[Rezension] Berühre mich. Nicht.

10. November 2017 | 23:30 | Gelesen

Titel: Berühre mich. Nicht.
Autorin: Laura Kneidl
Originaltitel: Berühre mich. Nicht.
Erstveröffentlichung: 2017
Übersetzer: Originalsprache


Wissenswertes

Berühre mich. Nicht. ist der erste New Adult Roman der deutschen Autorin Laura Kneidl, die bereits früh in ihrem Leben eine Vorliebe für das Erzählen von Geschichten entwickelte. Es hat einige Jahre gedauert bis eines ihrer Projekte erstmals veröffentlicht wurde, doch ihre Bemühungen haben sich schließlich ausgezahlt und nun kann sie sich ein Leben ohne das Schreiben gar nicht mehr vorstellen.

Berühre mich. Nicht. ist zudem der erste Band einer Dilogie. Die Fortsetzung trägt den Titel Verliere mich. Nicht. und erscheint im Januar 2018.

Inhalt

Nach ihrem achtzehnten Geburtstag will Sage nur noch eines: Soweit wie möglich weg von zu Hause und ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Ihre neu gewonnene Freiheit hat jedoch ihren Preis, denn Sage besitzt nichts außer den wenigen Sachen, die sie in ihrem kleinen Transporter unterbringen konnte. Sie muss also irgendwie Geld verdienen, aber auch das ist für Sage keine leichte Aufgabe, da sie große Angst vor fremden Männern hat. Dass sie ausgerechnet mit einem solchen zusammenarbeiten muss, hat sie natürlich nicht geahnt, als sie sich für die Stelle in der Bibliothek beworben hat. Doch Sage ist auf den Job angewiesen und je mehr Zeit sie mit Luca verbringt, desto klarer wird ihr, dass sie vor ihm keine Angst zu haben braucht …

Kritik

Berühre mich. Nicht. ist ein wunderbarer, insgesamt sehr authentischer New Adult Roman, dessen kleinere Schwächen man der Autorin gern verzeiht, weil die Geschichte um Sage und Luca ansonsten rundum gelungen ist und sie das Lesevergnügen nicht nennenswert mindern.

Sage ist eine ausgesprochen sympathische Heldin, für die man von Anfang an sehr viel Mitgefühl aufbringt. Ihre traumatische Vergangenheit holt sie leider immer wieder ein und viele ihrer daraus resultierenden Sorgen und Ängste kann man sehr gut verstehen. Andere Gedanken, vor allem in Bezug auf eine bestimmte Person und deren angeblich positive Seiten, erscheinen einem hingegen äußerst widersprüchlich, wobei man sich auch nur bedingt in sie hineinversetzen kann. Wer nicht selbst erlebt hat, was Sage durchlitten hat, wird ihr Verhalten vermutlich nie gänzlich nachvollziehen können. Worum genau es sich dabei handelt, wird zunächst nur angedeutet, man hat jedoch schnell einen konkreten Verdacht, der sich später mehr und mehr erhärtet. Sage hat in ihrem Leben also schon einiges durchgemacht und es daher mehr als verdient endlich etwas Glück zu haben. Deshalb feiert man jeden noch so kleinen Meilenstein mit ihr und bewundert die Entwicklung, die sie im Verlauf der Handlung durchmacht.

Einen Teil davon hat sie ihrem attraktiven Kollegen Luca zu verdanken, der sein Leben mit Hilfe einer Vielzahl von Listen ordnet und einem ebenfalls sehr ans Herz wächst. Insbesondere wegen seiner zahlreichen, belanglosen Bettgeschichten wirkt er zu Beginn wie ein ziemlicher Bad Boy, doch auch bei ihm steckt etwas Tieferes dahinter, denn wie alle Menschen ist er das Produkt seiner Vergangenheit. Was Luca schließlich so liebenswürdig macht, ist allerdings nicht etwa seine Vorliebe für Bücher, sondern seine Fürsorge. Er tut beinahe alles, für die Menschen, die ihm etwas bedeuten, und dazu zählt bald auch Sage. Luca scheint immer zu wissen, was sie gerade braucht; respektiert trotz seiner Sorge um sie stets ihre Grenzen und bedrängt sie nie, ihm Antworten zu liefern, sondern akzeptiert ihr Schweigen. An einer Stelle rührt einen sein gutes Gespür für Sages Bedürfnisse sogar zu Tränen und durch Sage verändert sich Luca ebenso stark, in positiver Hinsicht.

Die beiden sind demnach ein tolles Paar, tun einander gut und ergänzen sich prima. Umso bedauernswerter ist es, dass Sage noch nicht bereit ist Luca ihre Vergangenheit anzuvertrauen und sich ihm wirklich zu öffnen, wodurch sie ihnen beiden letztlich große Schmerzen zufügt.

Es gibt im ganzen Roman nur eine einzige erotische Szene, was vielleicht etwas untypisch für das Genre, hier aber durchaus sinnvoll ist, weil alles andere einfach nicht zur Protagonistin gepasst hätte und ein totaler Widerspruch gewesen wäre. Unglücklicherweise ist allerdings genau diese Szene der einzige wirkliche Anlass zur Kritik. Bei Sage treffen zwei Faktoren aufeinander, von denen man – hoffentlich! – nur einen selbst beurteilen kann. Sages Situation ist alles andere als gewöhnlich, doch zumindest im Hinblick auf einen dieser beiden Faktoren erscheint die Art des intimen Verkehrs äußerst unrealistisch und viel zu gewagt für jemanden mit Sages Erfahrungsstand. Es fällt einem sehr schwer sich damit anzufreunden, es wirkt mehrwürdig und eher unglaubwürdig, von den Schwierigkeiten bei der tatsächlichen Umsetzung ganz zu schweigen, und geht weit über das hinaus, was man beim ersten intimen Kontakt für nachvollziehbar halten würde. Vielleicht ist das aber auch einfach eine Frage des persönlichen Geschmacks oder Sages sonstigen Erlebnissen geschuldet.

Neben Sage und Luca gibt es zudem einige, liebenswerte Nebencharaktere, darunter Lucas bester Freund Gavin, seine Schwester April sowie Sages beste Freundin Megan, die den beiden wahre Freunde bzw. liebende Geschwister sind. Man freut sich sehr darüber, dass sie solch gute Menschen in ihrem Leben haben, die ihnen in schwierigen Situationen helfend zur Seite stehen, und nimmt an deren Leben ebenso interessiert Anteil wie an dem der beiden Protagonisten.

Schön ist außerdem, dass Sage sich trotz ihrer prekären finanziellen Lage irgendwann professionelle Hilfe sucht, was kein Grund ist sich zu schämen, im Gegenteil. Obwohl es zumindest hierzulande große Unterschiede dazwischen gibt, werden die Bezeichnungen Psychiaterin und Psychologin aber leider synonym verwendet, allerdings ist die Handlung in den USA angesiedelt und dort ist es möglicherweise wieder etwas anders.

Der Schreibstil von Laura Kneidl liest sich sehr flüssig und sie versteht es den Leser zu fesseln sowie den Spannungsbogen geschickt aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus beleuchtet sie auf sehr realistische Weise so schwierige und zugleich wichtige Themen wie familiären Missbrauch, häusliche Gewalt und Angststörungen, wobei die Gefühle der betroffenen Figuren stets sehr nachvollziehbar geschildert werden und ausgesprochen echt wirken, wohingegen der Missbrauch beim Leser vor allem Ekel und Abscheu hervorruft. Die diesbezüglichen Beschreibungen sind kaum auszuhalten, obschon die Autorin glücklicherweise nicht allzu sehr ins Detail geht, und lösen eine unbändige Wut auf den Täter aus. Des Weiteren wird mehr als deutlich, wie mächtig Angst sein kann, weil sie den Blick für die Realität mitunter stark trübt, und dass die Flucht vor der Vergangenheit diese noch lange nicht bewältigt.

Als Sages Panik schließlich doch noch obsiegt und ihr Glück sowie ihre Beziehung zu Luca, die eigentlich gerade erst begonnen hatte, plötzlich ein jähes und bitteres Ende nehmen, ist man als Leser natürlich sehr betrübt und der Schmerz über diese Trennung ist nur schwer zu ertragen. Man kann nur hoffen, dass es Sage im zweiten Band, den man am liebsten sofort im Anschluss lesen würde, gelingen wird, ihre traumatische Vergangenheit zu überwinden, die ganze Wahrheit ans Licht kommt – was für alle Beteiligten besser wäre, da sie ein Anrecht darauf haben sie zu erfahren – und sowohl Sage als auch Luca endlich ihr verdientes Happy End bekommen.

Besonders gespannt ist man dabei auf die Auflösung in Bezug auf den familiären Missbrauch innerhalb der betroffenen Familie. Die Wahrheit könnte sie zerstören, das Schweigen erscheint einem jedoch sogar noch schlimmer. Die Gründe dafür sind zwar durchaus nachvollziehbar, aber nur die Wahrheit kann die Kontrolle des Täters ein für alle mal beenden und sollte dieser irgendwann beschließen, sich nicht mehr an sein Versprechen zu halten, wird es bereits zu spät sein. Wie werden die Personen darauf reagieren? Werden sie dem Täter glauben oder dem Opfer? Wirft das Opfer einem der Familienmitglieder zu Recht vor, dass es Bescheid wusste und einfach die Augen davor verschlossen hat oder war es tatsächlich unwissend? Falls letzteres der Fall sein sollte, kann diese Person einem ebenfalls nur leid tun, weil sie, genau wie eine weitere, sichtlich unter der Trennung vom Opfer leidet und dann nicht einmal den Grund für den kaum noch nennenswerten Kontakt kennen würde.

Fazit

Berühre mich. Nicht. ist ein sehr gelungener und, bis auf eine Ausnahme, überaus authentischer New Adult Roman, der Fans des Genres garantiert nicht enttäuschen wird. Wer die Frustration über das unvermittelte Ende vermeiden will, sollte mit dem Lesen allerdings besser bis zum Erscheinen der Fortsetzung im Januar 2018 warten.





Kommentare

  1. Auf die Rezension habe ich mich sehr gefreut. Ich bin noch am Überlegen, ob ich das Buch lesen mag.

    Neri, Leselaunen

    • Das freut mich zu hören. Ich kann dir das Buch, wie man an der Rezension sieht, nur empfehlen, denn die Geschichte von Sage und Luca konnte mich wirklich sehr berühren.

  2. Hallo Stephie,
    das klingt nach einem spannenden Roman! Danke Dir für die Rezension; sehr ausführlich, toll analysierend und warmherzig geschrieben.
    Liebe Grüße, Frauke

    • Vielen lieben Dank für das schöne Kompliment. Es freut mich sehr, dass dir die Rezension so gut gefällt. Und das besprochene Buch ist in der Tat sehr spannend und vor allem emotional. :)

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