[Rezension] Wie Monde so silbern

27. Januar 2014 | 01:03 | Gelesen

Titel: Wie Monde so silbern
Autorin: Marissa Meyer
Originaltitel: Cinder
Erstveröffentlichung: 2012
Übersetzerin: Astrid Becker


Wissenswertes

Wie Monde so silbern ist der Debutroman der us-amerikanischen Autorin Marissa Meyer, die zur Zeit mit ihrem Verlobten sowie ihren zwei Katzen in Tacoma, Washington lebt. Neben ihrer leichten Besessenheit für Bücher und das Schreiben, hat sie eine Schwäche für Autoreisen, Weinverkostungen und Antiquitäten.

Wie Monde so silbern ist zudem der Auftakt zu einer Tetralogie. Die Fortsetzung, Scarlet, ist unter dem Titel Wie Blut so rot bereits seit wenigen Tagen erhältlich. Der dritte Band, Cress, wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres unter dem Titel Wie Sterne so golden auf Deutsch erscheinen. Der letzte Teil wird den Titel Winter tragen und ist in den USA für 2015 geplant.

Daneben gibt es noch zwei digitale Kurzgeschichten, die man inzwischen beide auch in deutscher Sprache kaufen kann: Das mechanische Mädchen sowie Die Armee der Königin.

Inhalt

Immer mehr Menschen sterben an der Blauen Pest, weshalb die Forscher fieberhaft nach einem Gegenmittel suchen. Um dieses nicht an „richtigen“ Menschen testen zu müssen, wurde vor einem Jahr die Cyborg-Einberufung gestartet, die Cyborgs zwingt als Versuchsobjekt herzuhalten, wozu man sie, selbst wenn sie noch gesund sind, zunächst mit der Krankheit infiziert, was einem Todesurteil gleichkommt.

Cinder hatte bisher Glück und wurde noch nicht einberufen, aber ihre Stiefmutter Adri würde sie sofort gegen ihren Willen verpflichten, wenn sie mit den Einnahmen aus ihrer Arbeit als Mechanikerin nicht ihren Lebensunterhalt sowie den ihrer Töchter finanzieren würde. Vollkommen ausgeschlossen ist das allerdings deshalb noch nicht, denn ein Vergehen ihrerseits könnte Adri jederzeit dazu veranlassen es sich trotzdem anders zu überlegen, insbesondere weil die Familien der Cyborgs für ihren Verlust entschädigt werden …

Kritik

Obwohl es sich bei Wie Monde so silbern um eine moderne Neuerzählung des Märchens Aschenputtel bzw. Cinderella handelt, hat Marissa Meyer es geschafft der Geschichte ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Natürlich gibt es einige Parallelen, sonst könnte man das Märchen ja nicht mehr entdecken, doch es dient ihr nur als Grundgerüst für die Handlung und so hat man trotzdem das Gefühl etwas völlig Neues zu lesen – zumal Cinder sich als starke Protagonistin oftmals selbst zu helfen weiß und daher in der Regel nicht auf eine gute Fee angewiesen ist.

Vor allem die faszinierende futuristische Welt, die die Autorin erschaffen hat, macht ihr Debut zu etwas ganz Besonderem. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Gesellschaft von Neu-Peking stark von unserem heutigen Leben, in anderen Aspekten ist sie der unseren noch ziemlich ähnlich.

Seit mehr als einem Jahrzehnt wütet nun bereits die Blaue Pest auf allen Kontinenten der Erde und hat unzählige Menschen das Leben gekostet, aber den Forschern ist es noch immer nicht gelungen ein Gegenmittel zu finden. Wer sich ansteckt wird, sobald er die ersten Symptome zeigt, sofort in eine Quarantäne-Station gebracht, in der man dann auf den unausweichlichen Tod wartet ohne seine Familie oder Freunde ein letztes Mal sehen zu dürfen.

Doch die Pandemie ist nicht die einzige Bedrohung für die Menschheit. Königin Levana von Luna, die Herrscherin über die Bevölkerung auf dem Mond, droht der Erde schon seit Jahren mit einem Krieg und scheint diese Drohung bald wahr machen zu wollen, wenn der Staatenbund nicht endlich auf ihre abstrusen Forderungen eingeht. Die Lunarier gelten als grausam, selbstsüchtig sowie gierig und besitzen die Fähigkeiten die Gedanken anderer zu manipulieren. Eine Allianz mit Levana würde deshalb praktisch zur Versklavung der Erdenbewohner führen, denn sie kann nur herrschen indem sie ihre Bürger permanent manipuliert und Ungehorsam ohne jede Gnade mit dem Tode bestraft. Alle anderen potenziellen Thronfolger hat sie bereits beseitigt um ihren Anspruch zu sichern, wobei ein paar Verschwörungstheoretiker davon überzeugt sind, dass eine Prinzessin überlebt hat und all ihre Hoffnung darauf setzen, dass diese Levana eines Tages vom Thron stürzen wird.

Während man einigen Problemen also auch in der Zukunft hilflos gegenüber steht, haben manche Entwicklungen den Lebensstandard der Menschen deutlich verbessert. So ist zum Beispiel die Technologie unglaublich weit fortgeschritten: zur Fortbewegung nutzen die Menschen automatisch gesteuerte Hover, Androiden erleichtern ihnen den Alltag und Cyborgs sind keine Seltenheit. Nur die Menschen selbst haben sich leider nicht gleichermaßen weiterentwickelt, insbesondere was ihre Einstellungen anbelangt, und man trifft immer noch sehr häufig auf Intoleranz, nur dass diese sich nun überwiegend gegen Cyborgs richtet. Obwohl mechanische Gliedmaßen sich im Grunde kaum von den uns heute bekannten Prothesen unterscheiden, außer dass sie eben mit dem Gehirn verbunden sind und infolgedessen durch Gedanken bewegt werden können, worüber man sich eigentlich für die Betroffenen freuen sollte, gelten alle Cyborgs, egal wie groß ihr nicht organischer Anteil sein mag, unfairerweise nicht mehr als Menschen und haben daher kaum bis gar keine eigenen Rechte.

Die ausgesprochen sympathische Hauptfigur Cinder ist einer dieser Cyborgs, die rechtlich gesehen mit den Androiden auf eine Stufe gestellt werden, und somit das Eigentum ihrer Stiefmutter Adri. Da sie bereits als Kind zu dem gemacht wurde, was sie heute ist, wobei sie keinerlei Erinnerung mehr an die Zeit vor der kybernetischen Operation hat, hat sie sich dieses Schicksal nicht selbst ausgesucht, wird aber dennoch allein auf Grund dieser Tatsache äußerst schlecht von Adri sowie ihrer Stiefschwester Pearl behandelt und kann sich durch ihre gesellschaftliche Stellung nicht dagegen wehren. Dabei ist sie diejenige, die die Familie ernährt, weil sie als einzige arbeitet, doch alles, was sie als Mechanikerin verdient, gehört selbstverständlich ebenso Adri wie sie selbst.

Allerdings teilen zum Glück nicht alle Menschen Adris Haltung und so gibt es immerhin einen Menschen in Cinders Leben, der trotz des Wissens um ihre Cyborganteile freundlich zu ihr ist und sie nie als Maschine betrachtet hat: ihre kleinere Stiefschwester Peony. Während einem Adri und Pearl absolut verhasst sind, schließt man Peony sofort ins Herz und ist untröstlich, als das Schicksal es ausgerechnet mit ihr nicht gut meint. Cinder trifft das ebenfalls hart, da sie Peony sehr liebt, denn auch als Cyborg ist, hat sie selbstverständlich Gefühle und weiß, was Liebe ist.

Natürlich braucht Aschenputtel einen Prinzen und es ist schön, dass Cinder und Kai sich hier, anders als im Märchen, nicht erst auf dem Ball begegnen, sondern sich schon lange vorher kennen lernen, sodass man als Leser zumindest ein wenig verstehen kann, warum die Beiden sich zueinander hingezogen fühlen, wobei man den Prinzen gerne noch besser kennengerlernt hätte, z.B. in Bezug auf seine Meinung zu Cyborgs. Er ist ein toller Charakter, den man schon bald sehr gern hat, aber auch ein wenig bemitleidet, weil er so schwere Entscheidungen treffen muss und eine so große Verantwortung zu tragen hat. Selbstverständlich möchte er sein Volk vor einem neuen Krieg bewahren und würde dafür sogar sein eigenes Glück, wenn nicht sogar sein Leben, opfern, er will sie allerdings ebenso wenig zu einem Dasein als Sklaven Levanas verdammen, sodass er in einem wahren Dilemma steckt.

Neben Peony und Kai gibt es noch einen weiteren wichtigen Menschen in Cinders Leben, den man zwar im ersten Augenblick verabscheut, ihn später aber besser versteht und schließlich sogar lieb gewinnt, da er sich so rührend um sie kümmert: Dr. Erland. In ihm steckt viel mehr als man auf den ersten Blick vermutet und auch wenn man seine Methoden nicht vollständig gutheißt, verfolgt er im Grunde gute Absichten, weshalb man sich freuen würde ihm im zweiten Teil wieder zu begegnen.

Insgesamt ist Cinders Geschichte von Anfang bis Ende ausgesprochen fesselnd und man mag das Buch daher kaum aus der Hand legen. Im Gegensatz zu ihr selbst hat man zwar schon relativ früh eine konkrete Ahnung was Cinders wahre Identität betrifft, das mindert die Spannung jedoch nicht, denn Marissa Meyer hat noch genügend andere Überraschungen für den Leser zu bieten.

Obwohl Cinder im Mittelpunkt steht und die Ereignisse somit größtenteils aus ihrer Perspektive geschildert werden, bekommt man Dank des personalen Erzählers auch Einblicke in die Geschehnisse abseits der Protagonistin. Trotzdem kann man sich sehr gut in sie hineinversetzen und mit ihr mitfühlen, insbesondere da es einen als Leser nicht im Geringsten stört, dass sie ein Cyborg ist.

Das einzige Manko, falls man es denn überhaupt so nennen kann, ist das abrupte Ende. Völlig unerwartet hört das Buch ohne jede Vorwarnung praktisch mittendrin auf und lässt einen fassungslos zurück. Es gibt zwar keinen Cliffhanger, fühlt sich dafür aber unvollständig an, weil an Stelle eines, zumindest vorläufigen, Abschlusses wirklich alles offen gelassen und nicht ein Problem gelöst wurde. Die Fortsetzung hätte man ohnehin gelesen, doch nun ist man natürlich besonders gespannt, da man unbedingt wissen möchte, wie es mit Cinder und Kai weitergeht. Man hofft deshalb sehr, dass sie trotz neuer Hauptfiguren im zweiten Band genug Raum bekommen, damit alle offen gebliebenen Fragen darin beantwortet werden.

Fazit

Wie Monde so silbern ist ein fantastisches Debut, das mit neuen Ideen, einer starken Heldin, einem packenden Schreibstil sowie einer fesselnden Handlung überzeugen kann und damit definitiv aus der Masse heraussticht. Die Verknüpfung von Märchen und Science-Fiction ist Marissa Meyer überraschend gut gelungen und macht dieses Buch zu etwas ganz Besonderem, mit dem man so nie gerechnet hätte.

Man wird daher auf keinen Fall länger als nötig damit warten auch die Fortsetzung zu lesen, denn dafür ist die Vorfreude auf eine weitere Märchen-Neuerzählung sowie ein Wiedersehen mit Cinder und Kai viel zu groß!





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