[Rezension] Totentöchter

04. Februar 2012 | 18:11 | Gelesen

Titel: Totentöchter
Autorin: Lauren DeStefano
Originaltitel: Wither
Erstveröffentlichung: 2011
Übersetzerin: Catrin Frischer


Wissenswertes

Totentöchter ist der Debutroman der us-amerikanischen Autorin Lauren DeStefano und gleichzeitig der Auftakt zu der dystopischen Trilogie The Chemical Garden.

Die Autorin schreibt bereits seit sie klein ist, war aber trotz eines College-Abschlusses im Fach Kreatives Schreiben zunächst in verschiedenen anderen Berufen tätig, unter anderem sogar als Steuereintreiberin. Inzwischen widmet sie sich ganz dem Schreiben.

Der zweite Teil, Fever, erscheint im Februar dieses Jahres in den USA. Der dritte und damit letzte Teil soll im April 2013 folgen. Außerdem gibt es noch ein eBook mit dem Titel The Seeds of Wither, das neben einem großzügigen Auszug aus dem ersten Band eine Kurzgeschichte aus der Perspektive von Rose sowie einen kleinen Ausblick auf die Fortsetzung enthält.

Inhalt

Seit dem Tod ihrer Eltern sind die 16-jährige Rhine und ihr Zwillingsbruder Rowan auf sich allein gestellt und versuchen gemeinsam die letzten paar Jahre ihres Lebens zu überstehen. Denn eines wissen sie mit Sicherheit: wann sie sterben werden. Rhine und Rowan gehören nämlich zu den neuen Generationen. Vor siebzig Jahren gelang es Wissenschaftlern sämtliche Krankheiten zu beseitigen und die Kinder zu perfektionieren. Die meisten dieser völlig gesunden Kinder sind heute noch am Leben, sie sind die erste Generation. Doch von ihren Kindern und Kindeskindern kann man das nicht behaupten. Sie werden zwar genauso gesund geboren, aber sterben bevor ihr Leben überhaupt richtig begonnen hat. Die Mädchen erreichen gerade mal ein Alter von zwanzig Jahren, die Jungen sterben mit fünfundzwanzig.

Um die Menschheit vor der Ausrottung zu Bewahren und einen Ausweg zu finden, sind die wohlhabenderen Haushalte darum bemüht neue Kinder zu züchten. So genannte Sammler verdienen sich ihr Geld damit unzählige Mädchen auf der Straße weg zu fangen und die geeigneten unter ihnen als Bräute an eben jene Haushalte zu verkaufen. Die restlichen Mädchen zwingen sie zur Prostitution oder töten sie. Auch Rhine tappt trotz aller Vorsicht schließlich in die Falle eines solchen Sammlers. Doch sie hat Glück, mehr oder weniger jedenfalls, denn sie wird als Braut auserwählt. Von nun an soll sie ihre verbleibenden Jahre als eine der Ehefrauen des Hauswalters Linden fristen und seine Kinder gebären. Zunächst fügt sie sich in ihr Schicksal um sein Vertrauen zu gewinnen, aber sie ist fest entschlossen früher oder später zu fliehen und zu ihrem Bruder zurückzukehren …

Kritik

Mit Totentöchter ist Lauren DeStefano ein unheimlich fesselndes Debut geglückt, das sich sowohl durch die Handlung als auch durch das gesamte Setting von der Masse abhebt.

Die Autorin hat eine faszinierende wie auch erschreckende Zukunft geschaffen, in die man gespannt hineintaucht und jede Information interessiert aufsaugt. Mit Ausnahme von Nordamerika wurden alle Länder und Kontinente durch den Dritten Weltkrieg zerstört und das stetige Sterben der neuen Generationen hat die Menschheit in Panik versetzt. Der Tod ist allgegenwärtig und man kann sich nur schwer vorstellen, wie es sein muss zu wissen, wann man stirbt und dass einem nur so wenig Zeit auf der Welt bleibt. Verschlimmert wird die Situation, vor allem für junge Frauen, dann noch einmal dadurch, dass nur sie die Menschheit vor der Existenzvernichtung bewahren können indem sie möglichst viele neue Kinder gebären bis die Wissenschafter vielleicht irgendwann einmal ein Gegenmittel gegen das Virus finden, das die neuen Generationen nach nur wenigen Jahren immer dahinrafft. Aus diesem Grund laufen diese Frauen ständig Gefahr entführt und verschleppt zu werden, insbesondere wenn sie hübsch genug sind um als Bräute verkauft zu werden.

Spätestens bei dem Gedanken an das Schicksal einer Braut dürfte es jeder halbwegs emanzipierten Frau kalt den Rücken hinunter laufen. Von der persönlichen Aufwärterin zu Recht gemacht wie ein Püppchen wird man mit einem fremden Mann verheiratet und soll dann darauf warten, dass dieser die Ehe vollzieht um als Gebärmaschine herzuhalten. Doch es kommt noch schlimmer, denn es bleibt in der Regel nicht bei einer Braut. Polygamie ist ein zentraler Bestandteil der Welt, die Lauren DeStefano kreiert hat. Allein die Vorstellung in einer polygamen Ehe gefangen zu sein löst eine Gänsehaut aus, genauso wie das Wort „unser“ in Verbindung mit „Ehemann“. Die Szenen, in denen alle drei Ehefrauen gemeinsam mit ihrem Mann turteln oder wenn er erst das Bett mit der einen teilt und dann gleich im Anschluss eine andere küsst, lösen, zumindest beim weiblichen Geschlecht, unangenehme Gefühle aus.

Besonders gelungen sind der Autorin außerdem die verschiedenen Charaktere. Sie sind alle sehr unterschiedlich und facettenreich. Das gilt sowohl für die Protagonisten, als auch für manche Nebencharaktere, wie zum Beispiel die Aufwärter.

Im Vordergrund steht natürlich die Hauptfigur Rhine, aus deren Sicht die Handlung auch geschildert wird. Sie denkt und handelt sehr reif und überlegt für ihr Alter. Das ist allerdings auch verständlich nach allem, was sie schon durchgemacht hat und wenn man bedenkt, dass ihre eigentliche Kindheit spätestens mit dem Tod ihrer Eltern vorüber war. Sie vermisst ihren Bruder Rowan sehr und plant nicht zuletzt auch wegen ihm ihre Flucht. Trotz aller Annehmlichkeiten, die das Leben als Braut mit sich bringen mag, ist sie eine Gefangene und möchte lieber in Freiheit sterben, was man als Leser sehr gut verstehen kann.
Durch die Ich-Perspektive gelingt es der Autorin gut und vor allem sehr nachvollziehbar Rhines widersprüchliche Gefühle gegenüber Linden darzustellen. Einerseits hasst sie ihn, weil er ihr alles genommen hat und sie gefangen hält, andererseits hat sie auch Mitgefühl für ihn wegen seiner eigenen Verluste.

In dem Dienstboten Gabriel findet Rhine eine Art Freund und Gleichgesinnten, denn er hat Ähnliches durchgemacht und kann ihre Gefühle nachempfinden. Mit ihm kann sie über ihre wahren Gefühle sprechen und mit der Zeit kommen sich die Beiden etwas näher, was für ein paar romantische Momente sorgt.

Als die Bräute auf das Anwesen gebraucht werden ist auch die 20-jährige Rose, Lindens erste Frau, noch am Leben und Rhine freundet sich ein wenig mit ihr an. Zu diesem Zeitpunkt kann man Rose noch nicht so richtig einschätzen, später erlangt aber auch ihre Figur noch mehr Tiefe durch die Informationen, die man nach ihrem Tod erhält.

Zu ihren Schwesterfrauen baut Rhine mit der Zeit ebenfalls eine enge Bindung auf, zu Jenna sogar noch mehr als zu Cecily. Beide sind sehr verschieden und während man Jenna schnell lieb gewinnt, weiß man bei Cecily nicht so recht, ob man sie für ihre Naivität verabscheuen oder bemitleiden soll.
So ähnlich ergeht es einem auch mit Linden. Mögen wird ihn wohl niemand, aber richtig hassen kann man ihn auch nicht, da er genauso naiv ist wie Cecily, völlig unter der Kontrolle seines Vaters steht und keine Ahnung von der Realität hat.
Es gibt jedoch eine Figur, die man auf jeden Fall hassen kann: Hausprinzipal Vaughn, Lindens Vater. Er ist nicht nur Angst einflößend, sondern auch ohne Herz oder Mitgefühl. Die einzige Ausnahme dabei bildet vielleicht sein Sohn, wobei das auch etwas fraglich ist bei all den Lügen, die er ihm auftischt.

Die Handlung selbst ist zwar fesselnd, gerät aber in der Mitte der ersten Hälfte etwas ins Stocken, da nicht wirklich viel passiert. Im Gegenzug erhält man dafür aber viele interessante Hintergrundinformationen, z.B. über die Vergangenheit von Gabriel oder Jenna, die das wieder gut machen und die Neugier des Lesers aufrechterhalten. Die Gedanken und Gefühle der Figuren, insbesondere die von Rhine, sowie ihre Beziehungen untereinander stehen bei diesem Buch einfach mehr im Vordergrund. Trotzdem fiebert man mit Rhine mit und möchte weiter lesen. Erst zum Schluss kommt noch richtig Spannung auf.

Da Totentöchter der erste Teil einer Trilogie ist, bleiben natürlich einige Fragen offen, beispielsweise ob die Wissenschaftler je ein Heilmittel gegen das Virus finden werden oder ob Rhine ihren Bruder jemals wieder sehen wird. Das Buch ist aber wenigstens soweit in sich abgeschlossen, dass es einen nicht mit einem Nerven aufreibenden Cliffhanger quält. Das hat es auch gar nicht nötig, da man die Fortsetzung zu diesem Roman so oder so lesen wird.

Fazit

Totentöchter ist ein sehr gelungenes Debut, das vor allem durch die vielseitigen Charaktere und die schreckliche sowie faszinierende Zukunftsvision überzeugen kann. Obwohl es eine Dystopie ist, von denen der Markt zur Zeit geradezu überschwemmt wird, hebt es sich somit von der Masse ab. Die Fortsetzung wird man sich nach diesem Trilogieauftakt auf keinen Fall entgehen lassen!





Kommentare

  1. Sehr schöne Rezi! Ich kann dir in allen Punkten vollkommen zustimmen, auch, wenn ich für den etwas langatmigen Mittelteil Punkte abziehen musste. Jedenfalls habe ich die erschaffene Welt der Autorin als genauso angsteinflößend empfunden und die tollen Charaktere hatten auf mich eine sehr ähnliche Wirkung!

    Ich bin schon sehr gespannt, was uns im zweiten Teil erwartet. :-)

    • Ich fand den Mittelteil gar nicht so schlimm, weil es für mich trotzdem immer interessant blieb. Auf den zweiten Teil bin ich auch schon total gespannt und hoffe sehr, dass er noch in diesem Herbst erscheint. ;) Durch ‘Seeds of Wither’ habe ich ja schon einen kleinen Eindruck von der Fortsetzung bekommen.

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