewöhnlich geschmückt wurden.
Die Ausgabe ist durchgängig und ausgiebig mit den gelungenen Illustrationen von Robert Ingpen versehen, die überwiegend ganze Seiten – oder sogar Doppelseiten – füllen und auf wenigstens jeder dritten bis vierten Seite zu sehen sind. Sie sind wunderbar anzusehen und eine tolle Ergänzung zur Geschichte, die die Handlung noch etwas anschaulicher machen. Sie alle erwecken zudem den Eindruck eines gewissen Alters und passen dadurch gleich noch besser zum Roman. Schade ist nur, dass auf Seite 185 – und zwar nur dort – auf einmal eine ganzseitige Illustration mit demzufolge eher schlecht lesbaren Sätzen bedruckt ist, während ansonsten im gesamten Buch alle Illustrationen frei von jeglichem Text sind, wodurch es geradezu wie ein Versehen wirkt.
Am Ende folgt schließlich noch eine Liste mit einer Auswahl von Charles Dickens‘ besten Werken und knappen Angaben dazu, wann sie entstanden sind und wovon sie im Einzelnen handeln.
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