[Rezension] Memory – Stadt der Träume

10. Dezember 2011 | 23:46 | Gelesen

Titel: Memory – Stadt der Träume
Autor: Christoph Marzi
Originaltitel: Memory – Stadt der Träume
Erstveröffentlichung: 2011
Übersetzer: Originalsprache


Wissenswertes

Memory ist das neueste Jugendbuch des deutschen, mehrfach ausgezeichneten Fantasyautors Christoph Marzi. Darin entführt er den Leser erneut in ein wundervoll beschriebenes London und erweckt längst verstorbene Persönlichkeiten als Geister wieder zum Leben.

Christoph Marzi begann bereits im Alter von 15 Jahren mit dem Schreiben. Sein Debutroman Lycidas, der erste Teil der sehr erfolgreichen Uralte Metropole-Reihe, erschien 2004, viele weitere Werke folgten. Einige seiner Bücher wurden auch in diverse andere Sprachen übersetzt.

Inhalt

Vor einem halben Jahr hielt sich der 17-jährige Jude Finney noch für einen ganz normalen, durchschnittlichen Jungen. Das änderte sich als er eines Tages an einer Unfallstelle vorbei kam und einen Mann auf der Straße liegen sah, den niemand sonst zu bemerken schien, und der sich kurze Zeit später in Luft auflöste. So entdeckte Jude zufällig, dass er Geister sehen kann. An diesem Tag lernte er auch Miss Rathbone kennen, die ihn schließlich mit den Geistern auf dem Highgate Cemetery bekannt machte.

Jude verbringt von da an viel Zeit mit den verschiedenen Geistern und Miss Rathbone auf dem Friedhof, vor allem wenn sein Vater mal wieder auf Geschäftsreise ist. Dabei entdeckt er eines Nachts ein ihm unbekanntes Mädchen auf dem Friedhof. Sie ist weder ein Geist, noch ein Mensch, sondern irgendetwas dazwischen. Sie hat keinerlei Erinnerungen mehr, weiß nicht einmal ihren Namen oder wie sie auf den Friedhof gelangt ist. Die anderen Geister geben ihr den Namen Story und gemeinsam mit Jude wollen sie ihr dabei helfen herauszufinden, wer sie ist oder war bzw. ob sie tot oder noch am Leben ist …

Kritik

Memory ist ein toller, liebenswerter Fantasyroman, mit dem Christoph Marzi sein Können unter Beweis stellt und sogar den von Grimm enttäuschten Leser wieder für sich gewinnen kann.

Genau wie schon mit Heaven entführt er den Leser nach London und verleiht der Stadt und vor allem ihren Friedhöfen, insbesondere dem Highgate Cemetery, etwas Magisches. Er beschreibt das herbstliche London so malerisch, dass man die Stadt mit ihren tollen Schauplätzen und den von der Jahreszeit bunt gefärbten Blättern genau vor Augen hat. Dabei ist sein toller Schreibstil nicht nur sehr bildlich, sondern an einigen Stellen schon richtig poetisch, mit wundervollen Vergleichen und Beschreibungen, die man sich einfach mehrfach auf der Zunge zergehen lassen muss.

Doch nicht nur das fantastische Setting und Marzis Art zu Schreiben machen dieses Jugendbuch zu etwas besonderem, sondern vor allem die einzigartigen Charaktere, die man einfach ins Herz schließen muss. Das gilt in diesem Fall nicht nur für die sympathischen Protagonisten Jude und Story, sondern auch für die ganzen liebenswürdigen Nebenfiguren. Die Füchsin Miss Rathbone, die ebenfalls Geister sehen kann und über deren wahres Wesen man eine ganze Weile im Dunkeln gelassen wird, ist eine Figur, auf die man auf keinen Fall verzichten möchte. Sie steht Jude und Story immer zur Seite und begeistert nicht nur die Beiden mit ihren Geschichten, sondern auch den Leser.
Aber auch die zahlreichen Friedhofsgeister aus den verschiedensten Epochen sind unheimlich interessant. Hinter jedem von ihnen verbirgt sich eine eigene Geschichte und durch ihre unterschiedlichen Charaktere unterscheiden sie sich stark voneinander. Man fängt nach einer Weile fast schon an Jude um seine Fähigkeit zu beneiden, weil man am liebsten selbst auf den Friedhöfen Londons umherwandern und die Geister verschiedener, historischer Persönlichkeiten kennen lernen möchte, denn über die meisten von ihnen erfährt man nur recht wenig.

Die Handlung dreht sich natürlich vor allem um die rätselhafte Story, die am Anfang niemand so richtig einzuordnen vermag. Im Gegensatz zu allen anderen Geistern, die ihre sterblichen Gebrechen verlieren und alles über ihr vergangenes Leben, einschließlich ihres Todes, wissen, hinkt sie und weiß nichts über sich oder wie sie zu dem wurde, was sie jetzt ist. Während sich alle anderen Geister für Jude kalt anfühlen und er durch sie hindurch fassen kann, ist Story warm und ihre Haut gibt nur leicht nach. Trotzdem wirkt sie nicht wie ein Mensch, sondern so nebelig wie ein Geist. Schnell kommt bei Miss Rathbone und den anderen Geistern die Vermutung auf, dass Story zwar noch nicht tot ist, aber eben auch nicht mehr ganz lebendig, sondern sich irgendwo dazwischen befindet. Das bedeutet allerdings auch, dass Story wahrscheinlich nicht mehr allzu viel Zeit bleibt und sie ihren Körper schnell finden müssen.
Damit beginnt eine schwierige Suche nach Storys wahrer Identität, die vor allem im letzten Drittel für viel Spannung sorgt. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Erinnerungen kehren zu ihr zurück, was sie aber auch dem Tode näher bringt. Verzweifelt bangt man mit Jude und Story, ob es ihnen noch rechtzeitig gelingen wird Storys Körper zu finden und ihr Leben zu retten.

Bei ihrer Suche stoßen sie auf eine alte, beängstigende Legende, die die Existenz aller Geister in London bedroht und eng mit dem Schicksal von Story verbunden ist. Beide müssen sich in große Gefahr begeben um das Geheimnis zu lüften und somit nicht nur Story, sondern auch die Geister von Highgate zu retten.
Außerdem gilt es auch noch eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Jude Geister sehen kann. Dabei wird auch Judes relativ schwierige Beziehung zu seinem Vater näher beleuchtet. Leider wird die Erklärung für Judes Fähigkeit ziemlich kurz abgehandelt, dafür ist sie allerdings umso interessanter und außergewöhnlicher.

Der einzige Kritikpunkt an dem Buch, falls man ihn denn als solchen bezeichnen kann, ist die Ähnlichkeit zu Heaven, denn die Parallelen sind für jeden der beide Bücher kennt deutlich sichtbar. Das ist nicht zwingend negativ, da beide Romane für sich wirklich toll sind. Man sollte sie aber wohl besser nicht unbedingt direkt hintereinander lesen, damit sich einem die Gemeinsamkeiten nicht zu sehr aufdrängen.

Ferner hat Christoph Marzi zahlreiche Anspielungen auf Musiker sowie Songs eingebaut, deren Bedeutungen sich einem Laien, für den die meisten davon vermutlich unbekannt sind, leider nicht erschließen. Den Lesefluss stören sie aber nicht im Geringsten.

Fazit

Memory ist ein wirklich fesselnder Fantasyroman mit einer spannenden Handlung und einer zarten, aber sehr schönen Liebesgeschichte. Die verschiedenen Figuren sind interessant und vielseitig, insbesondere die unterschiedlichen Geister, aber vor allem sehr liebenswert. Leider lassen sich die Parallelen zu Heaven nicht leugnen, sodass man die Bücher besser mit etwas zeitlichem Abstand lesen sollte, sofern man denn beide lesen möchte. Ansonsten kann man das Buch aber uneingeschränkt all jenen empfehlen, die auf der Suche nach einer wundervoll geschriebenen, packenden Geschichte mit einer Prise Romantik sind.





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