Im Rahmen der Leipziger Buchmesse besuchte ich am 13. März 2015 abends die Lesung von
Jenny-Mai Nuyen aus ihrem neuen Roman
Nacht ohne Namen in dem kleinen Cupcake-Café Mintastique. Ursprünglich hätte
Colleen Hoover zu diesem Termin dort lesen sollen, wobei ich mich rückblickend frage, wie sie die vielen Fans in dem kleinen Geschäft hätten unterbringen wollen, doch leider hatte diese ihren gesamten Deutschlandbesuch ja, zu meiner großen Enttäuschung, schon vor der Messe abgesagt. Dadurch hatte ich aber immerhin die Möglichkeit die Autorin nach der kurzen Begegnung bei der Plauderrunde im vergangenen Dezember in Berlin wiederzutreffen und mehr über sie sowie ihr neuestes Werk in Erfahrung zu bringen.
Als erstes möchte ich erwähnen, dass Jenny-Mai Nuyen einen ganz wunderbaren Sinn für Humor hat, der die Veranstaltung zu einem sehr witzigen Erlebnis machte. Die Zeit vor dem offiziellen Beginn der Lesung wollte sie beispielsweise nutzen um ihre politischen Ansichten zu verbreiten *g* – natürlich ein Scherz, der viele Lacher erntete. Stattdessen schwärmte sie dann lieber ausgiebig von den leckeren Cupcakes, immerhin hat sie ja mal bei QVC gearbeitet (Scherz). Sie würde auch gar nicht merken, wenn wir uns noch schnell einen Cupcake holten, auch wenn sie uns dann von hinten sähe und somit unseren Hintern. *lol*
Um 19.30 Uhr folgte dann eine kurze Einführung durch eine Moderatorin, die sich aber leider nicht vorgestellt hat. Sie erzählte uns ein wenig über die Autorin, die – erst ab dem nächsten Tag! – 27 Jahre alt ist. Ihr erster Fantasy-Roman erschien als sie gerade einmal 18 Jahre alt war und wurde seither in 10 Sprachen übersetzt. Mittlerweile hat sie insgesamt 8 Bücher veröffentlicht.
Anschließend musste sie zunächst ein paar, zum Teil ziemlich knifflige, Fragen beantworten. Das Schreiben sei für sie Arbeit, passiert jedoch manchmal einfach so. Am Anfang war es schwieriger als heute und ihre Visionen in Worte zu fassen war sehr anstrengend. Inzwischen legt sie allerdings mehr Wert auf Sprache und will weniger Worte benutzen um etwas auszudrücken, was ebenfalls aufwendig ist. Heute nimmt sie nach eigenen Aussagen auch mehr Kritik an als früher und hört aufmerksamer zu, was andere sagen.
Momentan studiert Jenny-Mai Nuyen Philosophie in Berlin, was ihren Roman, aus dem sie dann eine erste Szene vorlas, ein wenig beeinflusst hat und in den Inhalt mit eingeflossen ist. Besonders interessant waren dabei die kurzen Kommentare zu ihren Gedanken beim Schreiben der Szene, die sie währenddessen ab und zu einwarf. Für sie war es als Jugendliche zum Beispiel die schlimmste Vorstellung, dass ein Junge sie auf dem Festnetz anrufen könnte und ihre Eltern sie daraufhin über ihn ausfragen würden.
Bevor sie mit dem Schreiben begann hatte sie ein sehr komplexes Konzept zu Nacht ohne Namen ausgearbeitet. Außerdem beinhaltet das Buch zwar eine Liebesgeschichte, doch es wird darin nicht definiert, was Liebe ist. Das muss die Protagonistin für sich selbst herausfinden. Genauso wenig wird vorgeschrieben, was gut und was böse ist. Mit den Namen Gretchen (Faust) und Theo (wie in Theologie) wollte sie zudem bewusst falsche Fährten dazu legen, wer vielleicht ein Verräter ist.
Realität ist in ihrer Geschichte eine Art Rohstoff, weil es manchmal sehr schwierig ist sich der Realität zu stellen und Dinge nicht einfach unter den Teppich zu kehren. Sie mag phantastische Literatur so sehr, weil sie dadurch viel freier in der Auswahl ihrer Themen ist. Sie hat somit die totale Freiheit, da sie einfach etwas erfinden kann, anders als z.B. bei historischen Romanen. Darüber hinaus glaubt sie an „die zarten Schmelzeigenschaften der Wahrheit“, was das bedeuten soll, könnte ich an dieser Stelle aber nur sehr unzureichend wiedergeben, darum lasse ich es ganz. ^^‘
Mit ihren Büchern will die Autorin sich zu allererst selbst unterhalten und beim Schreiben Dinge verarbeiten, die sie selbst beschäftigen, weshalb darin oft viele essentielle Fragen aufgeworfen werden. Sie selbst hatte eine schwierige Beziehung zu ihren Eltern und hat das zum Teil nun in Nacht ohne Namen verarbeitet. Deshalb seien die Eltern in dem Buch auch nicht immer die besten, erzählte sie, bevor sie eine zweite Szene vortrug.
Dann widmeten sie sich kurz der großen Testleseaktion zum Roman. Jenny-Mai Nuyen war im Vorfeld so ungeduldig und wollte so gern wissen, wie die Leser auf ihre neue Geschichte reagieren, dass sie sie deshalb schon vor dem Erscheinen teilen wollte. So konnte sie sich mit den Lesern austauschen, ihre Reaktionen einarbeiten, Dinge auf Grund von Anmerkungen verändern, etc. Es wurde viel interagiert. Teilweise hat sie wohl sogar ganze Passagen zur Auswahl gestellt. Alle Teilnehmer seien jedoch ausnahmslos sehr wohlwollend und interessiert an dem Buch gewesen. Es gab also niemanden, der meinte sie solle aufhören zu schreiben o.ä.
Zum Ende sagte Jenny-Mai Nuyen, dass sie das Gefühl habe, die Welt bzw. die Idee des Buches noch nicht voll ausgeschöpft zu haben und sich deshalb eine Fortsetzung offen halten wollte. Sie wüsste genau, was passieren würde. Ob es einen zweiten Band geben wird, hänge aber zum einen von den Verkaufszahlen ab und zum anderen davon, ob sie noch einmal zu den Figuren zurückkehren will oder andere Projekte ihr erst einmal wichtiger sind. Vielleicht also irgendwann einmal, wenn die Wehmut zu groß wird, doch im Moment zieht es sie mehr zu neuen Ideen hin, davon habe sie nämlich etliche.
Ferner würde sie sich wünschen, dass man ihre Werke mehr hinterfragen würde als es heute oftmals der Fall ist. Sie sehnt sich generell nach mehr Vielschichtigkeit, wohingegen die heutige Zeit manchmal viel zu schnelllebig ist, sowohl in Bezug auf das Leben als auch auf die Buchbranche.
Der Arbeitstitel von Nacht ohne Namen lautete „Das Labyrinth in der Kugel“, stellvertretend für die Gedanken im Kopf. Die Geschichte spielt, genau wie Noir, mit dem sie sich damals von allem bisherigen freistrampeln wollte und es deshalb in der realen Welt ansiedelte, in Berlin. Es hat sie beschäftigt, dass viele junge Leute nach Berlin ziehen, weil sie dort scheinbar nach irgendetwas suchen. Folglich muss es etwas zu entdecken geben; Dinge, die man aufspüren muss. In ihrem aktuellen Werk ist das die Unterwelt mit ihren Dämonen usw.
Damit war der Abend nach einem kurzen Dank an die Zuhörer schon wieder vorbei und es folgte nur noch das Signieren. Ich hatte mir das Buch zu diesem Zweck vorher schon in Berlin besorgt und mitgebracht.
Unglücklicherweise habe ich in diesem Bericht vermutlich nur knapp die Hälfte der interessanten Konversation zusammenfassen können, weil ihre Gedankengänge mitunter viel zu verzweigt waren um ihnen gleichzeitig zu folgen und sie mitzuschreiben. Ich kann euch deshalb nur empfehlen selbst einmal eine Lesung mit Jenny-Mai Nuyen zu besuchen, wenn sich euch die Gelegenheit dazu bieten sollte.
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