[Rezension] Poet X

02. Mai 2020 | 11:50 | Gelesen

Titel: Poet X
Autorin: Elizabeth Acevedo
Originaltitel: The Poet X
Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzerin: Leticia Wahl


Wissenswertes

Poet X ist der Debütroman der mehrfach ausgezeichneten Poetry-Slammerin und Bestseller-Autorin Elizabeth Acevedo, die wie ihre Protagonistin Xiomara in New York aufgewachsen ist und deren Eltern ursprünglich aus der Dominikanischen Republik in die USA eingewandert sind. Heute lebt und arbeitet sie in Washington, D.C., zusammen mit ihrem Ehemann.

Inhalt

Da sie ihre Gedanken und Gefühle nicht laut aussprechen kann, schon gar nicht ihren Eltern gegenüber, vertraut Xiomara sie in Form von Gedichten lediglich ihrem Notizbuch an. Im Slam Poetry Club der Schule könnte sie ihre Texte – und somit ihre persönlichen Gedanken – in einem geschützten Rahmen mit der Welt teilen, doch unglücklicherweise findet dieser Club stets genau zur gleichen Zeit statt wie der Kommunionunterricht ihrer Kirche. Wenn sie die freie Wahl hätte, fiele es Xiomara nicht schwer zu entscheiden, wohin sie lieber gehen würde. Für ihre streng religiöse Mutter scheint allerdings nichts wichtiger zu sein als aus ihrer Tochter eine fromme Gläubige zu machen, notfalls auch gegen ihren Willen. Wie wird sie reagieren, wenn Xiomara entscheidet nicht länger zu schweigen, sondern anfängt ihre eigenen Wünsche durchzusetzen?

Kritik

In Poet X erzählt Elizabeth Acevedo eine interessante und sehr authentisch wirkende Geschichte, die nicht unbedingt spannend, aber durchaus mitreißend ist, sodass man stets wissen möchte, wie es weiter geht. Stilistisch ist das Buch jedoch eher gewöhnungsbedürftig, denn trotz der Form bzw. der graphischen Darstellung erinnern die einzelnen Texte meist nicht wirklich an Gedichte, auch wenn natürlich klar ist, dass Verse sich nicht immer zwingend reimen müssen. Sie lesen sich eher wie verschriftlichte Gedanken, deren Sätze man einfach auf mehrere Zeilen verteilt hat, wobei eine Zeile oftmals nur eine Handvoll Wörter enthält. Eigentlich ähnelt das ganze eher einem Tagebuch, zumal neben Nachrichtenverläufen zwischen Xiomara und ihrer besten Freundin Caridad sowie verschiedenen Hausaufgaben häufig konkrete Daten zu finden sind, die chronologisch aufeinander folgen. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Xiomaras Texte von ihrem eigenen Leben handeln und größtenteils zutiefst persönlich sind.

Xiomara ist eine Protagonistin, in die man sich gut hineinversetzen und mit der man sich recht gut identifizieren kann. Gleichzeitig hat man großes Mitleid mit ihr, weil sie von vielen Menschen so schlecht behandelt wird. Obwohl sie innerlich noch sehr unschuldig ist – zu Beginn hat sie noch nicht einmal einen Jungen geküsst – wird sie nur wegen ihrer kurvigen Figur ständig von Männern sexualisiert und zum bloßen Objekt ihrer Begierde degradiert. Es ist absolut erschreckend, um nicht zu sagen abartig, wie viele Männer offenbar meinen Xiomaras Körper deshalb nach Belieben anfassen zu dürfen. Es ist wahrlich kein Wunder, dass die junge Frau sich infolgedessen in ihrer Haut nicht wohl fühlt.

Ihre religiöse Mutter macht es sogar noch schlimmer, denn sie gibt ihrer Tochter das Gefühl nicht fromm genug und damit selbst dafür verantwortlich zu sein. Der Glaube ihrer Mutter grenzt im Prinzip schon an Fanatismus und lässt Xiomara keinerlei Raum für die Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie zwingt ihr übermäßig strenge und noch dazu völlig veraltete Regeln und Moralvorstellungen auf, die Xiomara verständlicherweise nicht nachvollziehen kann, die sie enorm unter Druck setzen und gegen die sie schließlich aufbegehrt. Wer als Mädchen Zeit mit einem Jungen verbringt, wird zum Beispiel gleich als Hure abgestempelt.

Schon seit ihrer Kindheit verteidigt Xiomara sich und ihren Zwillingsbruder Xavier, zu dem sie ein enges Verhältnis hat. Doch insgeheim sehnt sie sich nach jemandem, der sich zur Abwechslung einmal schützend vor sie stellt, auch wenn sie sich grundsätzlich selbst zu helfen weiß. Sie möchte einfach nur sie selbst sein dürfen und endlich einmal Gehör finden.

Religion ist ein zentrales Thema des Buches, wobei Xiomara eben Vieles hinterfragt statt es einfach hinzunehmen, was mehrfach zu Konflikten, insbesondere mit ihrer gottesfürchtigen Mutter, führt. Wie es nicht anders zu erwarten war, spitzt sich dieser Konflikt im Verlauf der Geschichte zu. Glücklicherweise nimmt sie aber dennoch ein gutes, hoffnungsvolles Ende und setzt somit ein wichtiges Zeichen bzw. vermittelt eine wichtige Botschaft. Dank der Hilfe einer Lehrerin, die sie ermutigt, findet Xiomara nämlich ihre eigene Stimme und traut sich schließlich auch sie zu erheben und andere an ihren Gedichten teilhaben zu lassen.

Im Hinblick darauf, dass Xiomara erste Erfahrungen in Sachen Liebe sammelt, gegen ihre Eltern aufbegehrt und sich mit ihrem Bruder streitet, weil er aus Angst vor der Reaktion seiner Eltern nicht einmal ihr anvertraut hat, dass er homosexuell ist, werden in Poet X Themen behandelt, die für Jugendbücher typisch sind. In vielerlei anderer Hinsicht unterscheidet sich das Buch jedoch stark von anderen Werken des Genres. So handelt es sich bei Xiomara beispielsweise um eine Protagonistin mit lateinamerikanischen Wurzeln, da ihre Mutter ursprünglich aus der Dominikanischen Republik kommt. Deshalb hat die Autorin auch zahlreiche spanische Vokabeln in die Texte eingebaut. Darüber hinaus sind die lebensnahen, sozialen Umstände, die die Wirklichkeit von Jugendlichen wie Xiomara und Xavier abbilden, im Vergleich zu vielen anderen Jugendbüchern eher untypisch. Die Figuren repräsentieren hier nämlich eine andere, weniger privilegierte Sparte des gesellschaftlichen Spektrums, wie man es bislang noch viel zu selten erlebt.

Fazit

Die Art und Weise der Erzählung ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, die Geschichte hinter Poet X ist aber auf jeden Fall sehr interessant, denn Xiomara ist eine Protagonistin, wie man ihr in anderen Jugendbüchern sicher noch nicht allzu oft begegnet ist.





Kommentar abgeben?

Hiermit erteile ich mein Einverständnis.

Archive

Online seit

Hinweis: In nahezu allen Beiträgen sind die ggf. abgebildeten Buchcover o.Ä. mit einem sog. Affiliate-Link (externer Link zu Amazon) hinterlegt und gelten daher als Werbung.