[Rezension] Der erste Tod der Cass McBride

16. Juli 2011 | 14:42 | Gelesen

Titel: Der erste Tod der Cass McBride
Autorin: Gail Giles
Originaltitel: What happened to Cass McBride?
Erstveröffentlichung: 2006
Übersetzerin: Eva Plorin


Wissenswertes

Der erste Tod der Cass McBride ist das vierte Buch der us-amerikanischen Autorin Gail Giles, die in ihren Romanen immer wieder einen Einblick in die menschliche Psychologie gewährt und deren Werke auch schon mehrfach ausgezeichnet wurden.

Die ehemalige Lehrerin, die inzwischen sechs Bücher veröffentlicht hat, lebt heute glücklich mit ihrem Ehemann in Texas, zusammen mit zwei Hunden und drei Katzen.

Zwei weitere Werke der Autorin sind bereits bei cbt erschienen. Ihr zweiter Roman, Dead Girls Don’t Write Letters, erscheint in Deutschland mit dem Titel Tote Mädchen schreiben keine Briefe im September 2011 bei Thienemann.

Inhalt

Als Cass McBride aufwacht, weiß sie zunächst nicht, wie ihr geschieht. Es ist stockfinster, feucht und kalt. Wo ist sie? Warum schmerzt jede Bewegung? Sie müsste in ihrem weichen Bett liegen, doch stattdessen befindet sie sich in einer kleinen, engen Holzkiste und wurde lebendig begraben, was sie nur langsam realisieren kann. Nachdem sie die erste Panikattacke nieder gerungen hat, bemerkt sie ihre einzige Kommunikationsmöglichkeit: Ein Walkie-Talkie durch das sie mit ihrem Entführer sprechen kann.

Ihre einzige Möglichkeit sich aus dieser Lage wieder zu befreien besteht nun darin mit ihm zu Verhandeln und ihn irgendwie dazu zu bewegen, sie wieder auszugraben und zwar bevor es zu spät ist. Doch dafür muss sie erst einmal ihren Peiniger zum Reden bringen und herausfinden, wer er ist und warum er ihr das angetan hat …

Kritik

Der erste Tod der Cass McBride ist ein Psychothriller für Jugendliche, der einem wirklich unter die Haut geht und einen auch nach dem Lesen noch eine Zeit lang beschäftigt, was vor allem an den beiden Protagonisten liegt.

Besonders ungewöhnlich ist die Sympathieverteilung, die sich schon nach den ersten paar Seiten einstellt. Eigentlich würde man annehmen, dass man mit Cass Mitleid hat, immerhin ist sie hier das Opfer und wurde lebendig begraben. Das ist jedoch nicht der Fall. Selbst wenn man findet, dass Cass diese „Strafe“ nicht verdient hat, so ist es doch schwer sie zu bemitleiden, weil sie, wenn auch nicht allein dafür verantwortlich, doch irgendwie nicht ganz unschuldig ist. Sympathie kann man für sie jedenfalls nicht entwickeln, denn sie ist kalt und sehr berechnend. Ihr ganzes Leben ist durch kalkuliert und sie wendet sich nur den Leuten zu, die sie im Leben weiter bringen können. Alle anderen sind ihr egal.
Es tut ihr zwar leid, dass der Bruder ihres Entführers Kyle sich das Leben genommen hat, was immerhin auch der Grund dafür ist, dass sie sich in dieser Lage befindet, fühlt sich aber dennoch nicht wirklich schuldig. Stattdessen bemitleidet sie sich vielmehr selbst und analysiert Kyle und seine Worte um einen Ausweg zu finden.

Genau umgekehrt ist es bei Kyle. Obwohl man ihn eigentlich hassen müsste, weil er zu so einer schrecklichen Tat wie jemanden lebendig zu begraben fähig ist, empfindet man wegen seiner schrecklichen Mutter und der daraus resultierenden furchtbaren Kindheit viel Mitleid für ihn. Man versteht sehr gut, warum er sich für den Tod seines Bruders David so schuldig führt und sogar, warum er seine ganze Wut auf Cass projiziert und sie dafür büßen lassen will.
Erst durch seine Gespräche mit Cass, die er leiden lassen will, wird ihm klar, wer tatsächlich schuld am Selbstmord von David ist und wer an Stelle von Cass in dieser Kiste liegen sollte, was besonders interessant zu verfolgen ist.

Natürlich ist einem das Schicksal von Cass deswegen noch lange nicht egal, denn allein die bloße Vorstellung, sich in ihrer Situation zu befinden, lässt einen erschaudern. Sie kann sich kaum bewegen, sieht nichts und wird immer wieder von Panikattacken ergriffen, bei denen sie verbissen gegen ihr Gefängnis ankämpft und sich dabei selbst stark verletzt. Mit der Zeit fällt es ihr immer schwerer einen klaren Kopf zu bewahren und sie nutzt die Schmerzen schließlich sogar um bei Bewusstsein zu bleiben. Auch wenn man sie nicht mag, hofft man daher trotzdem, dass sie es lebend wieder an die Oberfläche schafft.

Die Handlung wird aus drei verschiedenen Perspektiven geschildert und beleuchtet so verschiedene Aspekte der Geschichte.
Ein Teil des Buches wird aus Kyles Sicht geschildert. Seine Ich-Erzählungen beginnen Montagnacht als er bereits bei der Polizei verhört wird. Er erzählt den Cops was vorgefallen ist und warum er Cass entführt und begraben hat, wobei man zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob sie noch lebt oder in der Kiste gestorben ist.
Ein weiterer Teil wird aus der Sicht des Polizisten Ben beschrieben und beginnt am Samstagmorgen als er von der Entführung entfährt. Aus seinem Blickwinkel verfolgt man die Ermittlungen im Fall von Cass und erfährt so wie er schließlich auf Kyle als Täter gestoßen ist.
Schließlich gibt es natürlich auch noch die Perspektive von Cass, dem Opfer selbst. Ihre Sicht beginnt Freitagabend und führt zu ihrem Erwachen in der Kiste. Sie beschreibt, wie sie sich in der Kiste fühlt, was man durch die Ich-Perspektive besonders gut nachvollziehen kann. Ihre Kapitel liegen aber zeitlich vor denen von Kyle, sodass man bis zum Schluss nicht weiß, ob sie nun überlebt.

Der ständige Perspektivwechsel ist der Autorin Gail Giles sehr gut gelungen und sorgt dafür, dass man das Buch sehr schnell liest, obwohl sich nie so richtig Spannung aufbaut, weil man erfahren will, wie die einzelnen Handlungsstränge schließlich ineinander übergehen und was insgesamt alles passiert ist. Außerdem erhält man dadurch einen Einblick in die Gedanken und Gefühle sowohl vom Opfer als auch vom Täter sowie eines Außenstehenden, der ebenfalls versucht sich ein Bild von der Situation und den Beweggründen zu machen.

Dabei geht es in dem Buch allerdings nicht nur um Kyles Tat und das Schicksal von Cass, sondern auch generell um die Probleme, mit denen Teenager heutzutage zu kämpfen haben und wie sehr sie unter den auferlegten Zwängen von Schule, Eltern und Gesellschaft leiden können.

Fazit

Der erste Tod der Cass McBride ist ein kurzer, aber dennoch tiefgründiger Psychothriller, der vor allem durch seine ungewöhnlichen Figuren überzeugen kann und den Leser zum Nachdenken anregt. Allzu viel Spannung darf man nicht erwarten, dafür aber eine fesselnde Geschichte und eine schreckliche, aber trotzdem nachvollziehbare Tat, deren wahre Hintergründe sich erst zum Schluss erschließen.





Kommentare

  1. Das Buch hätte ich mir letzte Woche beinahe gekauft, weil ich die Covergestaltung sehr gelungen finde. Aber Jugendthriller finde ich oft etwas zäh und langweilig, deswegen habe ich es dann doch wieder weggelegt. Aber deine Rezi hat mich jetzt doch neugierig gemacht. :-)

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