Autorin: Jessica Alcott
Originaltitel: Even When You Lie To Me
Erstveröffentlichung: 2015
Übersetzerin: Eva Müller-Hierteis
Wissenswertes
Selbst wenn du mich belügst ist der Debutroman der englischsprachigen Autorin Jessica Alcott, die zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Katzen in den USA lebt. Nach ihrem Abschluss und bevor sie selbst anfing zu schreiben, hat sie in einem britischen Kinderbuchverlag gearbeitet.
Inhalt
Kritik
Für ihr Alter – anfangs ist sie siebzehn, im Verlauf der Handlung wird sie dann volljährig – verhält sie sich verhältnismäßig unreif. Einerseits beschwert sie sich permanent darüber, dass ihre Mutter sie nicht versteht, andererseits versucht sie selbst nicht ein einziges Mal sich in ihre Mutter hineinzuversetzen. Allerdings ist Charlies Mutter zugegebenermaßen nicht immer besonders freundlich und hat durchaus fragwürdige Erziehungsmethoden. Sie erklärt ihrer Tochter beispielsweise allen Ernstes, dass Männer nur auf Schönheit achten und sie ohne entsprechende „Anpassungen“ nie einen Freund finden wird. Es ist also kein Wunder, dass Charlie so dermaßen davon überzeugt ist hässlich zu sein, dass sie Komplimente nicht gelten lässt. Sie besteht förmlich darauf von anderen diesbezüglich nicht angelogen werden zu wollen, erwartet unverständlicherweise aber trotzdem manchmal das komplette Gegenteil gesagt zu bekommen.
Auch sonst kann man Charlies Gedankengänge, trotz der Schilderung der gesamten Geschichte aus ihrer Ich-Perspektive, in der Regel absolut nicht nachvollziehen. Ihr teils ziemlich unfaires Verhalten ihren Eltern gegenüber sowie ihre andauernden Selbstzweifel kann man vielleicht noch auf die Pubertät schieben, in der sie sich offenkundig befindet, zahlreiche andere Situationen lassen sich damit jedoch nicht mehr erklären bzw. entschuldigen. Vor allem ihre widersprüchlichen Gedanken und Gefühle in Bezug auf ihren Lehrer Mr Drummond sorgen für Verwirrung. In einem Moment findet sie ihn noch sexy und anziehend, im nächsten findet sie ihn ohne erkennbaren Grund auf einmal abstoßend und Mitleid erregend oder schämt sich sogar für ihn.
Die „Beziehung“ zwischen Charlie und Mr Drummond, falls man sie denn überhaupt als solche bezeichnen kann, ist ebenfalls ein großer Störfaktor. Von Romantik oder Chemie zwischen ihnen fehlt zumindest für den Leser jede Spur. Statt einer Beziehung auf Augenhöhe mit dem Schüler-Lehrer-Verhältnis als vorübergehendes Hindernis kommt viel öfter das Gefühl einer missbräuchlichen Beziehung auf, in der Charlies Einsamkeit und ihre Komplexe durch ihren Lehrer ausgenutzt werden, was einen abstößt. Man erfährt zwar nie, wie alt Mr Drummond tatsächlich ist, aber es deutet vieles darauf hin, dass ihn und Charlie deutlich mehr als nur ein paar Jahre trennen, was erneut kein gutes Licht auf diese „Romanze“ wirft.
Lange Zeit weiß man nicht einmal, ob Charlies Schwärmereien für Mr Drummond lediglich eine Art Wunschdenken auslösen und sie sich nur einbildet, dass er sie auf eine bestimmte Art oder intensiver als andere Mitschüler ansieht bzw. einfach zu viel hineininterpretiert. Auch sein gelegentlich zu kumpelhaftes, unangemessenes Verhalten lässt nur schwer auf ernsthafte, tiefergehende Gefühle seinerseits schließen. Erst kurz vor Schluss wird daher deutlich, dass Mr Drummond Charlies Gefühle tatsächlich erwidert, zumindest teilweise. Die entsprechende Szene, in der es sogar zu sexuellen Handlungen kommt, wird im Hinblick auf das Genre jedoch viel zu detailliert beschrieben und löst in diesem speziellen Fall eher ein Gefühl des Ekels aus.
Mr Drummond hat also vollkommen recht, wenn er eingesteht, dass er bestimmte Dinge nie zu Charlie hätte sagen und alles über Worte hinaus ohnehin nie hätte zulassen dürfen. Das Ende erweckt allerdings den Eindruck, als wären Charlies Gefühle für ihren Lehrer im Endeffekt nur sehr oberflächlicher Natur gewesen, was wiederum für eine Teenie-Schwärmerei spricht, für die sie eigentlich schon viel zu alt war.
Die Beziehung zu ihrer eher unsympathischen besten Freundin Lila erscheint einem ebenfalls sehr merkwürdig und entspricht keinesfalls dem Bild, das man von einer klassischen Freundschaft hat. Abgesehen davon, dass man im Grunde gar nicht weiß, warum sie überhaupt befreundet sind und sie außer ihrer jeweiligen Selbstbezogenheit nichts gemeinsam haben, hat man bei Charlie häufig das Gefühl, dass sie einfach nur jemandem zum Reden braucht, es ihr aber eigentlich völlig egal ist, wer ihr zuhört, was Lila total austauschbar macht.
Schön sind dagegen die Ausschnitte aus dem Literaturkurs, den Mr Drummond unterrichtet, sowie der darin geführten Diskussionen über bekannte Klassiker. Einige Werke wird man vielleicht bereits kennen, andere wird man danach womöglich noch lesen wollen.
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