[Rezension] Taken

29. April 2013 | 10:36 | Gelesen

Titel: Taken
Autorin: Erin Bowman
Originaltitel: Taken
Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzerin: Barbara Röhl


Wissenswertes

Taken ist der Debutroman der us-amerikanischen Autorin Erin Bowman, die zwar Web Design studierte, sich nun beruflich aber nur noch dem Schreiben widmet, nachdem sie schon als Kind ihre Sommerferien lieber in Schreibwerkstätten als in Schwimmbädern oder Sommercamps verbrachte.

Taken ist zudem der Auftakt zur Serie Das Laicos-Projekt und zeitgleich in den USA und Deutschland erschienen. Der zweite Teil soll im kommenden Jahr in den USA erscheinen, der dritte soll im Jahr darauf folgen. Weitere Details sind derzeit noch nicht bekannt.

Inhalt

Der siebzehnjährige Gray ist in dem Dorf Claysoot zwar von Geburt an in dem Wissen aufgewachsen, dass er, genau wie alle anderen, an seinem achtzehnten Geburtstag spurlos verschwinden wird und niemand weiß wohin oder was dann mit ihm passiert, aber er weigert sich diesen Umstand einfach zu akzeptieren. Er spürt, dass der Raub nicht naturgegeben ist, sondern mehr dahinter steckt, und als er nach dem Verschwinden seines Bruders Blaine die Bestätigung dafür findet, ist er fest entschlossen sich auf die Suche nach Antworten zu begeben. Diese wird er jedoch nicht in Claysoot finden, weshalb er beschließt den Weg über die Mauer zu wagen. Das haben vor ihm auch schon andere versucht um dem Raub zu entgehen, allerdings hat es keiner von ihnen je überlebt …

Kritik

Mit Taken ist es Erin Bowman gelungen ein Debut abzuliefern, dem man nicht anmerkt, dass es sich dabei um ein Erstlingswerk handelt, da es den Leser sofort in seinen Bann zieht und von Anfang bis Ende fesselnd und dazu noch sehr gut geschrieben ist.

Besonders lesenswert ist das Buch vor allem wegen der spannenden Handlung, hinter der sich so viel mehr verbirgt als es auf den ersten Seiten den Anschein hat. Während sich zu Beginn alles um den merkwürdigen Ort Claysoot und den unerklärlichen Raub der gerade achtzehn gewordenen Männer dreht, geht es im späteren Verlauf der Geschichte nicht mehr nur darum, die Wahrheit über die Geschehnisse dort herauszufinden, sondern um den Kampf für die Freiheit.

Es ist wirklich interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Bewohner von Claysoot mit der Situation umgehen. Einige, sowohl Männer als auch Frauen, kämpfen dagegen an oder versuchen zu fliehen, andere nehmen ihn einfach hin und sind stattdessen nur bemüht die Jungen möglichst früh möglichst viele Kinder zeugen zu lassen um für genügend Nachkommen zu sorgen; eine andere Bedeutung haben sie für sie nicht, weil sie ja ohnehin bald verschwinden. Insgesamt ist es ziemlich überraschend, wie wenig Menschen in die erste Kategorie gehören und herausfinden wollen, warum ihnen die Männer geraubt werden.

Da man genau wie der Protagonist Gray das Gefühl hat, dass es noch etwas außerhalb von Claysoot geben muss, ist man nicht überrascht als sich das schließlich als wahr herausstellt. Das mindert die Spannung jedoch nicht im Geringsten, denn die Welt hinter der Mauer wirft noch viel mehr Fragen auf, die es zu beantworten gilt.
Gray landet in Taem und ist zunächst, verständlicherweise, vollkommen fasziniert von der Stadt, die so viel fortschrittlicher ist als sein altes Dorf, und vertraut Frank, dem Staatsoberhaupt, der scheinbar alle Antworten kennt und vorgibt die Menschen aus Claysoot befreien zu wollen. Dieses Vertrauen ist allerdings nicht so blind wie bei vielen anderen jungen Männern, einschließlich Blaine, die nicht erkennen, was für ein unbarmherziges Regime er führt und dass er nicht ehrlich zu ihnen ist. Im Gegensatz zu ihnen beginnt man als Leser gemeinsam mit Gray nach und nach an einigen der Informationen zu zweifeln, weil viele Dinge nicht zusammen passen, und erkennt, dass bestimmte Handlungen überhaupt nicht gerechtfertigt sind. Das bringt ihn aber in große Gefahr, denn Frank kennt keine Gnade und duldet niemanden, der ihn oder seine Befehle in Frage stellt. Die Flucht zu den Rebellen ist daher offenbar die einzige Alternative, doch Gray ist sich nicht sicher, ob er sich tatsächlich den Menschen anschließen will, die mit Harvey Maldoon zusammen arbeiten, der angeblich für Claysoot, die Mauer und den Raub verantwortlich ist.

Gray ist eine äußerst sympathische und, im Unterschied zu Blaine, der leider ziemlich blass bleibt, vielschichtige Hauptfigur, die man gern auf ihrem Weg begleitet. Da der Roman aus seiner Perspektive erzählt wird, kann man sich sehr gut in ihn hineinversetzen und sein Verhalten stets nachvollziehen. Er ist zwar, wie gewöhnlich, sehr gut aussehend, hat aber auch viele Ecken und Kanten, die ihn sehr authentisch machen. Er folgt immer seinem Bauchgefühl und lässt seinen Emotionen freien Lauf, obwohl er manchmal lieber Nachdenken sollte, bevor er handelt. Er ist sehr loyal und verteidigt die, die er liebt.
Durch den Raub seines Bruders, seinem Weg über die Mauer und schließlich die Flucht aus Taem wird sein Leben innerhalb kürzester Zeit mehrfach auf den Kopf gestellt und er muss auf einmal alles hinterfragen, was er zu wissen glaubte. Auf seiner Suche nach der Wahrheit wird er immer wieder mit Lügen konfrontiert, die er allerdings erst als solche entlarven muss um irgendwann die richtigen Antworten zu finden. Er muss herausfinden, wem er wirklich vertrauen kann, und wie er leben will. Blinder Gehorsam entspricht nicht seinem Charakter, aber will er sich nur weigern zu folgen oder aktiv etwas gegen die Ungerechtigkeiten unternehmen?

Neben Gray gibt es natürlich noch viele weitere interessante Figuren, insbesondere die beiden weiblichen Protagonisten Emma und Bree, die durch ihre jeweilige Beziehung zu Gray für ein wenig Romantik sorgen.
Emma stammt ebenfalls aus Claysoot und ist dort zusammen mit Gray aufgewachsen. Nach dem Verschwinden von Grays Bruder verbringen sie viel Zeit miteinander und entwickeln Gefühle für den jeweils anderen, die schließlich dazu führen, dass Emma Gray sogar über die Mauer folgt um zusammen mit ihm nach Antworten zu suchen. Sie ist eine sehr starke Figur und weiß sich durchzusetzen, was sie zunächst sehr sympathisch macht. Als die Beiden durch gewisse Umstände voneinander getrennt werden, begeht sie jedoch einen Verrat, den man ihr, genau wie Gray, nicht so leicht verzeihen kann.
Bree, die Gray bei den Rebellen kennen lernt, ist ebenfalls eine sehr starke und unabhängige Frau. Sie hat ihren eigenen Kopf und lässt sich von niemandem unterbuttern. Sie ist nicht skrupellos, doch sie weiß, was sie will und ist bereit, dafür zu kämpfen, weil es das Richtige ist. Sie hat viel mit Gray gemeinsam und nach den anfänglichen Sticheleien kommen die Beiden sich langsam näher. Aus Loyalität gegenüber Emma verdrängt Gray lange Zeit seine Gefühle für Bree. Er kann nicht leugnen, was er für sie empfindet, lässt sich allerdings erst auf sie ein nachdem er von Emmas Vertrauensbruch erfahren hat.

Im letzten Teil nimmt die Spannung noch einmal zu und mündet nach einigen Überraschungen in einem wirklich gelungenen Ende. Die Handlung des ersten Teils lässt zwar noch viele Fragen offen, ist aber trotzdem in sich abgeschlossen, sodass man nicht völlig hängen gelassen wird. Doch die Geschichte als solche verlangt auf jeden Fall nach einer Fortsetzung, deren weiterer Verlauf schon angedeutet wird, in der einen aber mit Sicherheit wieder einige Überraschungen erwarten. Man wird sie sich daher auf keinen Fall entgehen lassen!

Fazit

Taken ist ein fantastisches Debut, dessen Fortsetzung man schon jetzt kaum noch erwarten kann, obwohl die Autorin auf einen Cliffhanger verzichtet hat. Erin Bowman gelingt es mit diesem Serienauftakt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln und überzeugt nicht nur mit einer spannenden Handlung, sondern auch mit einer sympathischen Hauptfigur, die zugleich ein sehr guter Erzähler ist.





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