[Rezension] Die Rose von Arabien

15. März 2011 | 18:25 | Gelesen

Titel: Die Rose von Arabien
Autorin: Christine Lehmann
Originaltitel: Die Rose von Arabien
Erstveröffentlichung: 2010
Übersetzer: Originalsprache


Wissenswertes

Die Rose von Arabien ist nach Der Ruf des Kolibris das zweite Jugendbuch der deutschen Autorin Christine Lehmann, die schon im Alter von 14 Jahren Schriftstellerin werden wollte.

1994 erschien ihr erster Roman, ein Krimi mit dem Titel Kynopolis. Darauf folgten weitere Krimis und Unterhaltungsromane. Ihre Liebeskomödie, Der Bernsteinfischer, wurde 2005 mit Heiner Lauterbach in der Hauptrolle sogar verfilmt.

Inhalt

Auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt begegnet die 16-jährige Finja ihm zum ersten Mal, dem gut aussehenden Südländer, in den sie sich sofort Hals über Kopf verliebt. Umso größer ist die Überraschung, als sie genau ihn bei ihrem Vater am Glühweinstand wieder trifft. Sein Name ist Chalil und er gehört zu den Studenten ihres Vaters. Außerdem ist er auch der Sohn des Scheichs, dem ihr Vater und sein Institut einen großen Auftrag in Dubai verdanken, für den ihr Vater auch schon bald wieder für mehrere Wochen nach Dubai fliegen wird.

Finja fühlt sich unglaublich zu Chalil hingezogen, trotz der vielen kulturellen Unterschiede. Nachdem er sie am selben Abend auch noch zum Abschied küsst und sie einlädt genau wie ihr Vater bei seiner Familie zu wohnen anstatt in einem Hotel, kann sie es kaum erwarten ihren Vater in Dubai zu besuchen. Der Besuch dort ist schon wochenlang geplant und soll Finja eigentlich nur ein gemeinsames Weihnachtsfest mit ihrem Vater ermöglichen. Sie kann aber an nichts anderes mehr denken als an Chalil und hofft, viel Zeit mit ihm verbringen zu können.

In Dubai angekommen läuft allerdings nichts so, wie Finja es sich ausgemalt hatte. Chalil ist bei ihrer Ankunft nicht einmal bei seiner Familie und auch sonst verhält er sich ihr gegenüber eher distanziert. Wirklich viel Zeit können die Beiden auch nicht mit einander verbringen, schon gar nicht allein, denn die arabische Kultur sieht so etwas nicht vor. Außerdem ist Chalil ein gläubiger Moslem und der Erstgeborene der Familie, wodurch er ganz bestimmte Pflichten zu erfüllen hat, die eine richtige Beziehung zu einer Europäerin eigentlich unmöglich machen …

Kritik

Die Rose von Arabien handelt von einer Liebesgeschichte, ähnlich der von Romeo & Julia, zwischen Finja und Chalil, die auf Grund ihrer verschiedenen Kulturen und ihrer unterschiedlichen Religionen eigentlich nicht zusammen sein dürfen, es aber trotzdem nicht schaffen, einander fern zu bleiben.

Die 16-jährige Finja ist teilweise eine ziemlich widersprüchliche Figur. In dem einen Moment verhält sie sich sehr berechnend und reifer, als es ihrem Alter entspricht, im nächsten Moment ist sie dafür wieder ziemlich unreif, was vor allem auf dem Weihnachtsmarkt deutlich wird. Obwohl sie Chalil nicht kennt, nichts von ihm weiß und nie mit ihm gesprochen hat, ist sie sofort in ihn verliebt und kann an nichts anderes mehr denken. Das geht einfach zu schnell und ihre übertriebene Verliebtheit ist zwischendurch sogar etwas nervig.
Es ist auch etwas absurd, dass sie nach einem Kuss schon ernsthaft darüber nachdenkt, ob sie in Dubai leben könnte und Chalils Familie sie akzeptieren würde, obwohl er sich ihr gegenüber so distanziert und abweisend verhält. Allerdings erkennt sie auch selbst ab und an, dass ihre Gedanken viel zu weit gehen und unangebracht sind.
Schwer verständlich ist auch Finjas Verhalten gegen Ende des Buches. Obwohl sie christlich und weltoffen erzogen worden ist, würde sie nicht nur zum Islam übertreten und ihr ganzes bisheriges Leben aufgeben sowie ihrer bisherigen Zukunft den Rücken kehren. Sie wäre aus Liebe zu Chalil sogar bereit seine zweite Frau zu werden, also neben sich noch eine weitere Ehefrau zu akzeptieren und ihn mit ihr zu teilen, nur um mit Chalil zusammen sein zu können.
Auch wenn man bedenkt, dass Finja erst sechzehn ist, geht das in Anbetracht ihrer Erziehung zu weit und ist nicht wirklich nachvollziehbar.

Chalil hingegen ist eine Figur, die nur schwer zu durchschauen ist. Vor allem zu Beginn des Buches wirkt er sehr arrogant und unsympathisch. So will er beispielsweise nicht mit Finja über kulturelle Unterschiede reden, weil sie das als Deutsche ja sowieso nicht verstehen würde. Außerdem ist sein ständig wechselndes Verhalten Finja gegenüber nicht immer nachvollziehbar. Eben ist er noch charmant und zeigt seine Zuneigung für sie, kurz darauf ist er schon wieder kühl, abweisend und distanziert. Außerdem führt sein Bedürfnis Finja als Frau vor allem zu schützen häufig dazu, dass er ihr nicht die Wahrheit erzählt, sondern sie bevormundet und nicht offen zu ihr ist, wodurch es für Finja noch schwerer ist ihn zu verstehen. Er sieht einige seiner Fehler aber auch ein und bittet Finja um Entschuldigung und Geduld mit ihm, weil die ganze Situation nicht einfach für ihn ist, wodurch er auch wieder an Sympathie gewinnt.

Als zum Ende hin jedoch noch eine ganz bestimmte Lüge Chalils aufgedeckt wird, bzw. etwas, was er lange verschwiegen hat, bekommt man starke Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle für Finja. Man muss sich ernsthaft fragen, ob er tatsächlich etwas für sie empfindet oder ob er Finja nur etwas vorgespielt hat und die kulturellen Unterschiede einfach zu groß sind, um sie überwinden zu können.

Die kulturellen Unterschiede zwischen ihnen stellen nämlich nicht nur für ihre Mitmenschen ein großes Problem dar, sondern stellen auch die Beiden selbst immer öfter vor Schwierigkeiten und Streitereien. Finja ist nun mal in einer Welt aufgewachsen, in denen die Frauen den Männern gleichberechtigt gegenüber stehen und frei sagen, was sie denken, wohingegen Chalil es absolut nicht gewöhnt ist, dass eine Frau ihm widerspricht oder sogar von ihm verlangt sich zu rechtfertigen. Für Beide ist die Situation sehr ungewohnt und sie brauchen lange, um sich auf einander einzustellen und auf die unterschiedlichen Ansichten Rücksicht zu nehmen. Was Chalil als Schutz betrachtet, ist für Finja manchmal schon Bevormundung, was ebenfalls für Spannungen sorgt.

Finja fällt es auch sehr schwer zu verstehen, warum Chalil sich ihr gegenüber manchmal so distanziert verhält und warum sie ihre Zuneigung nicht offen zeigen können. Mal abgesehen davon, dass das in der arabischen bzw. islamischen Kultur sowieso überhaupt nicht üblich, teilweise sogar verboten ist, unterliegt Chalil als Erstgeborener eines ehrwürdigen Scheichs noch stärkeren Verpflichtungen und Einschränkungen. Von ihm wird erwartet eines Tages den Nachfolger zu stellen, selbstverständlich mit einer islamischen Frau als Mutter seines Sohnes. Eine Beziehung bzw. eine Ehe, denn offene Beziehungen gibt es in Dubai nicht, ist für seine Familie daher unvorstellbar.
Dies stürzt vor allem Chalil in einen tiefen inneren Konflikt. Einerseits möchte er seine Familie nicht enttäuschen und seine Pflichten als Sohn erfüllen. Dafür hat er auch seinen Traum Arzt zu werden aufgegeben und stattdessen nach dem Wunsch seines Vaters Ingenieurwissenschaft studiert. Außerdem ist die Familie im Islam unheimlich wichtig und sich von ihr abzuwenden ist für Chalil undenkbar.
Andererseits fühlt er sich sehr zu Finja hingezogen und wünscht sich auch ein gemeinsames Leben mit ihr. Er findet es sogar gut, dass Finja so frei und selbstbewusst ist, auch wenn es ihm, vor allem vor anderen Männern, manchmal auch schwer fällt damit klar zu kommen. Außerdem fühlt er sich Finja gegenüber irgendwie verpflichtet sich mehr für eine gemeinsame Beziehung einzusetzen, denn auch sie ist bereit einige Opfer für ihn zu bringen.

Chalils Familie hingegen ist offener und toleranter als man es erwartet hätte und vor allem Chalils Schwester Funda ist eine besonders sympathische Figur. Sie kämpft aktiv gegen die Unterdrückung und Bevormundung der Frauen in ihrem Land und hasst Teile ihrer eigenen Kultur. Funda macht daher deutlich, dass nicht nur Europäer Schwierigkeiten mit der arabischen bzw. islamischen Kultur haben, sondern auch einige Bewohner dieser Länder bzw. Anhänger der Religion selbst.

Der Schreibstil von Christine Lehmann ist sehr bildlich und detailliert. Sie beschreibt vor allem die vielen neuen Eindrücke in einem fernen Land und die Gedanken sowie Gefühle von Finja, aus deren Sicht das Buch auch geschrieben ist. Auch die tiefe Beziehung von Finja zu ihrem Vater stellt die Autorin sehr schön dar.

Sie vermittelt dem Leser viele, teilweise auch sehr interessante, Informationen über die arabische bzw. islamische Kultur und auch die Unterschiede in verschiedenen arabischen/islamischen Ländern. So werden die Mütter beispielsweise nicht nach ihrem eigenen Namen gerufen, sondern immer nach dem Namen des erstgeborenen Sohnes, also z.B. Umm Chalil – Mutter von Chalil. Es ist dort auch Sitte einen Gast immer dreimal zu fragen und seine Ablehnung erst beim dritten Mal endgültig zu akzeptieren. Wenn man allerdings eingeladen wird, so darf man nur zweimal ablehnen. Wenn man dann noch ein dritte Mal gefragt wird, muss man zusagen.
Ferner ist Dubai wohl auch etwas offener und gibt den Frauen ein wenig mehr Freiheiten als z.B. Saudi-Arabien.

Die Autorin bringt einem diese fremde Kultur zwar etwas näher, stellt sie aber dennoch auch eher abschreckend dar, indem sie die besonders gravierenden Unterschiede oder die schlimmen Zustände nicht verheimlicht. Neben der Vielehe ist das etwa der Umstand, dass grundsätzlich die Frauen Schuld sind, wenn ein Mann ein Verbrechen begeht. Wird eine Frau vergewaltigt, ist sie selbst schuld, denn sie muss sich ja dann aufreizend benommen haben.
So sind es auch die Frauen, die verschleiert herum laufen müssen und möglichst zu Hause bleiben sollten, damit die Männer nicht in Versuchung geraten, anstatt dass die Männer sich in Selbstbeherrschung üben oder sich selbst die Augen verbinden. Dies ist auch eines der Dinge, die Funda so aufregen und die sie abschaffen möchte.

Der Roman weist außerdem Parallelen zu Tausendundeine Nacht auf, das in dem Buch auch häufiger erwähnt wird. So baut die Autorin oftmals dadurch Spannung auf, dass sie eine ihrer Figuren wie Sheherazade eine Geschichte erzählen lässt und dann an der spannendsten Stelle unterbricht, sodass man gezwungen ist weiter zu lesen, wenn man erfahren will, wie es weiter geht.
Viele dieser Geschichten handeln von Chalils Kindheit und Jugend als Beduine in der Wüste und werden von Funda für Finja erzählt. So gibt es sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart fesselnde Handlungsstränge, die einige spannende Momente bieten können.

Das Ende des Buches ist der Autorin ebenfalls gut gelungen. Es kommt zwar etwas zu schnell und plötzlich, stellt den Leser aber zufrieden und schafft es sogar zu Tränen zu rühren.

Fazit

Die Rose von Arabien ist eine fesselnde Liebesgeschichte über die Beziehung zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und große, kulturelle Hindernisse überwinden müssen, wenn sie eine gemeinsame Zukunft haben wollen, verbunden mit Erzählungen wie aus Tausendundeine Nacht in einer atemberaubend schönen und zum Träumen einladenden Umgebung.





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