[Rezension] Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt

21. Januar 2020 | 20:10 | Gelesen

Titel: Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt
Autorin: Brittainy C. Cherry
Originaltitel: Disgrace
Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzerin: Katja Bendels


Wissenswertes

Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt ist ein New Adult Roman der us-amerikanischen Autorin Brittainy C. Cherry, die mit ihrer Familie in Milwaukee, Wisconsin, lebt. Sie hat Schauspiel sowie Kreatives Schreiben studiert und schreibt heute hauptberuflich Romane und Theaterstücke.

Inhalt

Nach mehreren Fehlgeburten und einer damit verbundenen, stetig zunehmenden Entfremdung zwischen ihnen, steht ihre Ehe nun offenbar endgültig vor dem Aus. Trotzdem hofft Grace ihren Ehemann noch irgendwie zurückgewinnen zu können, zumindest bis zu dem Moment, in dem sie herausfindet, dass die Frau, mit der Finn sie betrogen hat, ausgerechnet ihre beste Freundin ist. Dass die ganze Stadt darüber spricht, alle möglichen Gerüchte kursieren, warum ihre Ehe gescheitert ist, und ihre Mutter zu allem Überfluss von ihr erwartet, sich mit Finn zu versöhnen, hilft ihr nicht gerade dabei mit diesem Verrat fertig zu werden. Eine Person schafft es allerdings sie vorübergehend von ihren Problemen abzulenken: Jackson Emery. Ein Mann, der von der ganzen Stadt verachtet wird und Grace zu hassen scheint, ohne sie überhaupt zu kennen. Nur warum?

Kritik

Mit Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt hat Brittainy C. Cherry eine wunderschöne, tiefgründige und wahrlich zu Herzen gehende Liebesgeschichte geschrieben, die sich nicht nur weit oben in die Liste der besten Werke der Autorin, sondern ebenso in die der besten des ganzen Genres einreiht. Sie schafft es den Leser mit diesem Roman tief zu bewegen, ohne dabei gewollt auf die Tränendrüse zu drücken, und beweist so, dass sie mit ihren Büchern völlig zu Recht schon diverse Bestsellerlisten erobert hat – auch hierzulande.

Fesselnd ist die Geschichte vor allem wegen der einzigartigen Protagonisten Grace und Jackson, die man schnell ins Herz schließt, sowie der unübersehbaren Chemie zwischen ihnen. Beide sind in der Lage hinter die Fassade des jeweils anderen zu blicken und haben zudem mehr gemeinsam als anfangs gedacht. Jackson bemerkt sofort, dass Grace hinter ihrem strahlenden Lächeln eine große Traurigkeit verbirgt, wohingegen Grace irgendwann erkennt, dass Jacksons ruppige Art in erster Linie ein Schutzmechanismus ist, der ihn vor weiterem Schmerz bewahren soll.

Die zwei haben in ihrer Vergangenheit viel Leid erfahren und mussten schwere Verluste hinnehmen, nur zu verschiedenen Zeitpunkten und auf völlig andere Art. Jackson hat bereits als Kind seine Mutter verloren, wurde dann zuerst von seinem Vater, der daraufhin dem Alkohol verfiel, und schließlich von der ganzen Gemeinde im Stich gelassen. Grace wiederum hat in den letzten Jahren mehrere Fehlgeburten erlitten, die letztlich zum Scheitern ihrer Ehe beitrugen. Doch keiner von ihnen bekommt die emotionale Unterstützung, die sie eigentlich bräuchten. Jackson muss sich viel zu oft um seinen Vater kümmern, der es seinem Sohn nicht einmal dankt, und hat neben seinem treuen Hund nur seinen Onkel, den er aber nicht allzu nah an sich heranlässt. Grace hat im Grunde nur ihre Schwester Judy, bei der sie vorübergehend Unterschlupf findet, als Stütze.

Von ihrer Mutter bekommt Grace fast ausschließlich Vorwürfe und miese Ratschläge darüber zu hören, wie sie sich als brave Ehefrau angeblich zu verhalten habe. Dabei ist sie offensichtlich mehr um ihr gutes Ansehen in der Stadt als um das Wohlergehen ihrer Tochter besorgt. Anders kann man sich jedenfalls nicht erklären wie sie von Grace erwarten kann einem Mann zu verzeihen, der seine Frau erst unfassbar schlecht behandelt und dann trotzdem seine mutmaßlichen „Besitzansprüche“ geltend machen will, sobald seine (Ex-)Frau sich plötzlich für einen anderen Mann interessiert statt ihm weiter hinterherzutrauern.

Hinzu kommen die vielen Bewohner ihrer kleinen Heimatstadt Chester, in der die meisten Leute nichts Besseres zu tun haben als sich ständig das Maul über andere zu zerreißen. Dabei verstecken einige dieser Figuren dunkle Geheimnisse hinter ihrer scheinbar makellosen Fassade, die man so sicher nicht erwartet hätte, wohingegen einem die Kaltherzigkeit und Dummheit einiger anderer schlicht unbegreiflich ist. Josie, eine ehemalige, sehr liebenswürdige Mitschülerin von Grace, die im einzigen Buchladen des Ortes arbeitet, ist eine der wenigen und somit mehr als willkommenen Ausnahmen. Sie ist Grace eine echte Freundin und zudem eine der wenigen Personen, die Jackson wohlwollend gegenüber stehen.

Umso schöner ist es daher zu sehen, wie Grace und Jackson sich nach ihren anfänglichen, teils heftigen Wortgefechten – bei denen sie sich nicht so leicht einschüchtern lässt und ihm erfreulich oft gut Paroli bietet, obwohl sie es mehrfach nicht verhindern kann gleichzeitig in Tränen auszubrechen – mit der Zeit langsam näher kommen und einander helfen sich selbst zu finden. Im Falle von Grace bedeutet das unter anderem aufzuhören immer den Erwartungen anderer gerecht werden zu wollen und sich selbst dabei völlig zu vernachlässigen. Stattdessen lernt sie mit Jacksons Hilfe, dass es vollkommen in Ordnung ist zur Abwechslung einmal an sich selbst zu denken. Beieinander können Jackson und Grace also endlich einmal nur sie selbst sein.

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus den Ich-Perspektiven von Grace und Jackson, wobei die Kapitel aus Grace‘ Sicht insgesamt zumindest gefühlt quantitativ überwiegen. Dadurch kann man sich in beide Figuren sehr gut hineinversetzen, lernt sie von mehr als einer Seite kennen und begreift z.B. schnell, dass es einen Grund für Jacksons abweisendes Verhalten gibt und sich mehr hinter seiner ablehnenden Haltung sowie seinem rauen Benehmen verbirgt als man auf den ersten Blick sehen kann.

Unabhängig davon, ob man dieser Einschätzung selbst zustimmt oder nicht, wirkt die Bezeichnung von Jackson als „Monster“ allerdings ziemlich unpassend, um nicht zu sagen befremdlich, sodass man bei diesem Wort gelegentlich leicht ins Stocken gerät. Womöglich ist es der Übersetzung geschuldet, doch in diesem konkreten Zusammenhang dürfte der Begriff jedenfalls im Deutschen eher unüblich sein, im Unterschied zu ebenso auftauchenden Ausdrücken wie „Abschaum“ oder „Arschloch“. Davon abgesehen liest sich das Buch aber sehr flüssig und man verfolgt die Handlung schon nach kurzer Zeit so gebannt, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann.

Dem Genre entsprechend gibt es ein paar wenige, jedoch nicht allzu ausgedehnte oder ausführliche intime Szenen, obschon Grace und Jackson zunächst vereinbaren ihre Beziehung lediglich auf die Befriedigung rein körperlicher Bedürfnisse zu beschränken. Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt ist also keineswegs ein erotischer, sondern ein New Adult Roman, wenngleich die Charaktere nicht (mehr) aufs College gehen und grundsätzlich schon etwas reifer sind als in ähnlichen Büchern.

Neben der Liebesgeschichte ist Religion ein relativ präsentes Thema, da Grace als Pastorentochter eigentlich eine sehr enge Verbindung zur Kirche hat, zwischenzeitlich aber sehr mit ihrem Glauben hadert. Jackson, für den das alles keine Rolle spielt, stellt ein gutes Gegengewicht dazu dar, sodass die Autorin ihren Lesern keine bestimmte Richtung aufzwingt und vielmehr einen Weg für ein friedliches Miteinander aufzeigt.

Abschließend sei zudem noch eines der Highlights des Buches erwähnt: Grace und Jackson teilen die Liebe zu Büchern und verbringen daher nicht nur viel Zeit im Buchladen, sie beginnen irgendwann auch sich gegenseitig (Jugend-)Bücher zu empfehlen, von denen einige explizit genannt werden.

Fazit

Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt ist nicht nur überaus empfehlenswert, sondern sogar ein absolutes Highlight. Wer auf der Suche nach einer authentischen, romantischen Liebesgeschichte ist, sollte sich diese also nicht entgehen lassen.





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