[Rezension] Crashed

16. Dezember 2010 | 19:40 | Gelesen

Titel: Crashed
Autorin: Robin Wasserman
Originaltitel: Crashed
Erstveröffentlichung: 2009
Übersetzerin: Claudia Max


Wissenswertes

Crashed ist der zweite Band der neuen Trilogie der amerikanischen Autorin Robin Wasserman. Er spielt in einer post-apokalyptischen Welt, in der nichts mehr so ist, wie es mal war, aber dennoch fast alles möglich erscheint. Zumindest, wenn man genug Bonus hat um es sich leisten zu können. Die Frage ist nur, ob so viel Technologie auch wirklich immer von Vorteil ist.

Der letzte Band der Reihe, Wired, erschien im September 2010 in den USA. In Deutschland erscheint er voraussichtlich im Herbst 2011.

Inhalt

Lia Kahn lebt nicht mehr bei ihrer Familie. Sie hat ihrer Schwester und vor allem ihren Eltern den Rücken gekehrt – überzeugt davon, dass sie es zutiefst bereuen ihre Tochter nicht sterben gelassen zu haben – und wohnt nun zusammen mit vielen anderen Mechs auf Judes Anwesen. Obwohl sie ihm immer noch nicht wirklich vertraut, bleibt sie dort, denn sie hat keinen anderen Ort, wo sie hingehen könnte, und führt auch kleinere Aufträge für ihn aus. Um dazuzugehören hat sie jetzt sogar metallische Streifen auf der Haut, denn Jude ist der Ansicht, dass sie die Illusion durchbrechen müssen menschlich zu sein. Lia möchte ebenfalls, dass ihr Inneres und ihr Äußeres miteinander im Einklang stehen und sie ist nun mal kein Mensch mehr.

Da der Download inzwischen für Menschen zwischen 16 und 21 Jahren freiwillig geworden ist, nimmt die Anzahl der Mechs zu und somit auch die Zahl der Mechs, die auf dem Anwesen wohnen. Doch je mehr neue Mechs entstehen, desto mehr Leute gibt es auch, die sich gegen ihre bloße Existenz auflehnen. Die so genannte „Bruderschaft der Menschen“ setzt alles daran, den Bau weiterer Mechs zu stoppen und die Rechte aller bisheriger Mechs einzuschränken, wenn nicht sogar ihnen all ihre Recht zu nehmen. Sie fordern, dass Mechs nicht als Menschen oder Personen, sondern als Maschinen angesehen werden und sich deswegen auch im Besitz anderer Menschen befinden sollten. Um das zu erreichen ist ihnen fast jedes Mittel Recht und so locken sie vor allem die armen Leute aus den Städten mit kostenlosen Mahlzeiten und Medizin um ihre Sache zu unterstützen. Angeblich wollen sie den bestehenden Mechs dabei aber keine Gewalt antun, wobei sie die Gewalt an Mechs durch andere Mitglieder in ihrem Namen auch nicht verhindern.

Als es in einem Konzern schließlich zu einem biologischen Attentat kommt und ein Video auftaucht, das zeigt, dass ein Mech dafür verantwortlich ist, droht die Situation zu eskalieren …

Kritik

Crashed ist eine sehr gelungene Fortsetzung, die sich noch mehr mit wichtigen philosophischen Fragen auseinandersetzt und den Leser dadurch nachhaltig zum Nachdenken anregt. Auch nachdem man die letzte Seite gelesen hat, wird man sich noch lange mit diversen Fragen auseinandersetzen und nach einer Antwort suchen.

Dabei geht die Autorin noch genauer auf die Protagonistin Lia Kahn ein, aus deren Sicht die gesamte Handlung auch geschildert wird.
Obwohl sie nicht so schwach und beeinflussbar ist wie andere Figuren, hat sie dennoch ihre Schwächen und muss mit vielen Widersprüchen kämpfen. So empfindet sie ihr neues Leben zwar nicht mehr als Strafe, ist aber dennoch nicht wirklich glücklich. Sie hat immer noch das Gefühl, sich nie an ihren Mech-Körper gewöhnen zu können und nie wieder mit jemandem intim werden zu wollen.
Einerseits hat sie sich, wie alle Mechs auf Judes Anwesen, vollkommen von ihrem früheren Leben gelöst, zumindest augenscheinlich. Andererseits vermisst sie aber auch ihr altes Leben und ihre Familie, obgleich sie das in Gegenwart anderer Mechs niemals zugeben würde.

Sie tut alles, um zu ihrer neuen „Familie“ dazuzugehören, von metallischen Streifen im Gesicht bis hinzu allen anderen „Verbesserungen“, die Jude nach und nach für einige unter ihnen eingeführt hat. Obwohl sie auf Infrarotsicht, eingebautes GPS oder einen Stimm-Gedanken-Generator gut verzichten könnte, nimmt sie das alles in Kauf um eine von ihnen zu sein. Deswegen führt sie auch neue Rekruten auf dem Anwesen herum und erzählt ihnen, was sie selbst am Anfang weder hören noch glauben wollte: Dass sie nicht mehr die Personen sind, die sie einmal waren.
Anfangs ist sie so mit sich selbst beschäftigt, dass sie Judes Pläne und Anweisungen kaum hinterfragt und seine Aufträge einfach ausführt, auch wenn sie ihm nicht wirklich vertraut. Erst als sie dadurch in den fatalen biologischen Terroranschlag verwickelt wird, dessen Konsequenzen sie nur mit Hilfe von BioMax, der Firma, die alle Mechs hergestellt hat, entkommen kann, wird sie misstrauischer. Sie beginnt Judes Taten zu beobachten und vor allem zu hinterfragen um herauszufinden, was dieser wirklich vorhat.
Dadurch entwickelt Lia sich aber auch weiter und denkt nicht mehr nur ausschließlich an sie selbst, wobei sie grundsätzlich immer noch sehr egoistisch ist und ihre eigenen Pläne vor Jude geheim hält.
Doch es gibt auch eine Person, zu der sie langsam vertrauen fasst: Riley. Zunächst kann sie ihn nicht ausstehen und hält ihn für einen wortkargen und treudoofen Typen, der alles macht, was Jude sagt. Aber je besser sie ihn kennen lernt, desto mehr Gemeinsamkeiten entdeckt sie. Außerdem scheint Riley der einzige zu sein, mit dem sie über ihre wahren Gefühle sprechen kann und dem sie nichts vormachen muss.
Zwischen ihnen entwickelt sich langsam eine Beziehung, was man als Leser sehr gerne beobachtet. Trotz der Nähe gibt es allerdings noch viele Geheimnisse zwischen den Beiden, vor allem was Rileys Vergangenheit betrifft, sodass Lia sich die Frage stellt, ob sie ihn ohne etwas über seine Vergangenheit zu wissen, jemals wirklich kennt.

Besonders wichtig in dem Roman ist die Frage, was einen Menschen eigentlich ausmacht. Was bedeutet Mensch sein? Braucht es zwangsläufig Körper und Geist, um eine Person zu sein, oder reicht der Körper aus?
Die Bruderschaft der Menschen sieht Mechs nicht als Personen an. Für sie ist man nur dann menschlich, wenn (organischer) Körper und Geist vorhanden sind. In ihren Augen sind alle Mechs daher Maschinen und sollten auch als solche behandelt werden. Dementsprechend sollten ihnen auch keinerlei Recht mehr zustehen.
Es gelingt ihnen erstaunlicherweise sogar selbst einen Mech von ihrer Theorie zu überzeugen und diesen für ihre Zwecke zu missbrauchen. Doch das ist noch lange nicht das schlimmste. Es ist wirklich unvorstellbar, zu was die Bruderschaft alles fähig ist nur um die Existenz der Mechs zu zerstören.

Die anderen Mechs kämpfen natürlich dagegen an. Sie sehen sich zwar auch nicht auf einer Stufe mit den Menschen, sondern fühlen sich überlegen, wollen aber verständlicherweise trotzdem ihre Rechte behalten und nicht zum Gegenstand deklariert werden. Für diesen Standpunkt setzen sich allerdings nur sehr wenige Menschen, von den Mechs „Orgs“ genannt, ein, darunter aber immerhin Lias Vater.

Die Kluft zwischen Mechs und Orgs wird also immer größer, was den Mechs gegenüber eigentlich ziemlich unfair ist. Sie wurden von Menschen gebaut, um das Menschsein nachzuahmen und sollen nun dafür bestraft werden, dass sie so tun als ob sie menschlich wären. Man wirft ihnen sogar vor, die Identitäten verstorbener Personen gestohlen zu haben, womit natürlich zum Ausdruck gebracht wird, dass sie nur noch aus dem Namen und einer Programmierung bestehen, während die echte Person tot ist.

Neben der Frage danach, was einen Menschen ausmacht, geht es aber auch um Freundschaft und andere Beziehungen. Wie viel muss man über jemanden wisse, um ihn tatsächlich zu kennen? Was bedeutet Freundschaft? Ist Freundschaft zwangsläufig verbunden mit unerschütterlicher Loyalität und blindem Vertrauen ohne Sachen zu hinterfragen? Wie lange steht man in jemandes Schuld? All diese Fragen tauchen immer wieder auf, wenn es um die Beziehungen zwischen Jude, Riley und Lia geht. Alle drei verbergen etwas, vor allem Teile aus ihrer Vergangenheit, und müssen sich daher diesen Fragen stellen, die aber auch den Leser damit zum Nachdenken anregen.

Die Handlung regt allerdings nicht nur vielfach zum Nachdenken an, sondern ist auch sehr fesselnd. Zum ersten Mal kommt Spannung auf, als es um das Attentat und die Konsequenzen daraus geht. Bis das Geschehen sich für einen kurzen Moment wieder beruhigt hat, kann man das Buch von da an nicht mehr aus der Hand legen. Doch nach der kurzen Verschnaufpause geht es nicht minder spannend weiter, denn der Kampf zwischen Orgs und Mechs bürgt viele Gefahren.
Immer wieder gelingt es Robin Wasserman den Leser mit unerwarteten Wendungen zu überraschen und sogar völlig zu überrumpeln. Einige dieser Ereignisse hätte man auf keinen Fall jemals für möglich gehalten, andere hingegen hatte man schon entfernt vermutet. Langweilig wird es jedenfalls nie und das Buch ist schneller ausgelesen als man denkt.

Der Schreibstil von Robin Wasserman und die jugendliche Sprache lassen sich größtenteils sehr flüssig lesen. Lediglich ein paar wenige zu lang geratene Sätze unterbrechen den Lesefluss an einigen Stellen.
Da die gesamte Handlung aus der Ich-Perspektive von Lia geschildert wird, hat man einen tiefen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle, wodurch man ihr Verhalten stets nachvollziehen kann, auch wenn man vielleicht selbst anders handeln würde. Man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen und auch ihre widersprüchlichen Gefühle gegenüber ihrer Familie und ihrem Wesen gut verstehen.

Das Ende des Romans ist an sich wieder abgeschlossen. Doch der Kampf zwischen Mechs und Orgs ist noch lange nicht beendet und so ist vor allem deswegen noch genügend Potenzial für den letzten Teil der Trilogie vorhanden. Aber auch Lia und wie sich ihre Beziehung zu ihrer Familie weiter entwickelt bzw. ob sie überhaupt wieder eine richtige Beziehung zu ihren Eltern und ihrer Schwester aufbauen kann, ist interessant und bleibt abzuwarten.

Fazit

Crashed ist eine sehr spannende und gelungene Fortsetzung, die den Leser noch mehr zum Nachdenken anregt als Skinned und ihn auch nach dem Beenden des Buches noch nicht so schnell loslässt. Immer wieder muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, was einen Menschen wirklich ausmacht und ob man die Mechs als Menschen bzw. als Personen betrachten sollte, oder nicht. Beide Seiten bringen in irgendeiner Form gute Argumente bei und so überlegt man auch nach dem Ende noch lange, auf wessen Seite man sich stellen würde, unabhängig von der gegenseitigen Gewaltanwendung. Die Antwort darauf, ob man die Mechs als Menschen betrachtet, muss allerdings jeder für sich selbst finden, das Buch kann sie einem nicht geben.





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