[Rezension] Das Schweigen unserer Freunde

13. September 2019 | 20:33 | Gelesen

Titel: Das Schweigen unserer Freunde
Autoren: Mark Long, Jim Demonakos
Originaltitel: The Silence Of Our Friends
Erstveröffentlichung: 2012
Übersetzer: Marc-Oliver Frisch


Wissenswertes

Das Schweigen unserer Freunde ist ein Graphic Novel der in den USA wohnhaften Autoren Mark Long und Jim Demonakos. Ersterer hat seine Kindheitserinnerungen in das Buch einfließen lassen, letzterer hat die jährlich in Seattle stattfindende Emerald City Comic Con ins Leben gerufen.

Die Illustrationen stammen von dem us-amerikanischen Musiker und Comic-Zeichner Nate Powell, dessen Werke unter anderem schon mit dem Eisner Award, dem Ignatz Award und sogar dem National Book Award ausgezeichnet wurden.

Inhalt

Houston, Texas, 1968: Die us-amerikanische Bürgerrechtsbewegung hat bereits vor über einem Jahrzehnt begonnen, aber die „Rassentrennung“ ist in den Herzen und Köpfen vieler Menschen noch immer fest verwurzelt. Die Polizei geht selbst gegen friedliche Demonstranten gnadenlos vor und denkt keine Sekunde über eigenes Fehlverhalten nach.

Eine Freundschaft zwischen einem weißen und einem schwarzen Mann bzw. zwischen einer weißen und einer schwarzen Familie scheint in dieser Zeit nahezu undenkbar und jedes Treffen wird skeptisch, um nicht zu sagen feindselig, beobachtet. Der Reporter Jack Long und der Aktivist Larry Thomas, die sich bei einer Demonstration kennen gelernt haben, lassen sich davon jedoch nicht einschüchtern – bis ihre Freundschaft durch ein Aufsehen erregendes Gerichtsverfahren auf eine harte Probe gestellt wird …

Kritik

Das Schweigen unserer Freunde ist ein sehr lesenswerter Graphic Novel, vor allem wenn man sich für die us-amerikanische Bürgerrechtsbewegung interessiert und nicht nur mehr über die Meilensteine der Bewegung, sondern auch über die damit verbundenen alltäglichen Zustände und Konfrontationen in dieser Zeit erfahren möchte, die hier sehr anschaulich dargestellt werden.

Die damalige Gesellschaft war zweifelsohne stark von Rassismus geprägt, in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen, der mitunter auf vollkommen unbegründeten Vorurteilen beruhte. Die einstige „Rassentrennung“ wurde bereits vor ein paar Jahren offiziell abgeschafft, doch viele Weiße wollten, insbesondere im Süden der USA, weiterhin daran festhalten und weigerten sich zum Beispiel schwarze Bürger in ihren Geschäften zu bedienen. Die weiße Bevölkerung lässt sich also mehr oder weniger in drei Gruppen einteilen: Die Mehrheit besteht aus untätigen Mitläufern, die scheinbar keine eigene Meinung zu diesem Thema haben oder der Einfachheit halber alles so belassen wollen, wie es ist. Bedrohlicher sind natürlich die radikalen Verfechter der „Rassentrennung“, die nicht vor Gewalt zurückschrecken und denen nur sehr wenige weiße Menschen gegenüber stehen, die sich ausdrücklich gegen Rassismus aussprechen, geschweige denn aktiv für die Gleichberechtigung ihrer schwarzen Mitbürger eintreten.

Der offenkundige, rassistisch-motivierte Hass sowie die rücksichtslose Brutalität und unvorstellbare Gleichgültigkeit verschiedener, weißer Menschen gegenüber der schwarzen Bevölkerung ist absolut erschreckend. Man sollte meinen, dass Welten zwischen dem Bespucken und dem absichtlichen Anfahren einer Person liegen, eine gewisse Hemmschwelle scheint bei vielen Menschen allerdings gar nicht mehr zu existieren, sodass nicht einmal vor Kindern Halt gemacht wird. Beschimpfungen sind sie ohnehin täglich ausgesetzt. Dass es wenigstens ein paar gute, unvoreingenommene weiße Menschen wie die Familie Long gab, ist somit nur ein sehr schwacher Trost.

Dabei könnte es im Grunde so einfach sein, wie man an der tollen Szene sieht, in der die Kinder der Familien Long und Thomas erstmals aufeinander treffen und miteinander spielen. Für die Kinder ist es eine vollkommen neue Erfahrung, aber sie begegnen einander nicht mit Argwohn, sondern lediglich mit Neugier als sie einander besser kennen lernen.

Neben der für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Freundschaft zwischen den Familien Long und Thomas steht später ein schlagzeilenträchtiger Gerichtsprozess im Mittelpunkt. Nachdem es bei einer Demonstration zu einem Schusswechsel mit der Polizei gekommen war, infolgedessen ein Polizist verstarb, kam es zu unzähligen Verhaftungen schwarzer Männer, was einmal mehr verdeutlicht, dass schwarze mutmaßliche Täter mit aller Härte verfolgt werden, während bei Gewalttaten, die Weiße an Schwarzen verüben, in der Regel gar nicht erst ermittelt wird.

Fünf dieser Männer werden nun – zu Unrecht – des Mordes beschuldigt und Jack Long, der als Reporter vor Ort war, ist der einzige Augenzeuge. Als solcher steht er unter enormem, gesellschaftlichem Druck, denn er wird sofort massiv beschimpft, wenn er eine schwarze Person auf irgendeine Weise in Schutz nimmt. Überdies scheint die zuständige Staatsanwaltschaft nicht im Geringsten an der Wahrheit interessiert zu sein. Glücklicherweise trifft er letztlich jedoch die einzig richtige Entscheidung und erzählt vor Gericht wahrheitsgemäß, was er beobachtet hat.

Das Buch endet schließlich mit dem Trauermarsch zu Ehren Martin Luther King Jr., der im gleichen Jahr in Memphis einem Attentat zum Opfer fiel.

Danach folgen ein Glossar, in dem wichtige, gegebenenfalls unbekannte Begriffe und Namen aufschlussreich erklärt werden, sowie ein interessantes Nachwort des Autors Mark Long und ein Interview mit dem Illustrator Nate Powell über dessen Werdegang sowie die Arbeit an diesem Werk. Laut des Nachworts ist der Graphic Novel zum Teil sogar autobiographisch und basiert mithin sowohl auf wahren historischen Ereignissen als auch auf den eigenen Erlebnissen des Autors, welche er in die Geschichte einfließen ließ, was wiederum für die Authentizität der Darstellungen spricht. Die Geschichte handelt demnach von realen Familien, die sich wirklich kannten, wenngleich einige Namen geändert wurden.

Fazit

Das Schweigen unserer Freunde ist ein empfehlenswerter Graphic Novel, der durch die Schilderung historischer Ereignisse auf ein wichtiges Thema aufmerksam macht, mit dem man sich auch heute weiterhin auseinandersetzen muss, da viele Probleme und Vorurteile noch immer existieren und Rassismus folglich nicht lediglich der Vergangenheit angehört.





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