[Rezension] Weißer Fluch

23. August 2011 | 13:09 | Gelesen

Titel: Weißer Fluch
Autorin: Holly Black
Originaltitel: White Cat
Erstveröffentlichung: 2010
Übersetzerin: Anne Brauner


Wissenswertes

Weißer Fluch ist der Auftakt zur neuesten Serie der us-amerikanischen Autorin Holly Black, die seit 2002 als freischaffende Autorin arbeitet. Besonders bekannt ist sie für die Kinderbuchreihe Die Spiderwick Geheimnisse, die sie zusammen mit dem Illustrator Tony DiTerlizzi schreibt und gestaltet.

Diese Reihe, The Curse Workers, ist als Trilogie geplant. Der zweite Teil, Red Glove, ist auf Englisch bereits erhältlich. Der letzte Band erscheint im Mai 2012 unter dem Titel Black Heart. Die deutschen Übersetzungen der Fortsetzungen sind bereits in Vorbereitung.

Inhalt

Cassel Sharpe lebt in einer Welt, in der es schon immer Magie und so genannte Fluchwerker – Menschen mit magischen Fähigkeiten – gab. Mit einer einzigen Berührung können solche Fluchwerker eine andere Person auf verschiedenste Art und Weise beeinflussen. Aber genau diese Magie ist schon seit vielen Jahren verboten, sodass all jene, die ihre Fähigkeiten trotzdem einsetzen, meistens in kriminelle Machenschaften verwickelt sind.

Auch Cassel wurde in eine Familie von Fluchwerkern hinein geboren, doch im Gegensatz zu seinen Brüdern soll er als einziges Mitglied seiner Familie kein Fluchwerker sein. Trotzdem ist sein Leben alles andere als normal, denn sein Großvater und seine Brüder arbeiten für die Zacharovs, einen der sechs größten Gangster-Clans in den USA. Das ist aber noch lange nicht das Ungewöhnlichste: Vor drei Jahren hat Cassel seine beste Freundin Lila, die Tochter des Oberhaupts der Zacharov-Familie, getötet und er hat nicht die geringste Ahnung, warum er das getan hat. Auch an die genauen Umstände der Tat kann er sich nicht erinnern.

Seitdem versucht er seinen Erinnerungen und seiner Familie zu entfliehen, denn sollte Zacharov jemals herausfinden, wohin seine einzige Tochter plötzlich verschwand und wer dafür die Verantwortung trägt, ist Cassel so gut wie tot. Doch sein mühsam aufgebautes, unauffälliges Leben auf dem Internat nimmt ein Ende, als er sich eines Nachts auf dem Dach der Schule wieder findet, ohne zu wissen wie er dorthin gelangt ist. Daraufhin muss er das Internat zunächst verlassen und in seine Familie zurückkehren, die ihre ganz eigenen Pläne mit Cassel hat …

Kritik

Der Einstieg in Weißer Fluch fällt nicht gerade leicht. Man muss sich als Leser erst einmal in die Welt, in der Cassel lebt, einfinden und verstehen, was es mit den Fluchwerkern auf sich hat. Das erste Viertel des Buches zieht sich daher etwas in die Länge und man weiß noch nicht so recht. worauf das Ganze nun hinauslaufen soll. Doch hat man diesen etwas langatmigen Teil erst einmal hinter sich gebracht, geht es steil bergauf und die Handlung wird wesentlich interessanter und fesselnder.

Ebenso interessant ist auch der Protagonist Cassel selbst, der eher das Gegenteil einer typischen männlichen Hauptfigur darstellt. Er ist kein perfekter Märchenprinz, in den sich jedes Mädchen beim Lesen sofort verliebt. Er lügt, betrügt und hat keine Ahnung von Liebe oder Freundschaft. Für ihn ist alles immer ein Geschäft und auf jede Gefälligkeit muss auch eine Gegenleistung folgen. Dennoch ist Cassel nicht gänzlich unsympathisch. Man kann ihm sein Verhalten nicht wirklich übel nehmen, denn er kennt es wegen seiner Familie – seine Mutter sitzt beispielsweise wegen eines Heiratsschwindels im Gefängnis – einfach nicht anders.
Obwohl Cassel seine Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt, fällt es einem anfangs sehr schwer eine Bindung zu ihm aufzubauen, sodass man noch nicht richtig mit ihm mitfühlen kann. Im Verlauf der Handlung ändert sich dies jedoch, zum Glück! Dann kann man sich auch besser in Cassel hinein versetzen und ihn verstehen.

Die Nebenfiguren, wie z.B. Cassels Brüder Barron und Philip oder sein Großvater, sind ebenfalls interessant. Leider erfährt man über sie nur recht wenig, was zum Teil aber auch daran liegt, dass Cassel selbst in Wirklichkeit so gut wie nichts über seine Verwandten weiß, was er selbst im Verlauf der Handlung schmerzlich lernen muss.

Zwischendurch gibt Cassel kleine Rückblicke auf vergangene Ereignisse, wie z.B. auch den Mord an Lila, die aber teilweise nicht mehr richtig mit der Gegenwart in Einklang stehen, wodurch er schließlich den Verdacht hegt, dass seine Erinnerungen manipuliert wurden. Er weiß nur noch nicht von wem, denn er glaubt keinen Gedächtniswerker zu kennen, obwohl dieser sich sogar ganz in seiner Nähe aufhält.

Von da an entdeckt Cassel ein schreckliches Geheimnis nach dem anderen und der Leser wird immer wieder überrascht. Nichts scheint mehr so zu sein, wie es war bzw. wie Cassel es in Erinnerung hat und sein Leben ist völlig auf den Kopf gestellt. Nun will Cassel natürlich endlich die Wahrheit herausfinden, über sich, über seine Familie und darüber, was vor drei Jahren wirklich geschah.

Zum Ende hin kommt dann so richtig Spannung auf und man will unbedingt erfahren, wie die Handlung ausgeht, denn auch hier kommt wieder alles anders als man es erwartet hatte. Man ist am Schluss sogar enttäuscht, dass es schon vorbei ist, was man während der ersten hundert Seiten garantiert nicht gedacht hätte.
Während das Buch bis zur vorletzten Seite noch in sich abgeschlossen wird, erwartet den Leser auf den allerletzten Zeilen noch ein ziemlich gemeiner Cliffhanger, der einen richtig mitnimmt und den zweiten Teil schnell herbei sehnen lässt.

Der Schreibstil von Holly Black lässt sich flüssig lesen und man merkt, dass sie ihre Welt der Fluchwerker sehr detailliert ausgearbeitet hat, obwohl sie sich von der uns bekannten gar nicht so sehr unterscheidet. Besonders ist natürlich auch die Verbindung mit der Mafia bzw. dem organisierten Verbrechen, das sich hier vor allem auf die (illegale) Fluchmagie spezialisiert hat.
Zart besaitet sollte man als Leser dieses Buches nicht sein, denn Gewalt und Tod sind in Cassels Familie an der Tagesordnung und werden dementsprechend nicht nur am Rande erwähnt.

Fazit

Weißer Fluch ist ein Buch, in das man anfangs etwas schwer hineinfindet, das sich aber etwa nach dem ersten Viertel enorm steigert und zu einem fesselnden Jugendroman mausert, der einen nicht so schnell nicht wieder loslässt. Denjenigen, der diesen ersten Abschnitt durchhält und überwindet, erwartet eine interessante und einzigartige Geschichte, die man so mit Sicherheit noch nicht gelesen hat.

Holly Black kann mit neuen Ideen überzeugen und schafft es immer wieder den Leser zu überraschen. Dieser erste Teil macht wirklich Lust auf mehr, sodass man sich die Fortsetzung nicht entgehen lassen wird.





Kommentare

  1. Das Buch steht mittlerweile auch schon ewig auf meiner Wunschliste. Deine Rezension überzeugt mich davon, dass ich es in der Priorität mal wieder etwas nach oben schieben sollte. :)

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