Am 16. März 2015 las
Patrick Rothfuss im Auditorium maximum meiner Alma mater, der Humboldt-Universität zu Berlin, und obwohl ich bisher leider noch nichts von dem Autor gelesen habe, ließ ich mir die Chance diesen einmal zu treffen natürlich nicht entgehen. Außerdem hatte eine Freundin, die mir seine Bücher schon vorher voller Begeisterung empfohlen hatte, mich ohnehin gebeten sie zu begleiten. Und eins kann ich euch versichern: Ich habe das Audimax während meines gesamten Studiums NIE derartig voll erlebt. Es schien als wäre jeder einzelne Platz besetzt, selbst oben auf den Rängen. Bei diesem Anblick wären einige Professoren sicher vor Neid erblasst.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Marina Weisband, die sehr interessante Fragen stellte und die Antworten des Autors für all jene Gäste, die die englische Sprache nicht so gut beherrschten, ins Deutsche übersetzte. Die deutschen Passagen wurden hingegen von Schauspieler und Synchronsprecher Gunnar Helm vorgetragen.
Zu Beginn las allerdings zunächst Patrick Rothfuss, der einen sehr lustigen und sympathischen Eindruck vermittelte, höchstpersönlich die erste Seite seines neuen Romans, Die Musik der Stille, vor, aber natürlich „nicht auf Deutsch“, wie er so schön sagte.
Im Anschluss beantworte der Autor ein paar Fragen. Ein kurzer Hinweis dazu vorweg: Einige Antworten sind stark gekürzt, weil es mir zum Teil unmöglich war seine geistigen Ergüsse und meistens sehr ausführlichen Antworten schnell genug mitzuschreiben. Ich habe mich jedoch um eine möglichst umfangreiche Zusammenfasssung bemüht.
In einer Übersetzung gehe leider immer viele Dinge verloren, wie zum Beispiel die geheime, tiefere Bedeutung von Ortsnamen. Wie sei es für ihn durch eine Übersetzung die Kontrolle über sein Buch zu verlieren? Er antwortete, er sei kein Kontrollfreak, der wolle, dass alles perfekt sei. Ja, vieles habe mit Sprache zu tun, aber er hatte im Grunde keine andere Wahl als loszulassen, weil Englisch nun einmal die einzige Sprache sei, die er fließend spreche. Er hatte seinen eisernen Griff also zwangsläufig lockern müssen. Außerdem sei ihm bewusst, dass er oft mit der Sprache spiele und deshalb ohnehin schwer zu übersetzen sei. Er biete seinen Übersetzern daher immer an ihm Fragen zu stellen um sich auszutauschen und ihre Arbeit so etwas zu erleichtern. Manche Sachen könne man jedoch auch einfach nicht übersetzen, wortwörtlich schon gar nicht.
In Die Musik der Stille habe er sich sprachlich gesehen sogar noch mehr ausgetobt als in Der Name des Windes. Er habe dabei sogar gleich an die Übersetzer denken müssen und gewusst, dass manche Wortspiele nicht zu übersetzen wären. „Sorry“.
Auf die nächste Frage antwortete er, dass er zumindest hoffe, dass es einen Unterschied zwischen ihm und den Autoren gebe, die schlechte weibliche Figuren entwerfen. Er denke viel über seine Charaktere nach und gehe vorsichtig mit ihnen um. Es sei ihm wichtig, eine starke, weibliche Figur zu kreieren, weil er wisse, dass Frauen in unserer Gesellschaft oft schlecht dargestellt oder falsch wahrgenommen würden. In Bezug auf Denna sei das größte Problem dabei, dass sie oft nicht das tue, was man aus gesellschaftlicher Sicht von ihr erwarte. Manche Leute würden denken es sei ihre Pflicht Kvothe zurückzulieben und wenn sie das nicht tue, seien die Leute sauer oder hielten Denna gar für eine Schlampe und das sei in seinen Augen eine furchtbare Denkweise. Es mache Patrick Rothfuss vielmehr stolz, dass Denna eine starke Frau sei, die eine Beziehung verlassen würde, wenn es ihr darin nicht gut ginge oder sie schlecht behandelt würde.
Daraufhin fragte er das Publikum, wer jemanden kenne, der in einer Beziehung schon einmal misshandelt wurde und es gingen erschreckend viele Hände hoch. Er sagte, die einzige Möglichkeit in so einer Situation wäre es zu gehen, die Beziehung zu verlassen und all das hinter sich zu lassen. Das wäre das einzig Richtige! Dann kam er noch einmal kurz auf die Ausgangsfrage zurück. Er wolle nicht dazu beitragen eine weibliche Figur zu zeigen, die ständig nur um den Protagonisten kreise. Er wolle Denna nicht schwach oder oberflächlich erscheinen lassen und denke, dass sei ihm gelungen.
Nachfolgend wurde eine Szene aus dem neuen Roman auf Deutsch vorgelesen, ehe das Interview fortgesetzt wurde.
Patrick Rothfuss bevorzuge es seinen Lesern Raum zu lassen die Geschichte so zu genießen, wie sie es wollen. Deshalb beschreibe er Fela beispielsweise kaum, wodurch jeder eine etwas andere Vorstellung von ihr habe. Sie sollen die Möglichkeit haben „schön“ auf ihre eigene Art auszulegen. Er wolle ihnen somit nicht vorschreiben, was „schön“ sei und lasse sich diese Arbeit lieber von den Lesern abnehmen. Das sei aber nur ein kleines Beispiel dafür.
In Auris Geschichte wolle er es ebenfalls dem Leser überlassen, wie er die Dinge sehe. Ihre Rätselhaftigkeit mache ihren Charme aus, doch der Rest sei der individuellen Interpretation überlassen. Es gebe demnach verschiedene Möglichkeiten Auri zu sehen, aber keine falsche Lesart; jeder solle für sich selbst entscheiden. Der Autor möge sogar die Blickwinkel, die er selbst gar nicht gesehen habe. Jede mögliche Sicht auf die Dinge sei für ihn in Ordnung.
Begrenzt sei die Auslegung lediglich auf die Grundlage, also die Belege dafür im Text, sodass Auri jedenfalls keine Schildkröte sei. *g*
Er verrate allerdings noch nicht, ob Auri im dritten Band der Königsmörder-Chronik eine wichtigere Rolle spielen werde. Wann dieser erscheint? Sobald er es weiß, werde er es uns wissen lassen. Er werde es nicht geheim halten! Manchmal würde ihm unterstellt, er sei ein Alien, der sich von dem Elend seiner Leser ernähre, aber nein! The Doors of Stone (so der Arbeitstitel) sei schlicht noch nicht fertig. Wann es fertig werde, wisse er noch nicht und er wolle nicht noch einmal den Fehler machen einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, den er vielleicht gar nicht einhalten könne, sodass die Leute dann traurig seien. Also sage er jetzt 2025, damit wir alle überrascht seien, wenn es doch eher erscheine. Er gebe sein Bestes, weil er eben das beste, ihm mögliche Buch schreiben möchte.
Ob er daran interessiert sei andere Genres auszuprobieren? „NO!“ Im Fantasy-Bereich könne er alles machen, was er in jedem anderen Genre auch machen könne – plus Elben. Er müsse sich also nicht schlecht fühlen, wenn er zum Beispiel einen Geist in eine „normale“ Handlung einbringe. Er liebe einfach Geschichten mit phantastischen Elementen. Seiner Meinung nach würden sie Bücher fast immer besser machen, es verleihe ihnen einen besonderen Geschmack.
Anschließend beantwortete er noch Fragen aus dem Publikum, darunter Fragen nach Tipps zum Schreiben, der Handlung des dritten Bandes, die er selbstverständlich noch nicht preisgebe, und nach einem Charakter, den er für ein Videospiel entwickele. Letzteres sei eine ganz andere, neue Erfahrung für ihn, weil ihm die Kontrolle über die Handlung etc. völlig entzogen sei. Er könne noch nicht viel darüber verraten, sei aber sehr aufgeregt deswegen.
Wie viel von Kvothe seinem eigenen Leben entnommen sei? „Das schöne Spiel“ stamme aus seinem eigenen Leben. Er wurde auf einem Spielplatz dazu inspiriert, als er Kindern beim Spielen zusah. Manchmal kämen Dinge also tatsächlich aus der realen Welt. Das sei jedoch ein komisches Beispiel.
Neil Gaiman und Terry Pratchett zählen zu seinen Lieblingsautoren. Das letzte Einhorn sei eines seiner Lieblingsbücher. Er liebe die fantastische Sprache, deretwegen es wahrscheinlich auch ein Alptraum sei das Buch zu übersetzen. Er selbst habe zudem einen Goodreads Account und rezensiere dort regelmäßig Bücher.
Es gebe zwar Gespräche über Verfilmungen, vielleicht werde aber nichts daraus und vermutlich würden es sowieso alle hassen, wenn sie doch gemacht würden. Er werde seinen Fans neue Entwicklungen in dieser Hinsicht keinesfalls vorenthalten. Natürlich hätte er dann auch gern die Kontrolle über die Filme, würde sie aber wohl nicht bekommen.
Damit war die Zeit leider um, zumal er noch Bücher signieren wolle und die Universität vermutlich sauer wäre, wenn er das Audimax bis 3 Uhr morgens in Beschlag nähme. Er bedankte sich bei allen für unser Kommen und bat die Leute in der Signierschlange nach vorn zu lassen, die vielleicht noch Kinder vom Babysitter abholen oder einen bestimmten Zug/Bus erwischen müssten.
Da Photos sowieso erst nach dem Signieren gemacht werden konnten und meine Begleitung als großer Fan natürlich unbedingt eines wollte, wofür ich vollstes Verständnis hatte, blieben wir also einfach sitzen, bis nur noch eine Handvoll Leute im Hörsaal waren und man nicht mehr anstehen musste.
In der Zwischenzeit kaufte ich mir noch ein Exemplar von Der Name des Windes, weil mir der Autor und seine Antworten so gut gefallen hatten, dass ich die Reihe garantiert eines Tages lesen werde. Sonst würde ich mich nämlich, spätestens wenn sie mir dann so gut gefällt wie erhofft, unglaublich über mich selbst ärgern, dass ich mir die Chance auf ein signiertes Exemplar entgehen ließ. Dieses Risiko wollte ich also gar nicht erst eingehen.
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