[Rezension] Schlaf nicht ein

23. Juli 2014 | 13:51 | Gelesen

Titel: Schlaf nicht ein
Autorin: Michelle Harrison
Originaltitel: Unrest
Erstveröffentlichung: 2012
Übersetzerin: Petra Koob-Pawis


Wissenswertes

Schlaf nicht ein ist der erste Jugendroman der britischen Autorin Michelle Harrison, die unter anderem als Buchhändlerin und Redakteurin gearbeitet hat, sich jetzt aber ganz auf das Schreiben konzentriert. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre erste Reihe für Kinder, die Elfenseele-Trilogie, die ebenfalls bei Loewe erschienen ist und deren Auftakt sogar ausgezeichnet wurde. Im Moment arbeitet sie laut eigenen Angaben an einem zweiten Jugendbuch.

Inhalt

Nachdem der siebzehnjährige Elliott bei einem Autounfall beinahe gestorben wäre – genau genommen war er für wenige Minuten sogar klinisch tot – hat sich sein Leben drastisch verändert. Allerdings nicht etwa, weil er so erfahren hat wie schnell es unvorhergesehen vorbei sein kann und es nun mehr zu schätzen weiß. Seit diesem Moment hat er im Schlaf mehrfach außerkörperliche Erfahrungen gemacht und kann zudem den Geist der Frau sehen, die sich in seiner Wohnung das Leben genommen hat. Sein Vater sowie sein Therapeut sind natürlich der Ansicht, dass er sich das alles nur einbildet und nichts davon wirklich passiert.

Elliott ist davon jedoch nicht überzeugt und will Gewissheit. Deshalb besorgt er sich einen Job in einem Museum, das zugleich einer der berüchtigtsten Spukorte Großbritanniens ist, denn wenn es nicht mit der Wohnung und dem Wissen über den Tod der Vormieterin zusammen hängt, müsste er dort ebenfalls Geister sehen können …

Kritik

Schlaf nicht ein ist ein Roman, der zwar mit neuen Ansätzen aufwarten kann, deren Umsetzung einen jedoch mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Es ist kein Buch, von dem man in jedem Fall abraten würde, allerdings auch keines, das man bedenkenlos empfehlen kann.

Mit Elliott hat Michelle Harrison einen Protagonisten entworfen, der sich mit seiner abwertenden Haltung bezüglich Frauen vor allem beim weiblichen Geschlecht anfangs etwas unbeliebt macht und sich seine Sympathie daher hart erarbeiten muss. Im Verlauf der Handlung ändert sich diese Einstellung und er entwickelt sich positiv weiter, wodurch ihm das gelingt. Dass er sich um andere sorgt und ihnen ohne zu zögern zu Hilfe eilt, trägt ebenfalls dazu bei.
Man fiebert mit ihm mit und das Interesse an seinem Leben ist mitunter das Einzige, was einen zum Weiterlesen bewegt, da man trotz allem wissen möchte, was die Geister eigentlich von ihm wollen. Seine Erlebnisse im Schlaf sorgen zudem für den ein oder anderen gruseligen Moment, in dem man nicht in seiner Haut stecken möchte und seine Erschöpfung ist förmlich spürbar. Gleichwohl stellt er sich letztlich seiner Angst und versucht den Geistern zu helfen zur Ruhe zu kommen um loslassen zu können.

Ophelia ist auf Grund ihrer Andersartigkeit eine ebenso interessante Figur. Sie hat ihren ganz eigenen Kopf und schert sich nicht darum, was andere über sie denken. Ein Lächeln schenkt sie nur, wenn sie Anlass dazu hat und Elliott muss sich ihr Vertrauen erst verdienen.

Zwischen den Beiden entspinnt sich allmählich ganz behutsam eine Liebesgeschichte, die für ein wenig Romantik sorgt und zu den positiven Aspekten des Buches zählt. Es ist schön zu sehen wie sie erst langsam Gefühle füreinander entwickeln als sie sich besser kennen lernen. Von Liebe auf den ersten Blick kann hier also definitiv nicht die Rede sein.

Die Geister sowie die außerkörperlichen Erfahrungen sind tolle Ideen, die mal etwas anderes sind und viel Potenzial bieten, das an sich sogar genutzt wurde, nur leider immer wieder in Banalitäten und Belanglosigkeiten untergehen. Einige Ereignisse sind für die Haupthandlung im Endeffekt mehr oder weniger irrelevant und führen somit nur zu unnötigen Ausschweifungen. Ein paar Kürzungen und Straffungen hätten dem Buch definitiv sehr gut getan – weniger ist manchmal eben doch mehr.

Als Elliott nach dem etwas langatmigen Beginn einen Plan hat, erwartet man, dass es nun richtig los geht. Aber bis auf einen kurzen Zwischenfall rücken die Geister erst einmal für eine Weile in den Hintergrund, während sich nun alles um Ophelia dreht. Ihre Geschichte ist zwar durchaus interessant, dennoch man fragt sich die ganze Zeit, wann Elliotts Erscheinungen erneut fokussiert werden, da man das als den eigentlichen Schwerpunkt des Buches betrachtet. Nach knapp der Hälfte nimmt die Geschichte ein bisschen an Fahrt auf, was jedoch unglücklicherweise erneut nicht allzu lange anhält. Erst auf den letzten etwa einhundertfünfzig Seiten kommt schließlich endlich einmal Spannung auf.

Es dauert somit insgesamt viel zu lange bis alles in Bewegung gerät und etwas Aufregendes passiert. Für einen Einzelband bekommt man einige Antworten darüber hinaus erst reichlich spät, obwohl man manches, wie zum Beispiel das bewegende Schicksale eines bestimmten Geistes, schon früher hätte auflösen können. Dafür ist der Roman durch den gelungenen Epilog immerhin vollständig in sich abgeschlossen ist. Viel zu lange weiß man allerdings nicht, wo die Geschehnisse hinführen sollen und zwischenzeitlich hat man das Gefühl, dass selbst die Autorin es nicht weiß oder zumindest den roten Faden verloren hat.

Dabei zeigt Michelle Harrison spätestens mit dem Schluss, dass sie es eigentlich viel besser kann und durchaus weiß, wie man Spannung aufbaut oder für Nervenkitzel sorgt. Das Ende ist nämlich großartig und so vollkommen überraschende Wendungen findet man nur selten. Die Erkenntnis trifft einen wie ein Schlag und man ahnt sie tatsächlich erst Sekunden vor ihrer Enthüllung. Sie lässt einen Charakter sowie etliche Ereignisse, denen man vorher kaum Bedeutung beigemessen hat, in einem völlig neuen Licht erscheinen.

Es ist wirklich ein Jammer, dass nicht das ganze Buch so packend ist wie die letzten siebzig Seiten und die Autorin die Spannung bis dahin nie lange aufrecht halten kann, denn ohne die Längen und die stellenweise aufkommende Langeweile hätte man aus dieser Geschichte ein richtig tolles Buch machen können, bei dem man sich keineswegs zum Weiterlesen zwingen muss.

Fazit

Schlaf nicht ein ist ein Roman, der wegen der neuen Ideen und insbesondere des fantastischen Endes zwar insgesamt durchaus noch lesenswert ist, der aber auch einige unnötige Längen aufweist, auf die man sich von vorneherein gefasst machen sollte. Elliott und Ophelia sind zwei wirklich interessante Hauptfiguren und wer bis zum Schluss durchhält wird schließlich mit einer Atem beraubenden Wendung belohnt, die man so nie erwartet hätte.





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