[Rezension] Wenn ich bleibe

21. November 2010 | 19:00 | Gelesen

Titel: Wenn ich bleibe
Autorin: Gayle Forman
Originaltitel: If I Stay
Erstveröffentlichung: 2009
Übersetzerin: Alexandra Ernst


Wissenswertes

Wenn ich bleibe ist der zwar schon der dritte, aber auch der bisher bekannteste Roman der amerikanischen Autorin Gayle Forman. Darin geht sie auf sehr bewegende Weise auf die wohl elementarste Frage des Lebens ein: Wie würde ich mich entscheiden, wenn ich eine Wahl hätte? Leben oder Sterben?

Der Erfolg des Buches liegt auf der Hand: Es stand auf Platz 8 auf der Bestsellerliste der New York Times, die Rechte an dem Roman wurden in über 23 Länder verkauft und auch eine Verfilmung ist schon in Arbeit.

Die Fortsetzung, where she went, erscheint im April 2011 in den USA. In Deutschland erscheint das Buch unter dem Titel Love Song schon zwei Monate darauf.

Inhalt

Eigentlich sollte es für Mia, ihren Bruder Teddy und ihre Eltern ein schöner Tag werden. Als alle Schüler und Lehrer, und damit auch Mias Vater, unerwartet wegen des Schnees schulfrei bekamen, nahm sich auch Mias Mutter den Tag frei um ihn mit ihrer Familie zu verbringen. Gemeinsam wollten sie Mias Großeltern und ein paar alte Freunde der Familie besuchen. Nachdem auch die Musikauswahl während der Fahrt geklärt war, machte sich die Familie sogleich auf den Weg. Leider sollten sie ihr Ziel niemals erreichen.

Es kommt zu einem schweren Autounfall, den Mias Eltern nicht überleben. Sie sind auf der Stelle tot. Mia und Teddy leben noch, sind aber schwer verletzt und werden ins Krankenhaus gebracht. All das erlebt Mia, obwohl sie bewusstlos ist, trotzdem mit. Wie eine Art Geist beobachtet sie sich und das Geschehen. Deshalb weiß sie auch von Anfang an, dass ihre Eltern nicht mehr leben. Nur wie es um Teddy steht bekommt sie nicht mit.

Sie begleitet ihren Körper ins Krankenhaus und nach der ersten Operation mit auf die Intensivstation. Sie sieht auch, wie ihre Verwandten nach und nach ins Krankenhaus kommen und sich große Sorgen um sie machen. Allerdings weiß sie nicht, in was für einem Zustand sie sich befindet und warum sie sich selbst beobachten kann. Während sie ihr bisheriges Leben Revue passieren lässt, beginnt sie sich zu fragen, wie es nun mit ihr weiter gehen soll. Doch dann begreift sie schließlich, dass sie allein es in der Hand hat. Sie muss eine Entscheidung treffen: Will sie leben oder sterben?

Kritik

Wenn ich bleibe ist ein Roman, der sich nur schwer beschreiben lässt. Es ist ein sehr stilles und ruhiges Buch, das aber weder langweilig noch langatmig wirkt, obwohl im Grunde eher wenig geschieht.

Die Handlung umfasst einen Zeitraum von nur knapp 24 Stunden, in denen man Mia in ihrem Zustand als Beobachterin begleitet. Die Kapitel sind dabei verschiedenen Uhrzeiten zugeordnet und beschreiben immer sowohl die Gegenwart, als auch vergangene Ereignisse, an die sich Mia gerade erinnert, wie z.B. die Geburt ihres kleinen Bruders oder wie sie mit ihrem Freund Adam zusammen gekommen ist. Diese Szenen sind wunderschön beschrieben und lassen den Leser das schreckliche Ereignis vergessen, aber immer nur für kurze Zeit.

Wirkliche Spannung baut sich eigentlich nicht auf, sodass man das Buch nicht in einem Schwung liest. Trotzdem gelingt es Gayle Forman den Leser durch ihre bewegende Geschichte in ihren Bann zu ziehen.

Sie geht besonders auf die Gedanken und Gefühle der Protagonistin ein und während man Mia begleitet, kann man sich stets in sie hinein versetzen und ihre Emotionen nachempfinden. Genau wie sie würde man sich vermutlich total überfordert fühlen, wenn die wichtigste Entscheidung auf einmal nicht mehr ist, ob man auf ein College im weit entfernten New York geht oder zu Hause bei seinem Freund und seiner Familie bleibt, sondern ob man weiter leben und sterben will. Am liebsten würde sie die Entscheidung jemand anderem überlassen. Aber sie weiß natürlich, dass nur sie selbst sie treffen kann.
Spontan würde man vielleicht zuerst denken, dass man sich diese Frage gar nicht stellen würde, sondern natürlich weiter leben will. Aber könnte man das wirklich so einfach sagen? Würde man so ohne weiteres ohne seine geliebten Eltern leben können? Vielleicht sogar ohne Bruder?

All diese Fragen muss sich Mia im Laufe der Handlung stellen und sich damit auseinander setzen, was sie wirklich will. Je mehr sie sich an ihre Familie und die gemeinsame Zeit mit ihren Eltern und ihrem Bruder erinnert, desto weniger kann sie sich vorstellen, ohne sie zu leben. Natürlich würde sie Adam und ihre beste Freundin Kim vermissen, aber sie ist sich sicher, dass sie das überstehen würden. Sie zweifelt eher daran, dass sie ohne ihre Eltern leben könnte, vielleicht sogar ohne ihren Bruder. Immer wieder gerät sie ins Schwanken und weiß nicht, wie sie sich entscheiden soll. Warum hat sie überhaupt eine Wahl? Sie weiß es nicht. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Eltern sie nicht hatten, denn sie hätten ihre beiden Kinder niemals allein gelassen. Also warum muss sie diese Entscheidung selbst treffen?

Sie ist müde, verzweifelt und einfach überfordert. Mehr und mehr tendiert sie zu dem Wunsch, nicht mehr weiter leben zu wollen. Sie kann nicht mehr, und sie will nicht mehr. Als ihr Großvater ihr unter Tränen an ihrem Krankenbett sagt, dass er es verstehen würde, wenn sie gehen will, auch wenn es sein Wunsch wäre, dass sie bleibt, fühlt sie sich erleichtert. Sie glaubt ihren Entschluss gefasst zu haben. Doch dabei hat sie die Hartnäckigkeit von Adam außer Acht gelassen, der sie unbedingt vom Gegenteil überzeugen will.

Neben Mia begleitet man indirekt auch ihre Verwandten und Freunde, die alle sehr unterschiedlich auf den Unfall reagieren. Während einige völlig aufgelöst sind, versuchen andere um Mias Willen stark zu bleiben. Dadurch wirkt die Geschichte umso realistischer, denn jeder Mensch reagiert anders auf ein solches Erlebnis.

Gayle Forman schafft es, den Leser zu berühren und tiefe Emotionen auszulösen. Mehr als einmal bringt sie einen zum Weinen und sorgt dafür, dass man die Tränen sogar in der Öffentlichkeit kaum zurück halten kann. Außerdem regt sie den Leser zum Nachdenken an, sowohl über das Leben, als auch über den Tod. Wie würde man sich entscheiden, wenn man tatsächlich die Wahl hätte?

Fazit

Gayle Forman ist mit Wenn ich bleibe ein unheimlich gefühlvoller Roman gelungen, der den Leser auch lange nach der letzten Seite noch beschäftigen wird.





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