[Rezension] Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben

02. April 2015 | 23:24 | Gelesen

Titel: Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben
Autorin: Joelle Charbonneau
Originaltitel: Independent Study
Erstveröffentlichung: 2014
Übersetzerin: Marianne Schmidt


Wissenswertes

Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben ist der neueste Roman der us-amerikanischen Autorin und ehemaligen Opernsängerin Joelle Charbonneau, die neben dem Schreiben auch heute noch als Stimmtrainerin arbeitet.

Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben ist zudem der zweite Band einer Trilogie. Der dritte Band, Graduation Day, ist bereits im Sommer 2014 in den USA erschienen. Daneben gibt es außerdem noch eine als eBook erhältliche Vorgeschichte zur Reihe mit dem Titel The Testing Guide.

Inhalt

Malencia Vale ist nun offiziell Studentin an der Universität von Tosu-Stadt und eigentlich hätte damit ein lang gehegter Traum in Erfüllung gehen sollen. Obwohl die Verantwortlichen versucht haben ihr, genau wie allen anderen, die Erinnerungen an das brutale Auswahlverfahren zu rauben, weiß Cia jedoch, welche schrecklichen Dinge ihr und den anderen Auserwählten aus den Kolonien während der Auslese widerfahren sind und dass etliche für Fehler mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Zunächst zweifelt sie noch an ihren eigenen Worten, aber als sie herausfindet, dass jedes einzelne davon der Wahrheit entspricht, ist ihr erster Impuls schleunigst die Flucht zu ergreifen. Doch dann erfährt sie von einem geheimen Netzwerk, dessen Ziel es ist die Auslese ein für alle Mal zu beenden und beschließt zu bleiben um ihnen dabei zu helfen, auch wenn sie sich dadurch in große Gefahr begibt …

Kritik

Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben ist eine großartige Fortsetzung und mindestens genauso fesselnd wie der Vorgänger. Die Handlung setzt nicht unmittelbar am Ende des Auftaktes an, sondern erst etwas später, es wird aber darauf Bezug genommen und die wichtigsten Ereignisse im Rahmen der Auslese werden früher oder später noch einmal erwähnt.

Es ist mehr als nachvollziehbar, dass Cia zunächst nicht wahrhaben will, dass ihr aufgezeichneter Bericht der Wahrheit entspricht, obwohl es sich scheinbar um ihre eigene Stimme handelt, weil die beschriebenen Erlebnisse unfassbar schrecklich sind und sie keinerlei Erinnerungen mehr daran hat. Es ist also kein Wunder, dass Cia das Gehörte erst einmal verdrängt und sich auf die bevorstehenden Prüfungen konzentriert, insbesondere da sie nicht weiß, welche Konsequenzen ein Versagen wirklich nach sich zöge. Nichtsdestotrotz ist sie natürlich entschlossen die Wahrheit aufzudecken und fängt damit an herauszufinden, was es bedeutet, wenn jemand von der Uni abgezogen wird.
Als sie sicher ist, dass die Behauptungen nicht erfunden sind, hegt sie zuerst den Wunsch sofort zu fliehen, weil sie verständlicherweise große Angst hat und nicht klar denken kann. Jemand, dem sie vertrauen kann, macht ihr jedoch noch rechtzeitig klar, welche Folgen eine Flucht für ihre Familie haben könnte, auch wenn es ihr selbst gelingen sollte zu überleben. Er erzählt ihr außerdem von einem Netzwerk, das plant die Auslese abzuschaffen und bietet ihr an sich daran zu beteiligen. Damit gibt er ihr ein Ziel, auf das sie hinarbeiten kann und für das sich das Risiko lohnt.

Denn sogar nach der Auslese schweben die Studenten weiterhin in Lebensgefahr. Abgesehen von der ständigen Bedrohung im Falle von schlechten Leistungen von der Universität abgezogen zu werden, müssen die Erstsemester in ihren jeweiligen Studiengängen eine Einweihung durchlaufen, in der sie hart geprüft werden. Die schwierigen Aufgaben, die sie dabei bewältigen müssen, werden bei Versagen anfangs nur gering bestraft, im späteren Verlauf müssen sie aber mitunter mit ihrem Leben dafür bezahlen. Nicht alle überstehen diese Phase und niemand weiß, was mit den anderen geschieht. Diejenigen, die aus Tosu-Stadt kommen, werden womöglich einer anderen Arbeit zugeteilt, doch die Studenten aus den Kolonien haben wahrscheinlich nicht so viel Glück.

Während der Einweihung treffen Cia und die anderen Studenten aus den Kolonien erstmals auf die Studenten, die direkt aus Tosu-Stadt kommen, sich schon allein auf Grund dieser Tatsache häufig für etwas Besseres halten und deren erster Auswahlprozess nicht annähernd mit der Auswahl vergleichbar ist. Einige sind zudem die Kinder wichtiger Führungspersönlichkeiten und glauben daher ihr Studienplatz sei ihnen sicher. Allerdings sollte man nicht vorschnell alle in einen Topf werfen, denn auch unter ihnen gibt es natürlich solche und solche. Manchen wurden moralische Wertvorstellungen mit auf den Weg gegeben, andere haben kein Problem damit über Leichen zu gehen um ihr Ziel zu erreichen. Fraglich ist nur, wer in welche Kategorie gehört und wem, falls überhaupt, man vertrauen kann.

Cia ist eine sehr mutige und überaus intelligente Protagonistin, die in entscheidenden Momenten ihrer Intuition vertraut. Dadurch sind ihre jeweiligen Ergebnisse aber angeblich zu gut für ein Mädchen aus den Kolonien und man hat Sorge, dass sie eine zu starke Führungspersönlichkeit abgeben könnte, weshalb sie schon bald unter strenger Beobachtung steht. Die Verantwortlichen wollen einen Weg finden sie aus dem Programm zu entfernen und geben ihr den wohl umfangreichsten Stundenplan aller Erstsemester, in der Hoffnung, dass sie versagt. Dabei muss sie das enorme Pensum nicht einfach nur bewältigen, sie muss es zusätzlich so aussehen lassen, als ob es ihr keinerlei Probleme bereiten würde. Wenn sie sich zu sehr von den anderen Studenten absondert, besteht nämlich die Gefahr, dass diese melden man würde sie zu stark beanspruchen oder gar überfordern. Glücklicherweise hat Cia einen Studienberater bekommen, der auf ihrer Seite ist und sie unterstützt.

Neben dem Studium versucht sie entschlossen Beweise für den grausamen Auswahlprozess zu finden um die Rebellen auf diese Weise zu unterstützen. Es ist wahrlich bewundernswert, dass Cia trotz der traumatischen Erfahrungen den friedlichen Weg bevorzugt und ebenfalls der Ansicht ist, dass die Lösung nicht in noch mehr Blutvergießen bestehen kann, auch wenn Dr. Barnes und seine Unterstützer den Tod mehr als verdient hätten. Deren gnadenloses Verfahren mit den Studenten ist einfach krank und verabscheuungswürdig. Man kann gar nicht fassen, wie viele Menschen von der wahren Natur der Auslese wissen und es billigend in Kauf nehmen oder wissentlich wegsehen um die Verantwortung von sich zu weisen, obwohl sie das ebenso schuldig macht. Umso erfreulicher ist es also, dass es neben Dr. Barnes‘ mächtigen, gewissenlosen Freunden auch Menschen gibt, die dem Ganzen ein Ende bereiten wollen.

Da sie unterschiedlichen Studiengängen zugewiesen wurden, können Cia und Tomas sich nur noch sehr selten treffen, sodass die Romantik in der Fortsetzung auf ein Minimum reduziert ist. Mehr als ein paar Küsse hier und da gibt es nicht, allerdings haben beide genug andere Sorgen. Als zusammen mit den Alpträumen Cias Erinnerungen langsam zurückkehren, treibt das ferner zusätzlich einen Keil zwischen sie, weil Tomas Geheimnisse vor ihr hat, die unter anderem Zandris Tod betreffen. Die Wahrheit stellt ihre Beziehung auf eine harte Probe, doch Cia liebt Tomas und würde ihm trotz allem immer noch ihr Leben anvertrauen.

Im Gegensatz zu Will, dem es durch seinen Charme fast gelingt einen wieder um den Finger zu wickeln. Man hat seine Taten während der Auslese jedoch nicht, so wie er, vergessen und obgleich er nicht erneut zum Killer wird, zeigt sich deutlich, dass er nach wie vor das Potenzial dazu hat.

Vor Damone, einem der Studenten aus Tosu-Stadt, muss Cia sich ebenfalls in Acht nehmen. Sein gewaltiges Ego kann es nicht verkraften, dass ein Mädchen, noch dazu eines aus den Kolonien, cleverer ist als er, trotzdessen er vermutlich nur dank seines einflussreichen Vaters einen Platz an der Uni bekam. Er ist sehr gewalttätig, unbarmherzig und damit ausgesprochen verachtenswert.

Enzo und Raffe sind dagegen zwei neue, eher vertrauenswürdige Figuren aus Tosu-Stadt, die relativ schnell an Sympathie gewinnen. Sie sind zwar ebenfalls Cias Konkurrenten, der Zweck heiligt für sie anscheinend aber nicht jedes Mittel und man kann sich durchaus auf sie verlassen.

Besonders interessant ist darüberhinaus die Präsidentin des Vereinigten Commonwealth, die man im zweiten Band näher kennen lernt. Sie ist eine starke, selbstbewusste Frau, die ebenso entschlossen ihre Ziele verfolgt wie Cia. Im Finale der Reihe wird sich dann vermutlich zeigen, ob man ihr wirklich vertrauen und das Schicksal der Studenten in ihre Hände legen kann.

Die Handlung ist durchgängig spannend und geradezu Nerven aufreibend. Man muss immerzu auf der Hut sein und weiß nie, was als nächstes passiert. Im Verlauf des Geschehens müssen viele Charaktere ihr Leben lassen, was einem bei manchen gleichgültig ist, einen bei anderen wiederum sehr traurig stimmt, vor allem als es gegen Schluss völlig überraschend eine der liebsten Nebenfiguren trifft. Des Weiteren ist sogar Cia gezwungen Dinge zu tun, die sie mit ihrem Gewissen eigentlich nicht vereinbaren kann. Verrat lauert an jeder Ecke und am Ende sorgen schockierende Enthüllungen für einen herben Rückschlag.

Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben endet nicht mit einem Cliffhanger, dennoch kann man es kaum erwarten den dritten Band zu lesen. Viele Fragen bleiben offen, viele Probleme ungelöst und man freut sich sehr darauf zu erfahren, wie Cia nach den letzten Ereignissen weiter vorgeht. In jedem Fall wird es eine Rebellion geben, auf die eine oder andere Weise. Die Frage ist nur, wer letztlich als Sieger daraus hervorgeht.

Fazit

Die Auslese – Nichts vergessen und nie vergeben ist eine grandiose Fortsetzung, die mühelos mit dem fantastischen Auftakt mithalten kann und einen von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann zieht. Das hoffentlich ebenso mitreißende Finale kann man nach diesem zweiten Teil also kaum noch erwarten.





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