[Rezension] Das Haus der kalten Herzen

13. August 2010 | 17:50 | Gelesen

Titel: Das Haus der kalten Herzen
Autorin: Sarah Singleton
Originaltitel: Century
Erstveröffentlichung: 2005
Übersetzerin: Catrin Frischer


Wissenswertes

Das Haus der kalten Herzen ist das Jugendbuch-Debüt der britischen Journalistin und Autorin Sarah Singleton und wurde mit dem Booktrust Teenage Prize ausgezeichnet.

Nachdem sie ihr Studium der Literaturwissenschaften beendet hatte, reiste sie durch Europa, Indien und Nepal, wo sie die verschiedensten Berufe ausgeübt hat, ehe sie Journalistin wurde.

Der Roman handelt von dem geheimnisvollen Haus Century und seinen Bewohnern, für die seit einem Jahrhundert eine Nacht der anderen gleicht.

Inhalt

Seit knapp einem Jahrhundert durchlebt die Familie Verga, allen voran die Schwestern Mercy und Charity, den gleichen Tag bzw. die gleiche Nacht, denn sie erwachen bei Sonnenuntergang und gehen kurz vor Sonnenaufgang wieder ins Bett.
Der Ablauf ist dabei immer derselbe: Nach dem Aufstehen frühstücken die beiden Schwestern zusammen, haben Unterricht bei ihrer Gouvernante Galatea und helfen nach dem Mittagessen in der Küche. Danach macht Mercy zunächst einen Spaziergang im Garten, dann liest sie mit ihrer Schwester vor dem Kamin und nach dem Abendessen mit Galatea und der Haushälterin Aurelia gehen sie wieder schlafen. Ihren Vater Trajan sehen die Schwestern so gut wie nie, ihre Mutter ist schon vor langer Zeit verstorben.

Dieses Leben führen Mercy und ihre Familie nun schon seit 100 Jahren, unbemerkt von der Außenwelt. Und so sollte es auch bleiben.
Doch plötzlich geschehen unerwartete Dinge und alles beginnt sich zu verändern. Trajan bittet seine Töchter auf der Hut zu sein und sorgt für ihre ständige Bewachung. Mercy darf nicht einmal mehr allein spazieren gehen und wird daher von Galatea und Charity begleitet. Als sie jedoch für einen kurzen Moment allein in der Familienkapelle ist, trifft sie dort auf einen Mann namens Claudius. Er erzählt ihr, dass er ebenfalls ein Verga sei und gekommen ist, um ihr zu helfen. Er sagt ihr außerdem, dass sie nicht glauben soll, was Trajan und Galatea ihr erzählen und dass sie sogar ihre Mutter wieder sehen könne.

Mercy ist verwirrt und weiß nicht mehr was und wem sie glauben soll. Trotzdem spürt auch sie die Veränderungen, die im Haus vor sich gehen. Sie fühlt sich, als würde sie aus einem langen Schlaf erwachen und bemerkt plötzlich Dinge, die ihr vorher nie aufgefallen sind, z.B. wie fleckig ihr Kleid ist oder wie staubig ihr Zimmer. Sie beginnt Fragen zu stellen und wundert sich, warum sie sich kaum noch an ihre Mutter erinnern kann. Charity geht es ähnlich.

Trajan ist davon überhaupt nicht begeistert und will Mercy daran hindern ihr Leben weiter in Frage zu stellen, indem er ihr weiß macht, dass Claudius böse ist und die ganze Familie in große Gefahr gerät, wenn Mercy nicht damit aufhört.

Mercy will ihrem Vater zwar gehorchen und ihre Schwester schützen, ihr Drang nach der Wahrheit und ihren Erinnerungen ist jedoch größer und so nimmt sie erneut Kontakt zu Claudius auf. Dieser erklärt ihr, warum sie immer und immer wieder die gleiche Nacht durchlebt und wie sie das beenden kann. Es liegt also allein in Mercy’s Hand.

Kritik

Nachdem ein unbekannter Ich-Erzähler im Prolog einen Roman mit dem Titel Das Haus der kalten Herzen, geschrieben von Mercy Galliena Verga im Jahre 1890, entdeckt, wird dem Leser der Eindruck vermittelt, er würde eben diesen Roman nun lesen. Im Mittelpunkt dieses Romans steht Mercy, die Autorin des Romans, aus deren Sicht die Handlung geschildert wird. Besonders detailliert geht Sarah Singleton dabei auf die Gedanken und Gefühle ihrer Hauptfigur ein.

Mercy ist eine sehr echte und interessante Figur. Als Leser erlebt man hautnah, wie Mercy nach und nach aus ihrem Schlaf erwacht und ihre Umwelt wieder wahrnimmt und neu entdeckt. Auch ihre innere Zerrissenheit wird sehr gut dargestellt. Sie ist verwirrt und weiß oftmals nicht mehr, was sie glauben soll. Einerseits möchte sie eine gute Tochter sein und ihrem Vater gehorchen. Andererseits will sie aber auch die Wahrheit erfahren und endlich anfangen zu leben. Dabei hinterfragt sie häufig ihre eigenen Handlungen und ist sich nicht sicher, ob sie das richtige tut, weil sie vor allem auch ihre Schwester Charity nicht in Gefahr bringen möchte. Dies macht Mercy zu einem mitfühlenden und realistischen Charakter, in den man sich sehr gut hineinversetzen kann.

Auch Charity ist eine sehr realistische Figur. Etwas jünger als Mercy ist auch sie hin und her gerissen zwischen den Fronten und weiß nicht so recht, wem sie glauben soll. Da sie jedoch die gleichen Ängste und Fragen hat wie ihre Schwester, vertraut sie ihr und will ihr helfen das Geheimnis zu lüften, auch wenn sie vieles noch nicht versteht.

Mercy und Charity sind aber nicht die einzigen Geschwister. Trajan und Claudius sind Brüder, die sich in der Vergangenheit zerstritten haben. Über diese beiden Figuren erfährt der Leser erst nach und nach mehr Einzelheiten, als Mercy dabei ist die Vergangenheit aufzudecken. Dabei macht sie wirklich interessante und vor allem unerwartete Entdeckungen, die sich erst später zu einem Gesamtbild zusammenfügen und vieles verständlicher machen. Beide Brüder trafen aus Liebe falsche Entscheidungen, die ihr Leben für immer veränderte. Trotzdem kann man ihre Taten nachvollziehen.

Mercy’s Reise durch die Vergangenheit von Century fängt zuerst langsam an und wird dann immer spannender. Während sie ihre Vergangenheit als Zuschauerin durchläuft, kehren allmählich auch ihre eigenen Erinnerungen zurück und das Puzzle fügt sich mehr und mehr zusammen. Sie kann Trajans Bann jedoch nur brechen, wenn sie die gesamte Vergangenheit aufdeckt, was Trajan um jeden Preis verhindern will. Dafür ist ihm nahezu jedes Mittel recht, dass Mercy aufhält. Diese will jedoch auf keinen Fall aufgeben.

Zum Ende hin gelingt der Autorin eine so unerwartete Wendung, dass der Leser schockiert nahezu alle bisherigen Überlegungen wieder verwirft, bis sie sie kurz darauf auflöst.

Die Handlung ist daher bis zum Schluss spannend und man möchte zusammen mit Mercy endlich herausfinden, was damals geschah, wie ihre Mutter gestorben ist, warum ein solcher Bann auf Century liegt und wie Mercy diesen brechen kann.

Sarah Singleton ist mit Das Haus der kalten Herzen ein Jugendbuch gelungen, das sich in vielerlei Hinsicht von anderen Büchern des Genres unterscheidet. Sie verzichtet völlig auf die übliche, mehr oder weniger stark ausgeprägte, Liebesgeschichte der Hauptfigur und beschränkt sich nur auf die kleine Liebesgeschichte zwischen Claudius und seiner Frau in der Vergangenheit sowie die Liebe zwischen Mercy’s Eltern, die besonders an Trajans Trauer deutlich wird.
Außerdem handelt es sich bei der Familie Verga trotz ihrer Unsterblichkeit nicht um Vampire, was den Roman ebenfalls von anderen Jugendbüchern unterscheidet. Etwas schöner wäre es allerdings gewesen, wenn die Autorin mehr ausgeführt oder erklärt hätte, warum die Familie Verga unsterblich ist oder wie es dazu kam. Dass sie keine normalen Menschen sind, ist ja offensichtlich.

Dafür beschreibt sie sehr schön die dramatische Geschichte einer Familie, die nach einem traurigen Verlust wieder lernen muss zu leben.

Fazit

Das Haus der kalten Herzen ein gelungenes Jugendbuch-Debüt, dass auch ohne viel Romantik überzeugt und dessen Handlung den Leser zu fesseln vermag, bis er mit Mercy die Vergangenheit durchlaufen und das Geheimnis um Century endlich gelüftet hat.





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