[Rezension] Victor Hugo – Im Exil

01. November 2019 | 23:30 | Gelesen

Titel: Victor Hugo – Im Exil
Autorin: Esther Gil
Originaltitel: Victor Hugo – Aux frontières de l’exil
Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzer: Harald Sachse


Wissenswertes

Victor Hugo – Im Exil ist ein Graphic Novel der französischen Szenaristin Esther Gil.

Illustriert wurde er vom französischen Zeichner Laurent Paturaud, der sich schon als Kind für Comics und das Zeichnen begeisterte und deshalb später eine Ausbildung zum Werbegraphiker absolvierte. Seitdem arbeitet der heute in der Normandie lebende Künstler als Illustrator.

Inhalt

1853: Als ihm zehn Jahre nach ihrem mysteriösen Tod während einer Séance der Geist seiner Tochter Leopoldine erscheint, beschließt der mittlerweile im Exil auf der Insel Jersey lebende Schriftsteller Victor Hugo trotz der damit einhergehenden Risiken vorübergehend nach Frankreich zurückzukehren, um den Tod seiner Tochter, deren Verlust er nie ganz überwunden hat, endlich aufzuklären. Heimlich macht sich der wegen seines Widerstands gegen den Staatsstreich von Napoléon III Verbannte auf der Suche nach Hinweisen auf den Weg nach Paris und findet schließlich nicht nur Antworten auf bislang ungeklärte Fragen, sondern auch die Inspiration für das Werk, das ihn eines Tages weltweit bekannt macht: Les Misérables.

Kritik

Victor Hugo – Im Exil ist ein faszinierender, empfehlenswerter Graphic Novel über einen der wohl bekanntesten französischen Autoren, der eine fesselnde und düstere Geschichte erzählt, in der Fakten und Phantasie gekonnt miteinander verschmelzen.

Der Schriftsteller Victor Hugo ist hier selbst der Protagonist und als Vater auf der Suche nach der Wahrheit über den Tod seiner geliebten Tochter Leopoldine. Er hatte ihren Tod ohnehin nie ganz verwunden, doch seit ihr Geist ihm erschienen ist, lässt ihn die Vergangenheit nicht mehr los. Obwohl die Rückkehr nach Frankreich für ihn als gesuchten Regimegegner überaus gefährlich ist und ihm schlimmstenfalls der Tod droht, wenn er gefasst wird, nimmt er dieses Risiko in Kauf und verlässt das Exil, um in seiner ehemaligen Heimat herauszufinden, was damals wirklich geschah. Dies führt zu spannenden Ermittlungen mit einem mehr als überraschenden Ergebnis, das man so sicher nicht erwartet hätte. Am Rande spielen zudem auch politische Intrigen eine Rolle.

Esther Gil hat im Vorfeld offenkundig ausgiebig recherchiert und es dadurch geschafft einen gelungenen, fließenden Übergang zwischen fiktiver Geschichte und wahren, historischen Ereignissen, realen Personen sowie tatsächlichen Begebenheiten zu gestalten, sodass man nicht ohne Weiteres erkennt, was welcher Quelle zuzuordnen ist. Die Idee Fakten und Fiktion derartig zu vermischen ist eine interessante Herangehensweise, die hier wunderbar umgesetzt wurde. Es erscheint beim Lesen nicht abwegig, dass sich viele Elemente der Handlung in der Tat so ereignet haben könnten.

Die eigentliche Geschichte, die insgesamt etwas weniger als 100 Seiten lang ist, spielt 1853 und die historischen Schauplätze umfassen die beiden Kanalinseln Jersey und Guernsey sowie das französische Festland, einschließlich der Hauptstadt. Die Zustände zur damaligen Zeit in Paris erinnern sofort an Victor Hugos bekanntestes Werk Les Misérables, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass diese Erlebnisse und das Elend auf den Straßen ihn zu diesem Werk inspirierten.

Das Ende ist einerseits erfreulich, andererseits aber auch ein wenig trostlos. Man ist froh, dass diese Zeiten bereits in der Vergangenheit liegen und die Todesstrafe zumindest in Europa mittlerweile endgültig abgeschafft wurde. Außerdem werden am Schluss wichtige Botschaften vermittelt: Vergebung kann manchmal wichtiger und richtiger sein als Rache, vor allem wenn man um die Konsequenzen weiß, und die Trauer über die Toten sollten einen nicht die Lebenden vergessen lassen.

Abschließend folgt noch ein vielseitiges, aufschlussreiches Dossier über Victor Hugo und die realen Hintergründe, auf denen der Graphic Novel basiert, insbesondere die Figuren bzw. Personen, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die geschichtlichen Begebenheiten, sowie die Verbindung des Autors Esther Gil zu dem französischen Schriftsteller.

Die gelungenen Illustrationen stammen von Laurent Paturaud, der über einen sehr ansprechenden, aufwendigen und detailreichen Zeichenstil verfügt und mit vielen Schattierungen arbeitet. Die Farben sind durchgängig dunkel und gedeckt gehalten, erinnern manchmal an Sepia, was perfekt zur finsteren Atmosphäre und dem historischen Setting der Geschichte passt. Das Stadtbild von Paris wurde ebenfalls wunderbar eingefangen. Dieses war damals allerdings noch ein ganz anderes, wenngleich einige wenige der bis heute bekannten Sehenswürdigkeiten, darunter die Notre-Dame, bereits standen. Ein weiteres, auch aus heutiger Sicht charakteristisches Bauwerk, das man auf den Zeichnungen entdecken kann, ist zum Beispiel das Pariser Panthéon.

Fazit

Wer düstere Graphic Novels mit historischem Setting mag, ohne enorm großen Wert auf geschichtliche Genauigkeit zu legen bzw. nichts dagegen hat, dass Fakten hier mit Fiktion vermischt werden, sollte sich Victor Hugo – Im Exil unbedingt näher anschauen.





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