Autorin: Christelle Dabos
Originaltitel: La Passe-miroir – La Tempête des Échos
Erstveröffentlichung: 2019
Übersetzerin: Amelie Thoma
Wissenswertes
Die Spiegelreisende – Im Sturm der Echos ist zudem der vierte und letzte Band einer Tetralogie. Die Vorgänger tragen die (Unter-)Titel Die Verlobten des Winters, Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast und Das Gedächtnis von Babel.
Inhalt
Kritik
Darüber, inwieweit Christelle Dabos das Konzept ihrer komplexen Tetralogie wirklich durchdacht hatte, kann man nur spekulieren. Fest steht jedoch, dass es ihr unglücklicherweise nicht gelingt die vermeintliche Auflösung ihrer Geschichte für den Leser nachvollziehbar darzulegen. An Stellen, an denen Ophelia offenbar Rätsel löst, Wahrheiten aufdeckt und die größeren Zusammenhänge erkennt, hat man als Leser nur lauter Fragezeichen im Kopf und versteht allenfalls Bruchstücke dessen, was die Autorin einem begreiflich machen möchte. Statt die begehrten Antworten zu liefern, auf die man so lange gewartet hat, werden nur permanent unzählige neue Fragen aufgeworfen, die dann am Ende größtenteils unbeantwortet bleiben, was überaus frustrierend ist. Erklärungsansätze mögen hier und da vorhanden sein, doch insgesamt überwiegt die Verwirrung das Verständnis bei Weitem. Das schmälert die Freude beim Lesen des letzten Band leider beträchtlich und trübt das Gesamtbild einer Serie, die bis dahin ein absolutes Highlight war.
Die Puzzlestücke wollen sich letztlich also einfach nicht zu einem stimmigen Gesamtbild zusammensetzen, was gerade bei einem Abschluss nicht so sein sollte. Es wird mit Begrifflichkeiten um sich geworfen, deren Bedeutung und Sinn sich einem trotz vermeintlicher, möglicherweise einfach zu abstrakter Erklärungen nicht erschließt, egal wie sehr man sich auch bemüht. Entweder hätte man die Erklärungen verständlicher gestalten oder der Geschichte noch mehr Raum geben müssen, stattdessen hinterlässt sie nun einen sehr bitteren Nachgeschmack, was der Hauptgrund für die Enttäuschung ist. Man fühlt sich verloren und mehr als einmal als hätte man das sprichwörtliche Brett vorm Kopf, wenn Ophelia augenscheinlich ein Licht aufgeht, während man selbst weiter im Dunkeln tappt. Hinzu kommt, dass das Ende in Bezug auf eine bestimmte Figur bzw. deren Schicksal komplett offen gehalten ist, was definitiv nicht jedermanns Sache ist.
Dass man das Buch ungeachtet all dieser Verwirrung noch recht gern liest bzw. die ganze Zeit über weiterlesen möchte, ist vor allem den lieb gewonnenen Charakteren zu verdanken, von denen einige trotz der über sechshundert Seiten viel zu kurz kommen. Das Geschehen abseits von Ophelia wird nämlich nur gelegentlich kurz beleuchtet, sodass die Figuren, die sich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe aufhalten, darunter Berenilde, Gwenael, Reineke und Viktoria, insgesamt viel zu selten und teilweise nur auf den letzten Seiten kurz in Erscheinung treten, was ausgesprochen schade ist. Einige von ihnen hätten wirklich Besseres als diese lieblose Vernachlässigung verdient gehabt. Gleiches gilt für die Familiengeister, die nun regelrecht zu bloßen Statisten verkümmern.
Ein Lichtblick ist hingegen die Entwicklung der Beziehung zwischen Ophelia und Thorn. Die beiden bilden nun endlich ein Team und arbeiten erstmals zusammen. Sie sind nicht gut darin ihre Gefühle mit Worten auszudrücken, zeigen dafür aber umso deutlicher mit kleinen Gesten, wie viel sie füreinander empfinden. Thorn hat weiterhin den Wunsch Ophelia zu beschützen, bevormundet sie jedoch nicht länger, sondern respektiert ihre eigenen Entscheidungen. Ophelia erwidert seine Gefühle inzwischen aufrichtig und will sein negatives Bild von sich selbst korrigieren. Gemeinsam versuchen sie Gorts Geheimnisse zu entschlüsseln, um die Welt vor der Vernichtung zu bewahren. Die Szenen, in denen sie zusammen sind, zählen zu den Highlights des Buches, können allerdings nicht alle anderen Kritikpunkte ausgleichen.
Die Handlung ist durchaus fesselnd und die Spannung nimmt zum Ende hin zu, die verschiedenen Erzählstränge werden jedoch nicht konsequent zu Ende geführt. Was bisher von Bedeutung schien, wird auf einmal in wenigen Sätzen abgehandelt, als wäre es völlig belanglos. Die bisher kaum erwähnten Echos stehen auf einmal im Mittelpunkt, ohne für den Leser jemals richtig greifbar zu werden. Vielleicht dauert es deshalb viel länger als bei den Vorgängern bis man das Buch ausgelesen hat.
Der finale Kampf ist schließlich beinahe ebenso verwirrend wie die vermeintlichen Antworten, gepaart mit geradezu abstoßenden Beschreibungen, die nicht im Geringsten zur restlichen Serie passen. Bei all der unnötigen Brutalität und Gewalt, die man bisher nicht von dieser Geschichte kannte und die sich auch nicht harmonisch einfügt, glaubt man plötzlich einen düsteren Horror-Roman zu lesen. Das hätte man mit Sicherheit anders lösen können – und sollen. Man ist am Schluss sogar so überrumpelt und sprachlos, dass man der Handlung teilweise kaum noch folgen kann und nicht einmal in der Lage ist um gewisse Figuren zu trauern, weil die Verluste emotional überhaupt nicht mehr beim Leser ankommen. Darüber hinaus fühlt sich die Geschichte am Ende nicht wirklich abgeschlossen an, da Ophelias Reise eigentlich noch nicht zu Ende ist.
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