[Rezension] Tote Mädchen schreiben keine Briefe

08. Oktober 2011 | 18:06 | Gelesen

Titel: Tote Mädchen schreiben keine Briefe
Autorin: Gail Giles
Originaltitel: Dead Girls Don’t Write Letters
Erstveröffentlichung: 2003
Übersetzerin: Eva Plorin


Wissenswertes

Tote Mädchen schreiben keine Briefe ist das zweite Buch der us-amerikanischen Autorin Gail Giles, die in ihren Romanen immer wieder einen Einblick in die menschliche Psychologie gewährt und deren Werke auch schon mehrfach ausgezeichnet wurden.

Die ehemalige Lehrerin, die inzwischen sechs Bücher veröffentlicht hat, lebt heute glücklich mit ihrem Ehemann in Texas, zusammen mit zwei Hunden und drei Katzen.

Zwei weitere Werke der Autorin sind bereits bei cbt erschienen. Ihr vierter Roman, What Happened To Cass McBride?, erschien in Deutschland mit dem Titel Der erste Tod der Cass McBride Anfang dieses Jahres bei Thienemann.

Inhalt

Sunny hat ihre ältere und hinterlistige Schwester Jazz immer gehasst. Deshalb war sie, ganz im Gegensatz zu ihren Eltern, die Jazz geradezu vergötterten, auch nicht wirklich traurig als diese nach ihrem Schulabschluss von zu Hause fort gegangen ist oder als man ihr und ihren Eltern vor ein paar Monaten mitteilte, dass Jazz vermutlich bei einem Brand gestorben sei.

Während diese Nachricht ihre Mutter in eine tiefe Depression stürzte und ihren Vater noch stärker zum Alkoholismus trieb, ist Sunny eher erleichtert, weil sie nun nicht mehr ständig im Schatten ihrer nach außen scheinbar so perfekten Schwester steht. Doch dann findet Sunny eines Abends einen gelben Briefumschlag im Briefkasten, dessen Absender angeblich ihre verstorbene Schwester Jasmine ist. Zunächst geht sie davon aus, dass der Brief verloren gegangen und nun zu spät bei ihnen angekommen sein muss, aber als sie ihn schließlich liest, stellt sie schockiert fest, dass es sich dabei um einen aktuellen Brief handelt.

In dem Brief schreibt Jazz, dass es ihr gut geht und sie zum Zeitpunkt des Brandes gar nicht mehr in ihrer Wohnung gelebt hätte, allerdings erst jetzt davon erfuhr und sich daher nicht früher gemeldet hat. Nun würde sie jedoch zurück nach Hause kommen. Aber das Mädchen, das am darauf folgenden Sonntag ankommt und sich so benimmt wie Jazz, ist nicht Sunnys Schwester …

Kritik

Mit Tote Mädchen schreiben keine Briefe ist es der Autorin Gail Giles gelungen einen tollen Psychothriller zu schreiben, den man nicht so schnell vergessen wird. Wobei das Wort ‚Thriller’ auch hier, genau wie schon bei Der erste Tod der Cass McBride, wieder nicht richtig zutreffend ist, zumindest nicht nach der gängigen Definition des Genres. Wirklich viel Spannung kommt nämlich nicht auf, was das Buch allerdings nicht schlechter macht, denn interessant ist die Handlung in jedem Fall und sie bewegt den Leser immer wieder zum weiter lesen.

Die Protagonistin und Ich-Erzählerin Sunny, bzw. eigentlich Sunflower, ist eine ungewöhnliche Figur, die man gut verstehen kann, für die man aber auch auf Anhieb Mitleid empfindet. Während ihre Schwester Jazz von ihren Eltern angebetet wurde, haben sie Sunny weitestgehend ignoriert und sie sich selbst überlassen. Alles, was Jazz tat, war perfekt und alles was Sunny tat, war es nicht, weshalb sie sowohl zu Hause als auch in der Schule immer im Schatten ihrer großen Schwester stand und stets mit ihr verglichen wurde. Es ist für den Leser daher auch nicht sonderlich schockierend, dass Sunny nicht um den Verlust ihrer Schwester trauert, zumal diese die Familie und somit auch Sunny ja schon nach ihrem Abschluss zurück gelassen hatte.

Die Idee, die hinter der Handlung des Buches steht, ist fesselnd und genial. Ihre Einzigartigkeit macht sie zudem noch zu einer willkommenen Abwechslung, die aus dem Einheitsbrei heraus sticht. Wie schon erwähnt, steht nicht die Spannung, sondern vielmehr die Psychologie im Vordergrund, die einen zu faszinieren vermag. Gail Giles gelingt es wunderbar aufzuzeigen, wie unterschiedlich verschiedene Menschen auf dasselbe Ereignis reagieren können und was sie damit in ihrem sozialen Umfeld auslösen bzw. wie sie von diesem wahrgenommen werden. Außerdem ist es interessant zu sehen, welche Gefühle Sunny gegenüber der ‚neuen’ Jazz entwickelt, die sie selbst sehr überraschen.

Das Buch hat jedoch leider auch einen Schwachpunkt: die geringe Seitenzahl. Während das bei Der erste Tod der Cass McBride noch kein Problem war, sorgt es hier für einen Punktabzug, denn das Ende kommt in diesem Fall eindeutig zu kurz. Auf den letzten fünf Seiten nimmt die Handlung eine absolut unerwartete sowie schockierende Wendung, die das Buch mit ein wenig mehr Erklärung zu einem großartigen Werk gemacht hätte. Stattdessen wird der Leser damit überrumpelt und mit ein paar Bruchstücken völlig verwirrt und ratlos zurück gelassen. Wirklich schade!

Fazit

Tote Mädchen schreiben keine Briefe ist ein interessanter und einzigartiger Roman, der einen sowohl zu fesseln als auch zu schockieren vermag. Leider wird jedoch die Wendung, die die Geschichte auf den letzten Seiten nimmt, nicht genügend erläutert, sodass man nach dem letzten Satz ziemlich ratlos ist und nicht genau weiß, wie man das Geschehene nun betrachten soll.





Kommentare

  1. Das Buch klingt ganz nach meinem Geschmack, auch wenn das Ende anscheinend nicht so toll ist. Ich mag Bücher, die psychologisch angehaucht sind, sehr gern.

    • Dann ist bestimmt auch “Der erste Tod der Cass McBride” etwas für dich, da hatte ich am Ende auch nichts auszusetzen. Oder hast du das schon gelesen?

  2. Nee, das habe ich leider noch nicht gelesen. Aber das ist auch auf meinem Wunschzettel gelandet, nachdem ich deine Rezi dazu gelesen hatte. :-)

  3. Klingt ja wieder nicht schlecht, obwohl mich deine Kritik am Ende etwas abschreckt. Ich werde es wohl bei Gelegenheit mal selber lesen müssen um mir ein Bild davon zu machen. ;)

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