[Rezension] Die geheime Sammlung

30. Juli 2010 | 16:35 | Gelesen

Titel: Die geheime Sammlung
Autorin: Polly Shulman
Originaltitel: The Grimm Legacy
Erstveröffentlichung: 2010
Übersetzer: Momo Evers, Falk Behr


Wissenswertes

Die geheime Sammlung ist der Auftakt zu einer Trilogie und der zweite Roman der Autorin Polly Shulman.

Bevor sie anfing Bücher zu schreiben, war sie als Journalistin für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften tätig und schrieb über die unterschiedlichsten Themen, darunter ägyptische Grabmäler, essbare Quallen, Unendlichkeit, Blind-Dates und Jane Austen Verfilmungen.
Aufgewachsen in New York, lebt sie auch heute noch in der Stadt, zusammen mit ihrem Mann und ihrem Papagei Olive.

Ihr zweites Buch handelt von einem Mädchen namens Elizabeth, das plötzlich feststellt, dass ihre geliebten Märchen und die darin vorkommenden fantastischen Gegenstände längst nicht so unwirklich sind, wie sie bisher angenommen hatte.

Inhalt

Bislang war das Leben von Elizabeth Rew zwar ein wenig traurig, aber dennoch normal: Nach dem Tod ihrer Mutter, hatte ihr Vater wieder geheiratet und von da an lebte Elizabeth mit ihren zwei Stiefschwestern und ihrer Stiefmutter in New York. Trotzdem ist sie einsam, denn ihr Vater hat seit dem kaum noch Zeit für sie und ihre beste Freundin zieht nach Kalifornien, ans andere Ende des Landes. Auch ihre Stiefmutter ist nicht besonders nett zu ihr und beschäftigt sich nur mit Elizabeth, wenn sie ihr irgendwelche Aufgaben erteilen will.
Schließlich muss Elizabeth sogar die Schule wechseln und ihren Tanzunterricht aufgeben, weil das gesamte Geld ihres Vaters für die hohen Studiengebühren ihrer Stiefschwestern benötigt wird.

Besonders ungewöhnlich wird ihr Leben jedoch, als ihr Lehrer Mr. Mauskopf ihr nach einem Aufsatz über die Gebrüder Grimm einen Nachmittags-Job am New Yorker Repositorium der verleihbaren Schätze anbietet. Da sie das Geld gut gebrauchen kann und allgemein viel für Museen übrig hat, ruft sie dort an und vereinbart ein Vorstellungsgespräch. Dieses verläuft eher merkwürdig und besteht hauptsächlich darin Knöpfe und andere Gegenstände zu sortieren. Trotzdem bekommt Elizabeth den Job und arbeitet von nun an dreimal in der Woche als Page.

Ihre Aufgabe im Repositorium beinhaltet vor allem Bestellungen zu bearbeiten und Rückläufer wieder einzuordnen. Da es sich bei dem Repositorium nicht um eine gewöhnliche Ausleihbibliothek handelt, betreffen diese Bestellungen aber nicht nur Bücher, sondern auch andere Gegenstände wie z.B. Musikinstrumente, Sportausrüstungen, Küchengeräte oder auch Kleidung.

Allerdings gibt es im Repositorium auch mysteriöse Sondersammlungen, darunter auch das Grimm-Sammelsurium, zu denen Elizabeth zunächst keinen Zutritt hat und deren Gegenstände alles andere als gewöhnlich sein sollen. Deswegen dürfte sie eigentlich auch noch nicht einmal wissen, dass es diese Sammlungen gibt.

Aber nicht nur die Sondersammlungen bergen ein Geheimnis. Elizabeths Vorgängerin war auf mysteriöse Weise ohne ein Wort des Abschieds verschwunden und angeblich soll jemand Gegenstände aus dem Repositorium gestohlen haben.

Wird Elizabeth all diese Geheimnisse lüften können?

Kritik

Polly Shulmans Schreibstil ist sehr detailliert und anschaulich. Durch ihre bildhaften Beschreibungen kann man sich die magischen Gegenstände sehr gut vorstellen. Die vielen Dialoge machen die einzelnen Szenen ebenfalls sehr anschaulich und ermöglichen es dem Leser, sich gut in sie hineinzuversetzen.

Auch die Charaktere sind überwiegend sehr genau beschrieben. Die Protagonistin Elizabeth ist sehr hilfsbereit und fleißig, am Anfang aber ein wenig unsicher, was ihre Beziehungen zu anderen Jugendlichen betrifft. An der neuen Schule hat sie noch keine Freunde gefunden und auch im Repositorium fühlt sie sich zunächst ein wenig ausgeschlossen, da alle etwas vor ihr verbergen. Nach einer Weile freundet sie sich jedoch mit ihren Kollegen Marc und Anjali an und wird dadurch offener.

Besonders gut gelungen ist die Darstellung ihrer Beziehung zu Aaron und wie sich daraus langsam mehr entwickelt. Nachdem sich Beide anfangs eher unsympathisch finden, kommen sie sich schließlich näher. Dazwischen gibt es jedoch immer wieder Streit. Auf dieses Paar trifft das Sprichwort „Was sich liebt, das neckt sich.“ auf jeden Fall zu. Umso lustiger ist dann die Szene, in denen bei Beiden endlich der Groschen fällt.
Aaron selbst ist ein Charakter, den man erst nach und nach besser kennen und lieben lernt. Manchmal ist er absolut kühl und stur, wenn es um Marc geht, dem er misstraut, manchmal aber auch schüchtern und nervös, vor allem gegenüber Elizabeth. Er genießt es sie aufzuziehen und dass sie ihm in manchen Situationen nicht einmal dann glaubt, wenn er ihr die Wahrheit sagt.

Ingesamt ist ihre kleine Liebesgeschichte einfach liebenswert und auch glaubwürdig, weil man sich in beide Figuren gut hinein versetzen kann. Ganz bezaubernd ist daher auch das Ende des Buches.

Über Marc und Anjali erfährt man leider eher weniger, was jedoch an der Erzählperspektive liegen kann. Da die Geschichte aus Elizabeths Sicht geschildert wird, kann man die Gedanken und Gefühle dieser Charaktere nur erahnen.

Neben Elizabeth und Aaron gibt es jedoch noch eine andere Figur, die man näher kennen lernt und die einem besonders ans Herz wächst: Jaya, die kleine Schwester von Anjali. Diese kleine Nervensäge entpuppt sich als äußerst intelligentes und hilfreiches Mädchen, das man in diesem Buch auf keinen Fall missen möchte, denn sie sorgt mehr als einmal für einen Lacher.

Die geheime Sammlung ist außerdem auf jeden Fall ein Buch für Märchen-Fans. Elizabeths Liebe zu Märchen, wie sie sie immer mit ihrer verstorbenen Mutter gelesen hat, ist deutlich spürbar und greift auch auf den Leser über. Durch den Aufsatz, den sie für den Gemeinschaftskundeunterricht über die Gebrüder Grimm schreibt, erhält man viele interessante Hintergrundinformationen über die wohl bekanntesten Märchenerzähler.
Wilhelm und Jakob Grimm waren Sprachhistoriker und haben die Märchen nicht erfunden, sondern lediglich Überlieferungen aufgeschrieben. In jedem Märchen steckt also auch ein wenig Wahrheit. Wie viel genau, das erfährt Elizabeth erst, als sie nach und nach hinter das Geheimnis des Grimm-Sammelsuriums kommt.

Diese Idee hat Polly Shulman sehr gut umgesetzt. Sie verleiht den Märchen nicht nur einen Funken Wahrheit, sondern macht sie zu wirklich geschehenen Ereignissen und lässt die besonderen oder magischen Gegenstände daraus noch heute existieren. Das Repositorium bewahrt sie auf und schützt sie vor dem Großteil der Welt. Nur ein kleiner Kreis von Auserwählten, dessen Mitglieder früher alle selbst einmal in dem Repositorium gearbeitet haben, weiß um das Geheimnis und darf diese wertvollen Gegenstände ausleihen. Als Gegenleistung müssen sie jedoch ein ebenso wertvolles Pfand hinterlegen, wie z.B. das erstgeborene Kind oder das Augenlicht.

Viele dieser magischen Gegenstände sind äußerst bekannt, z.B. das Tischleindeckdich oder der fliegende Teppich, andere werden dem ein oder anderen dagegen eher unbekannt sein. Gleiches gilt für die im Buch erwähnten Märchen.

Dadurch wird die Neugier des Lesers geweckt, sodass man gleich Lust bekommt, sein altes Märchenbuch herauszukramen und ein paar der neu kennen gelernten Märchen sowie die alt bekannten zu lesen.

Fazit

Die geheime Sammlung ist ein märchenhaftes Jugendbuch, das einen wieder an seine eigene Kindheit zurückerinnert, als man Märchen noch für wahr hielt und am liebsten selbst einmal auf einem fliegenden Teppich durch die Nacht geflogen wäre.





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