[Rezension] Too Late

26. Juli 2019 | 22:03 | Gelesen

Titel: Too Late
Autorin: Colleen Hoover
Originaltitel: Too Late
Erstveröffentlichung: 2016
Übersetzerin: Katarina Ganslandt


Wissenswertes

Too Late ist eines der zahlreichen Werke der us-amerikanischen Bestseller-Autorin Colleen Hoover, die mehrere Jahre lang als Sozialarbeiterin tätig war, ehe sie mit dem Schreiben begann. Ihr Debut, Weil ich Layken liebe, hatte sie ursprünglich nur als Weihnachtsgeschenk für ihre Mutter geschrieben, es dann auf Grund der positiven Resonanz in ihrem Umfeld aber doch als eBook veröffentlicht und nur kurze Zeit später verkaufte sie bis zu zweihundert Exemplare am Tag, wodurch es schließlich sogar auf der Bestsellerliste der New York Times landete.

Inhalt

Einst war sie in Asa verliebt, heute würde Sloan nichts lieber tun als den gewalttätigen Drogendealer zu verlassen, der nichts mehr mit diesem Mann gemeinsam hat und sie als seinen Besitz betrachtet. Solange sie ihr Studium noch nicht beendet hat, ist sie jedoch weiterhin in dieser gefährlichen Beziehung gefangen. Denn ohne einen Abschluss wird sie wahrscheinlich keinen Job finden, mit dem sie nicht nur sich selbst über Wasser halten, sondern auch das Pflegeheim ihres jüngeren Bruders finanzieren kann, für das zurzeit Asa aufkommt. Ihrem Bruder zuliebe hat sie sich daher mit dieser Situation arrangiert und stellt ihre eigenen Bedürfnisse hinten an – bis ein charmanter Kommilitone sie unerwartet daran erinnert, wie schön ihr Leben eigentlich sein könnte …

Kritik

Too Late ist heftig, krass und auch ein bisschen krank. Es enthält Gewalt, Drogenkonsum bzw. – missbrauch, Vergewaltigungen sowie Mord und ist daher definitiv nichts für schwache Nerven. Es ist kein schlechtes Buch und durchaus mitreißend, doch es gehört zweifellos nicht zu den besten Werken von Colleen Hoover.

Das liegt im Endeffekt vor allem am Aufbau der Geschichte. Es gibt im Grunde drei aufeinander folgende Showdowns und somit mehrere Stellen, an denen das Buch eigentlich zu Ende ist – und sich so anfühlt – die Handlung dann aber trotzdem fortgesetzt wird. Die Geschichte um Sloan fühlt sich also bereits abgeschlossen an, obwohl man noch bis zu 150 Seiten vor sich hat. Hinzu kommt ein Prolog, der mittendrin unvermittelt auftaucht und so für Verwirrung sorgt. Es wird unweigerlich der Eindruck erweckt als hätte die Autorin das Buch nicht von Anfang bis Ende durchdacht, was im Prinzip stimmt, wie man später im Nachwort erfährt. Colleen Hoover hat das Buch nämlich zunächst kapitelweise online veröffentlicht, nach dem eigentlichen Ende dann doch weiter daran geschrieben und schließlich alles so belassen. Vielleicht ist das Ergebnis in Bezug auf diese spezielle Geschichte nicht ganz unrealistisch, da auch in der Realität nicht immer alles so schnell vorüber ist, wie man es sich möglicherweise wünschen würde, allerdings ist es auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig, um nicht zu sagen seltsam, und als Leser kann man zukünftig gern darauf verzichten.

Außerdem unterscheidet sich Too Late schon allein inhaltlich deutlich von anderen Werken der Autorin und des Genres. Während die meisten New Adult Romane, abgesehen von den in der Regel enthaltenen erotischen Szenen, relativ harmlos sind und problemlos von Jugendlichen gelesen werden können, würde man eine Altersbeschränkung wie es sie bei Filmen gibt hier tatsächlich für angebracht halten. Es gibt viele explizite Sexszenen, die in den meisten Fällen schwierig zu beurteilen und alles andere als anregend sind, denn die überwiegende Mehrheit der Intimkontakte scheint nicht gerade einvernehmlich zu sein. Unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit der Strafverfolgung ist jeder Geschlechtsverkehr zwischen Asa und Sloan quasi eine Vergewaltigung. Sloan wehrt sich nicht (mehr) und sagt auch nicht (mehr) ausdrücklich nein, das liegt aber nicht etwa daran, dass sie damit einverstanden ist, sondern vielmehr daran, dass sie sich permanent vor Asa fürchtet und um ihr Leben oder wenigstens ihre körperliche Unversehrtheit besorgt ist. Sie weiß inzwischen aus Erfahrung, dass sie es nicht schafft sich erfolgreich gegen Asa zur Wehr zu setzen und lässt ihn gewähren, weil sie es ansonsten nur schlimmer und schmerzhafter für sich macht und es andernfalls noch länger dauern würde. Einige dieser Szenen sind also wirklich kaum zu ertragen.

Trotz der häuslichen Gewalt, die Sloan überdies beinahe tagtäglich erlebt, wird sie jedoch nicht als Opfer dargestellt, da sie sich der Gefahr bewusst ist und sie tapfer erträgt. Sie ist eine starke, clevere und vor allem aufopferungsvolle Protagonistin. Obwohl sie in Asas Nähe manchmal in Lebensgefahr schwebt, bleibt sie ihrem Bruder zuliebe bei ihm und hält durch. Sein Wohlbefinden ist ihr nämlich wichtiger als ihre eigene Sicherheit. Sloan ist also stark genug zu bleiben und nicht etwa zu schwach, um ihn endlich zu verlassen. Zudem hat sie, ungeachtet all seiner Taten, noch immer Gefühle für Asa bzw. den Mann, in den sie sich damals verliebt hatte, wenngleich sie ihn längst nicht mehr so liebt wie früher. Ihre insofern teils widersprüchlichen Gedanken bezüglich Asa sind allerdings durchaus nachvollziehbar.

Asa ist dagegen einfach nur ein kranker, kontrollsüchtiger Narzisst und obschon er ohne Zweifel eine schwere Kindheit hatte, reicht das bei Weitem nicht aus, um ihm als Leser so viel Verständnis entgegen zu bringen wie Sloan und bisweilen sogar Luke/Carter es tun. Sloan hatte ebenfalls keine leichte Kindheit, ist nun aber trotzdem keine sadistische, gewissenlose und gewalttätige Kriminelle. Asa zeigt nie auch nur einen Funken Reue oder Einsicht und ist zu keinerlei Mitgefühl fähig. Egal, was er tut, er ist stets überzeugt im Recht zu sein. Er bildet sich wirklich ein Sloan zu lieben, geilt sich jedoch gleichzeitig an ihrem Schmerz auf. Er nutzt es schamlos aus, dass sie sich ihm zu Dank verpflichtet fühlt, und behandelt sie wie seine persönliche Sklavin. Sloan hat somit nur dann Zeit für sich selbst, wenn sie an der Universität ist oder sonntags ihren Bruder besucht.

Darüber hinaus betrachtet Asa Sloan als seinen alleinigen Besitz, reduziert sie auf ihren Körper und macht sie zum Objekt seiner Befriedigung, wann immer es ihm beliebt, ohne Rücksicht auf ihre Wünsche oder Gefühle. Sie hat ihm jederzeit für Sex zur Verfügung zu stehen und natürlich treu zu sein, wohingegen er es mit jeder Frau treibt, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen kann – und er findet das vollkommen in Ordnung. Deshalb hat es ihn logischerweise total genervt, als Sloan es eine Zeit lang gewagt hat nachts Pyjamas zu tragen, weil es ihm selbstverständlich viel zu mühsam ist, „ihr immer erst die Hose runterschieben zu müssen“, wenn er mitten in der Nacht plötzlich Sex will. Was immer er Sloan antut, er tut es aus „Liebe“ und glaubt tatsächlich, er würde weiterhin bedingungslos von Sloan geliebt werden. Alle gegenteiligen Hinweise werden ignoriert oder so verbogen, dass sie zu seinem abartigen Weltbild passen, sodass er gar nicht wahrnimmt, wie unglücklich sie seinetwegen ist.

Luke/Carter ist in jeder erdenklichen Hinsicht das genaue Gegenteil von Asa und vom ersten Moment an unfassbar liebenswert. Er respektiert Sloan und will, dass es ihr gut geht. Er nimmt nicht nur, sondern ist auch in der Lage Sloan etwas zurückzugeben. Er gibt ihr beispielsweise Halt und Zuneigung, wie sie es zuvor noch nie erlebt hat. Er weckt Gefühle in ihr, von denen sie nicht mehr gedacht hatte sie je wieder zu fühlen. Mit Ausnahme des Geheimnisses seiner wahren Identität – es ist relativ schnell klar, dass es sich bei ihm um einen Undercover Cop bei der Drogenfahndung handelt – ist er von Beginn an absolut aufrichtig zu ihr, was ihn nebenbei bemerkt wesentlich sympathischer macht als den Kollegen, der keine Skrupel hat Frauen für seinen Job zu benutzen.

Die wundervolle Liebesgeschichte zwischen Luke/Carter und Sloan ist trotz der zunehmend schnelleren Entwicklung einer der besten Aspekte dieses Romans. Mit diesem Paar zeigt Colleen Hoover wie eine gesunde Beziehung und ein respektvoller Umgang miteinander aussehen. Der Unterschied zu der missbräuchlichen Beziehung zwischen Asa und Sloan könnte demzufolge kaum offensichtlicher sein.

Die Handlung ist durchgängig fesselnd und wird überraschenderweise aus drei verschiedenen Ich-Perspektiven geschildert, denen von Sloan, Luke/Carter und Asa. Bei den Kapiteln aus Asas Sicht ist man in der Regel allerdings froh, wenn sie wieder vorbei sind. Einerseits sind sie zwar interessant, andererseits verdeutlicht aber jedes Wort und jede seiner abstoßenden Ansichten nur, was für ein verabscheuungswürdiges Exemplar der Gattung Mensch er ist.

Das (endgültige) Ende ist etwas zu kitschig geraten, dafür sind die jeweiligen Höhepunkte so spannend, dass man das Buch in diesen Momenten unmöglich aus der Hand legen kann. Weniger schön sind hingegen die erkennbaren Schwächen des us-amerikanischen Justizsystems, die die Autorin erneut aufzeigt. Es ist wahrlich erschreckend, wie leicht ein Mörder dort mit seiner Tat davonkommen kann und wie schnell ein gefährlicher Verbrecher wieder auf freien Fuß gesetzt wird.

Fazit

Too Late ist in vielerlei Hinsicht vollkommen anders als die bisherigen Werke von Colleen Hoover und das nicht unbedingt auf positive Art und Weise. Wer lediglich nach einer gefühlvollen und eher leichten Liebesgeschichte sucht, sollte lieber die Finger davon lassen, denn für dieses Buch sowie die darin enthaltenen Themen muss man eher hart im Nehmen sein.





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