Auf Grund meines längeren Aufenthaltes bei der diesjährigen Leipziger Buchmesse konnte ich am Samstagabend, 14. März 2015, erstmals der
Loewe Thrillernacht beiwohnen. Die vier anwesenden Autoren –
Eoin Colfer,
Janet Clark,
Ursula Poznanski sowie
Arno Strobel – zogen viele Leser an, weshalb das Theaterhaus Schille eigentlich viel zu klein für diese gefragte Veranstaltung war. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit draußen im Regen auf den Einlass warten mussten, wurden daher nicht einmal alle Wartenden hinein gelassen. Allerdings ist es mir ohnehin schleierhaft ist, warum manche Eltern ihre Kinder im Grundschulalter (oder womöglich sogar jüngere) zu dieser Uhrzeit noch zu einer Lesung (mit)bringen. Vielen davon war erstens die Langweile und zweitens spätestens nach der Hälfte der Lesung anzumerken, dass sie längst ins Bett gehörten.
Eröffnet wurde der Abend, den Marc Langebeck moderierte, schließlich von Janet Clark. Sie berichtete zunächst von ihrem Engagement für Frauen, die Krimis schreiben. Gemeinsam mit anderen versuche sie zu ergründen, warum männliche Krimiautoren besser bezahlt werden und deren Romane mehr Auszeichnungen erhalten, obwohl statistisch betrachtet mehr Krimis von Frauen als von Männern geschrieben werden. Liegt es einfach daran, dass die Männer besser schreiben oder hat es etwas mit dem Überschuss an maskulinen Jury-Mitgliedern zu tun?
Dann sagte sie einige Worte zu ihrer aktuellen Reihe Finstermoos. Berlin spiele oft eine Rolle, weil sie es für eine sehr spannende Stadt halte, weshalb es bestimmt irgendwann einen Krimi geben werde, der nur in der Hauptstadt spielt. In ihrem nächsten Roman, an dem sie gerade arbeite, spiele sich die Handlung aber erst einmal in London und Florenz ab.
Nach dieser kurzen Einführung las sie eine Szene aus dem ersten Band Finstermoos – Aller Frevel Anfang. Insgesamt werde es vier Bände geben, doch im Grunde handele es sich dabei vielmehr um ein Buch, das aufgeteilt wurde um potenzielle Leser nicht durch die ansonsten sehr hohe Seitenzahl abzuschrecken. Der erste Teil ende deshalb auch mit einem fiesen Cliffhanger.
Als nächstes stellte Arno Strobel sein neues Werk Schlusstakt vor. Über 20 Jahre lang habe er als Informatiker für eine Bank in Luxemburg gearbeitet und bis vor einem Jahr nur nebenbei geschrieben. Inzwischen habe er diesen Job jedoch aufgegeben um nun Vollzeit als Autor zu arbeiten. Dadurch könne er jetzt sogar zwei Bücher pro Jahr schreiben.
Sein neuer Roman handele von einer Casting-Show, weil es ein Thema sei, das Jugendliche momentan sehr beschäftigen würde und oft mehr dahinter stecke als es scheint. Zur Recherche habe er unter anderem stundenlang diverse Casting-Shows angeschaut und Teilnehmer sowie Gewinner interviewt, wegen ihrer Knebelverträge allerdings stets nur anonym. In Schlusstakt sei somit nicht alles frei erfunden und er selbst würde seinen noch minderjährigen Kindern nicht erlauben an so einer Show teilzunehmen.
Nachdem er eine Szene aus dem Buch vorgetragen hatte, beantwortete er einige Fragen aus dem Publikum. Mit einem Augenzwinkern gab er an, dass alle Ähnlichkeiten zu existierenden Casting-Shows rein zufällig seien. Die Handlung hatte von Anfang an auf einer Insel spielen sollen um die extremen Gegensätze zwischen dem traumhaften Setting auf den Malediven und der krassen Realität hinter der Kamera hervorzuheben. Arno Strobel schreibe (auch) für Jugendliche, weil sie so unbedarft an gewisse Dinge herangingen und öfter aktiv handeln würden statt sich nur zu sorgen. Deshalb habe es ihn so gereizt seine Figuren auf bestimmte Arten agieren zu lassen. Er verzichte aber absichtlich auf Jugendsprache, da nichts peinlicher sei als ein alter Mann, der versuche jugendlich zu klingen. Bei seinem ersten Jugendthriller habe er aus Angst vor zu viel Brutalität noch gänzlich auf einen Mord verzichtet, wofür er jedoch später bitterböse Mails erntete. Seine eigenen Kinder mögen seine Bücher sehr, nur seiner Ältesten habe Schlusstakt nicht gefallen, doch diese lese generell nicht viel.
Daraufhin betrat Ursula Poznanski die Bühne, die ihre dystopische Trilogie laut eigenen Angaben zu den Soundtracks von Game of Thrones und Gladiator schrieb. Sie habe es extrem genossen sich eine eigene Gesellschaft auszudenken und eine ganz eigene Welt zu kreieren. Emotionskontrolle könne sie bei sich selbst aber nur beim Schreiben anwenden, nicht im privaten Leben, da bemühe sie sich gar nicht erst darum. Es sei ihr nicht schwer gefallen den zweiten Band zu schreiben, weil sie genau wusste, was am Ende passieren, welche Bombe sie platzen lassen würde. Sie habe sich bereits im Vorfeld eine Geschichte überlegt, die dreigeteilt war und auf Grund ihrer Komplexität auch drei Teile erforderte. Außerdem könne sie sich durchaus vorstellen noch einmal eine Trilogie zu schreiben.
Im Anschluss an eine grobe Zusammenfassung der Handlung der Reihe las sie dann einen sehr spannenden Abschnitt aus dem dritten Band Die Vernichteten vor, ehe sie ebenfalls ein paar Fragen aus dem Publikum beantwortete. Andris sei eine ihrer Lieblingsfiguren gewesen, da er nie Mühe gemacht habe, ebenso wie Tycho. Natürlich möge sie Ria ebenfalls sehr, sonst wäre sie nicht die Erzählerin. Warum die Trilogie eine Dystopie wurde? Die Geschichte habe sie schon grob in ihren Kopf gehabt, hätte sie jedoch nicht in der realen Welt spielen lassen können. Sie brauchte die totale Trennung der beiden Gruppen, weshalb ihr nur zwei Möglichkeiten geblieben seien: Fantasy oder Zukunftsszenario und sie habe sich für letzteres entschieden. Um was sich die Geschichte drehe und welches Geheimnis sich dahinter verberge, habe sie von Anfang an gewusst; viele kleinere Details hätten sich aber erst während des Schreibens aus der Dynamik der Geschichte heraus entwickelt. Quirins Plan finde sie genial, doch sie könne nicht sagen, ob sie genauso handeln würde … vielleicht ja. Daher könne sie nicht sagen, ob Quirin nun gut oder schlecht sei; in der ganzen Serie ginge es ja gerade darum diese Einordnung zu hinterfragen. Ria denke ja anfangs auch, dass die Sphären die Guten und die Prims die Bösen seien.
Nachfolgend durften wir den sehr sympathischen irischen Autor Eoin Colfer begrüßen, der von Schauspieler und Hörbuchsprecher Rainer Strecker begleitet wurde. Er erzählte uns zuerst, dass er in Deutschland schon einmal in einem Leichenschauhaus gelesen habe, das Theater am heutigen Abend jedoch ein perfekter Veranstaltungsort sei, weil er schon immer gern ein Theater habe führen wollen und ein Theater auch in WARP eine Rolle spiele. Nach einer Dystopie ginge es nun um eine Zeitreisegeschichte, in der die Figuren aber eine dystopische Zukunft verhindern wollen. Die Theorie der so genannten Einstein-Rosen-Brücke diente ihm dabei als eine Art Grundlage. Er habe sich dafür entschieden ein Wurmloch ins viktorianische London zu öffnen, weil es eine sehr faszinierende Zeitperiode gewesen sei und damals zudem die ersten bekannten Science-Fiction-Romane, z.B. von Jules Verne, erschienen seien. In seiner Reihe gebe es zwei Handlungsstränge und damit zwei gleichwertige Protagonisten, die sich gleichzeitig lieben und hassen können – doch spätestens nach 50 Jahren sei das vorbei. *g*
Obwohl er nichts vorbereitet hatte, wurde Eoin Colfer dann wegen des tollen Klangs seines Akzents vom Publikum dazu genötigt ein paar Seiten auf Englisch – alternativ zur Not auch gern auf Deutsch – zu lesen; vorher würden die Zuhörer ihn nicht gehen lassen. Schnell wurde ihm daher ein englisches Exemplar gereicht. Anschließend übernahm Rainer Strecker jedoch das Lesen eines gekürzten Kapitels auf Deutsch und bewältigte diese Aufgabe, wie gewohnt, mit Bravour. Er verlieh jeder Figur eine ganz eigene Stimme, betonte stets genau die richtigen Stellen, variierte die Lautstärke und gab somit eine schauspielerische Höchstleitung ab. Eoin Colfer schien diese enthusiastische Darbietung zu erstaunen und sein irritierter Blick in Kombination mit seinem Kommentar „you’re scaring me“ erntete viele Lacher. Er betonte aber, dass er Rainer Strecker als Sprecher sehr gern möge.
Letzterer berichtete ferner kurz von der Arbeit am Hörbuch. Er bereite sich immer gut vor, lese das Buch mehrfach und hebe die verschiedenen Stimmen im Script zum Beispiel in unterschiedlichen Farben hervor.
Hinterher wurde der Autor noch gefragt, ob er denn etwas von der deutschen Textstelle verstanden habe. Seine – nicht ganz ernst gemeinte – Antwort: Es sei vermutlich etwas über Rainers Kindheit gewesen. *lol* Nein, verstanden habe er eigentlich nichts, doch er meinte gemerkt zu haben, dass der Auszug gekürzt wurde.
Nach Artemis Fowl habe er erst einmal eine Pause gebraucht und daher zunächst zwei Krimis geschrieben, die unter den Titeln Der Tod ist ein bleibender Schaden und Hinterher ist man immer tot auch auf Deutsch erschienen sind. Erst danach kehrte er zu einer phantastischen Serie – als Ire glaube er tatsächlich an Magie – zurück, auch wenn es sich genau genommen wohl eher um Science Fiction handele. Wer sein Vorbild für Colonel Box war? Vielleicht Stalin.
Nach ungefähr zwei Stunden war dieser Teil des Abends damit leider schon vorüber, aber es gab natürlich die Möglichkeit sich von jedem der Autoren Bücher (oder Autogrammkarten) signieren zu lassen, wobei man ihnen noch die eine oder andere zusätzliche Frage stellen konnte.
Nach dem etwas missglückten Start hat mir der Abend insgesamt ausgesprochen gut gefallen und falls ich im nächsten Jahr wieder in Leipzig übernachten sollte, werde ich mir die Loewe-Thrillernacht, sofern sie erneut stattfindet, garantiert nicht entgehen lassen!
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