[Rezension] Das Labyrinth des Fauns

22. August 2019 | 23:45 | Gelesen

Titel: Das Labyrinth des Fauns
Autorin: Cornelia Funke
Originaltitel: Pan’s Labyrinth – The Labyrinth of the Faun
Erstveröffentlichung: 2019
Übersetzer: Tobias Schnettler


Wissenswertes

Das Labyrinth des Fauns ist der neueste Roman der deutschen, vielfach ausgezeichneten Bestseller-Autorin Cornelia Funke, die spätestens durch Herr der Diebe weltweite Bekanntheit erlangt hat. Mittlerweile wurden ihre Werke, die inzwischen oftmals in mehreren Ländern gleichzeitig erscheinen, in über dreißig Sprachen übersetzt und teilweise sogar verfilmt.

Zurzeit arbeitet Cornelia Funke am vierten Band der Reckless Reihe, die insgesamt mindestens sechs Bände umfassen soll, sowie an einer Fortsetzung ihrer Tintentrilogie.

Inhalt

Vor langer Zeit lebte in einem unterirdischen Reich eine Prinzessin, die so von der Welt der Menschen fasziniert war, dass sie sie unbedingt mit eigenen Augen sehen wollte. An der Oberfläche angekommen vergaß sie jedoch schon bald, wer sie wirklich war und wohin sie eigentlich gehörte. Irgendwann starb sie, aber im Gegensatz zu ihrer menschlichen Gestalt war ihre Seele unsterblich, daher hoffen ihre Eltern noch immer auf ihre Rückkehr.

Das junge Mädchen Ofelia liebt dieses märchenhafte Reich, das sie bisher nur aus ihren Büchern kennt. Als man ihr sagt, dass sie vielleicht die verschwundene Prinzessin ist, kann sie es daher kaum erwarten ihrer finsteren Welt zu entfliehen. Doch um ihre wahre Identität zu beweisen, muss sie zunächst die drei Aufgaben des unheimlichen Fauns bewältigen …

Kritik

Das Labyrinth des Fauns ist eine sehr düstere Geschichte, die einen durchaus zu fesseln vermag, nach dem Lesen aber eher zwiegespalten zurücklässt. Sie ist alles andere als typisch Cornelia Funke, was angesichts der Entstehung dieses Werkes allerdings nicht verwunderlich ist, denn das Buch basiert nicht auf einer der vielen Ideen der Autorin, sondern auf dem Film Pans Labyrinth von Guillermo del Toro und unterscheidet sich inhaltlich kaum von der Vorlage.

Es gibt zahlreiche grausame, brutale sowie blutige Szenen und die Autorin scheut sich nicht davor diese ausführlich zu schildern. Doch über diese erschreckenden, teils abscheulichen Geschehnisse zu lesen statt sie zu sehen macht sie definitiv nicht weniger schrecklich. Einige Ereignisse und Beschreibungen sind darum wirklich nur schwer zu verdauen. Insofern erscheint auch die Entscheidung, das Buch ausgerechnet bei Fischer Sauerländer zu veröffentlichen, ein wenig fragwürdig, da ansonsten vornehmlich Kinder- und Jugendbücher bei diesem Verlag erscheinen, wohingegen Das Labyrinth des Fauns eher ungeeignet für dieses junge Publikum ist. Der Film ist – nicht ohne Grund – erst ab 16 Jahren freigegeben, was für das Buch ebenfalls nicht anders empfohlen werden sollte.

Die Handlung ist durchgängig fesselnd, aber überaus düster und trostlos, denn sie spielt 1944 in Spanien und damit in einer Zeit des Krieges bzw. während der franquistischen Diktatur. Die damit verbundenen Gräueltaten, die innerhalb des Buches geschildert werden, sind manchmal so erschütternd, dass man regelrecht fassungslos ist und sich am liebsten weigern möchte das soeben Gelesene einfach hinzunehmen.

Die 13-jährige Protagonistin Ofelia ist noch ein Kind, kann diese Kindheit jedoch nicht ausleben und soll viel zu schnell erwachsen werden. Ihr richtiger Vater ist erst vor einem Jahr verstorben, aber ihre Mutter ist bereits erneut verheiratet und trägt das Kind eines rücksichtslosen und unbarmherzigen Mannes in sich, den Ofelia Vater nennen soll, obwohl er diesem kaum unähnlicher sein könnte und er weder für sie noch für ihre Mutter etwas übrig hat. Carmen mag den Capitán lieben, doch für Vidal ist sie nur ein Mittel zum Zweck und Ofelia bestenfalls ein lästiges, unliebsames Anhängsel. Bedauerlicherweise ist ihre Mutter dennoch permanent damit beschäftigt diesem Mann gefallen zu wollen, der ihre Gefühle nie erwidern wird. Dazu ist diese durch und durch böse Person, die nur um ihren gnadenlosen Ruf bedacht ist, gar nicht imstande. Zuneigung bekommt Ofelia somit fast ausschließlich von Mercedes, die als Magd in der Mühle tätig ist, in der sie alle leben, und heimlich ihren Bruder Pedro unterstützt, der zu den Widerstandskämpfern gegen General Franco gehört.

Anfangs hofft Ofelia noch wenigstens im Faun einen Freund oder zumindest einen Vertrauten gefunden zu haben. Er ist aber wankelmütig, bisweilen sogar ziemlich Furcht einflößend, und nicht immer freundlich zu dem jungen Mädchen, das sich im Grunde nur wünscht geliebt zu werden. Die Prüfungen, vor die er sie stellt, sind alles andere als leicht, doch Ofelia beweist viel Mut und hat ein gutes Herz. Man fühlt sich mit ihr verbunden und fiebert mit ihr mit, tauschen möchte man dagegen nicht mit ihr.

Dank des personalen Erzählers erhält man als Leser einen umfassenden Einblick in das gesamte Geschehen, einschließlich der Begebenheiten, an denen Ofelia selbst nicht beteiligt ist oder die sie nicht wenigstens beobachtet, sowie in die Gedanken und Gefühle verschiedener Charaktere, darunter neben Ofelia auch Capitán Vidal. Man lernt also sowohl die sympathischen als auch die verachtenswerten Figuren zwangsläufig näher kennen.

Gelegentlich wird die eigentliche Handlung zudem von kurzen, interessanten Märchen unterbrochen, die auf die eine oder andere Weise alle einen Bezug zu dem unterirdischen Reich und Ofelias Schicksal haben. Bei einigen ist dieser Zusammenhang auf den ersten Blick ersichtlich, bei anderen erschließt er sich erst nach und nach.

Am Schluss fragt man sich, was man nun von dem Buch halten soll und ob es sich tatsächlich um einen Fantasy-Roman handelt oder nicht, ähnlich wie bei Sieben Minuten nach Mitternacht. Es gibt nämlich sehr unterschiedliche Möglichkeiten das Gelesene zu interpretieren. Denkbar wäre zum Beispiel, dass diese Märchen bzw. die magischen Erlebnisse Ofelias nur Illusionen waren und lediglich ihr Weg sind der grausamen Realität, in der sie unglücklicherweise aufwächst, irgendwie zu entfliehen, um sich der schrecklichen Wahrheit nicht stellen zu müssen. Dieser Ansatz macht die Geschichte und vor allem das Ende allerdings noch niederschmetternder. Dann möchte man doch lieber an das unterirdische Reich glauben, aus dem auch der Faun stammen soll.

Der zeitlose Schreibstil von Cornelia Funke ist wie immer großartig und zumindest insofern ist das Buch erneut für alle Altersgruppen geeignet. Einige Sätze sind so wundervoll, dass man sie mehrmals lesen und anschließend markieren bzw. anderweitig notieren muss. Leider lässt einen die sprachliche Schönheit jedoch nicht die gewissenlosen Gräueltaten vergessen, mit denen man im Laufe der Handlung gleich mehrfach konfrontiert wird.

Positiv hervorzuheben sind abschließend noch die im Buch enthaltenen, ansprechenden Illustrationen, gezeichnet von Allen Williams, die meist die eingeschobenen Märchen einleiten. Manche von ihnen stellen bestimmte Szenen aus der Geschichte dar, bei anderen ist man hingegen unsicher, was darauf zu sehen ist, und kann sie der Handlung daher nicht genau zuordnen. Darüber hinaus ist man regelrecht dankbar dafür, dass gewisse Ereignisse nicht bildlich zu sehen sind.

Fazit

Das Labyrinth des Fauns ist ein fesselndes und durchaus schnell gelesenes, aber kein „schönes“ Buch im herkömmlichen Sinn, denn es sorgt trotz des wundervollen Schreibstils nicht unbedingt für ein gutes Gefühl. Vielmehr hinterlässt die Geschichte einen bitteren Beigeschmack, selbst wenn man an Märchen glaubt und sich schließlich für Fantasy statt Phantasie und damit für das hoffnungsvollere Ende entscheidet.





Kommentar abgeben?

Hiermit erteile ich mein Einverständnis.

Archive

Online seit

Hinweis: In nahezu allen Beiträgen sind die ggf. abgebildeten Buchcover o.Ä. mit einem sog. Affiliate-Link (externer Link zu Amazon) hinterlegt und gelten daher als Werbung.