[Rezension] Nichts was im Leben wichtig ist

27. Februar 2011 | 16:54 | Gelesen

Titel: Nichts was im Leben wichtig ist
Autorin: Janne Teller
Originaltitel: Intet
Erstveröffentlichung: 2000
Übersetzerin: Sigrid Engeler


Wissenswertes

Nichts was im Leben wichtig ist ist der erste Jugendroman der dänischen Autorin Janne Teller. Nachdem es an den dänischen Schulen zunächst sogar verboten war, wurde es unter anderem 2001 mit dem Kinderbuchpreis des dänischen Kulturministeriums ausgezeichnet. Inzwischen ist das Buch ein internationaler Bestseller und wurde in 13 Sprachen übersetzt.

In ganz Skandinavien wird die Geschichte auch als Theaterstück gespielt.

Inhalt

Als Pierre Anthon am ersten Tag des neuen Schuljahres plötzlich sagt „Nichts bedeutet irgendetwas. Deswegen lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun.“ und daraufhin die Klasse verlässt, lässt er seine Mitschüler völlig fassungslos zurück. Sie sind schockiert und als er von dem Pflaumenbaum vor seinem Haus, der auf dem Schulweg fast aller Schüler liegt und in dem er von nun an Tag für Tag sitzt, immer wieder das gleiche ruft, nur in verschiedenen Varianten, stürzt er die Jungen und Mädchen in eine tiefe Verzweiflung.

Deshalb fassen sie einen Entschluss: Sie wollen Pierre Anthon, der nicht einmal ahnt, dass seine Äußerungen auch Konsequenzen nach sich ziehen könnten, unbedingt vom Gegenteil überzeugen. Um ihm zu beweisen, dass es sehr wohl etwas gibt, das von Bedeutung ist, soll jeder Schüler etwas abgeben, das ihm viel bedeutet. Aus den Opfern soll ein Berg aus Bedeutung entstehen, der so viel Bedeutung wie möglich erlangen soll. Doch was so harmlos mit Ohrringen, einem Fahrrad oder Boxhandschuhen beginnt, droht schon bald zu eskalieren …

Kritik

Nichts was im Leben wichtig ist ist eine Parabel über den Sinn und die Bedeutung des Lebens, die während des Lesens stark zum Nachdenken anregt und auch noch darüber hinaus.

Nachdem das Vorhaben der Schüler relativ harmlos beginnt und sie erst einmal nur Gegenstände zum Berg aus Bedeutung beitragen, die ihnen zwar viel bedeuten mögen, aber dennoch auf jeden Fall ersetzlich sind, gerät die ganze Sache schon bald außer Kontrolle. Angetrieben von der Trauer über den eigenen Verlust und der Wut auf die Person, die die jeweilige Sache vorgeschlagen hat, beginnen die Jungen und Mädchen immer größere Anforderungen an das Opfer zu stellen und das Ganze nimmt plötzlich viel ernstere Ausmaße an als gedacht. An Stelle von einfachen Gegenständen verlangen die Schüler nun extreme und unersetzbare Opfer voneinander, so folgen auf den Hamster, die Adoptionsurkunde oder sogar die Haare eines Mädchens und den Gebetsteppich eines sehr gläubigen Moslems schon bald so unvorstellbare Forderungen wie die Unschuld einer Mitschülerin, der rechte Zeigefinger eines Jungen und der Kopf eines (noch lebenden) Hundes.
Die Schüler verlieren somit vollständig den Blick für die Realität und das Verhältnis, in dem gewisse Dinge zueinander stehen. So sehr jemand auch an einem Paar grüner Sandalen oder einem nagelneuen gelben Fahrrad hängen mag, es sind dennoch nur Gegenstände, die man ersetzen oder zurück erhalten kann. Das gilt jedoch nicht für die Unschuld oder gar einen abgetrennten Zeigefinger, geschweige denn für das Leben von Haustieren.

Obwohl sowohl die Protagonistin Agnes als auch ein paar andere Schüler langsam bemerken, dass gewisse Forderungen zu weit gehen, so trauen sie sich trotzdem nicht zu widersprechen. Einerseits aus Angst vor den Opfern, die ihnen noch abverlangt werden könnten und andererseits auf Grund ihrer eigenen Wut und Trauer über den Verlust der Sache, die sie selbst opfern mussten. Und spätestens nachdem ein Mädchen seine Unschuld hergeben muss, traut sich niemand mehr andere Forderungen abzulehnen, weil sie dieses Opfer so tapfer über sich ergehen ließ und man niemand anderem gegenüber die Gnade erweisen könne, die ihr nicht zu Teil wurde.

Die immer extremer werdenden Opfer sind erschreckend und unheimlich zugleich. Man kann beim Lesen kaum fassen, auf welche Ideen die Schüler kommen und wie sie deren Durchsetzung erzwingen. Als das Mädchen seine Unschuld opfern muss, wobei nicht nur der Junge bestimmt wurde, der ihr dabei „helfen“ soll, sondern auch noch vier weitere, die dabei sein sollen um ebenfalls zu „helfen“, falls es nötig sein sollte, denkt man zunächst, es könnte nicht mehr schrecklicher werden. Doch da täuscht man sich und mit den schlimmeren Opfern, steigt auch die Wut auf den Forderer und sorgt somit für nur noch undenkbarere Forderungen, wie z.B. den Kopf eines Hundes oder den Zeigefinger eines Jungen.

Durch die Ich-Perspektive der Protagonistin und Erzählerin Agnes erlebt man das Geschehen hautnah mit, genau wie auch sie selbst immer direkt bei fast allem dabei ist. Man hat einen Einblick in ihr Gefühlsleben sowie ihre Gedanken und kann ihre Sorgen und Zweifel dadurch sehr gut nachempfinden. Das macht diese Geschichte sehr bewegend und emotional.

Die tiefe Verzweiflung der Schüler, die Pierre Anthon und auch sich selbst nun mit allen Mitteln beweisen wollen, dass es sehr wohl etwas gibt, was von Bedeutung ist, geht auch am Leser nicht spurlos vorbei. Genau wie die Schüler stellt man sich die Frage nach dem Sinn des Lebens und danach, was im Leben eigentlich tatsächlich von Bedeutung ist. Die Jungen und Mädchen können und wollen einfach nicht glauben, dass nichts von Bedeutung ist und Pierre Anthon Recht haben könnte.
Letztendlich muss jeder diese Frage für sich selbst beantworten, doch das Leben wäre wohl kaum lebenswert, wenn man wirklich der Ansicht wäre, dass nichts irgendetwas bedeutet und man deshalb auch seine gesamte Zeit mit nichts tun vergeuden könne. Mit solchen Leuten kann man doch eigentlich nur Mitleid haben, denn sie verpassen die wirklich schönen Dinge im Leben – unabhängig davon, ob deren Bedeutung nun lediglich relativ oder sogar vergänglich ist.

Auch die Schüler ziehen schließlich ihre Lehre aus dem Geschehenen und begreifen, dass es sehr wohl etwas gibt, was von Bedeutung ist.

Fazit

Nichts was im Leben wichtig ist ist ein erschreckend brutales, aber auch sehr lehrreiches Buch, das den Leser dazu bringt über denn Sinn des Lebens nachzudenken und darüber, was für einen von Bedeutung ist – schonungslos, unerbittlich, aber auch sehr bewegend.





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