Am 6. Mai war ich im Rahmen der Aktion Verlage besuchen abends mit einigen anderen Teilnehmern zu Gast bei Fischer Tor in Berlin, um dort etwas mehr über die Arbeit des Imprints zu erfahren. Die Verlagsmitarbeiter haben sich dabei ein wenig an der Speed-Dating Methode orientiert: Wir wurden in fünf kleine, zufällige Gruppen eingeteilt und hatten dann jeweils 10 Minuten Zeit, um fünf verschiedene Stationen zu besuchen.
Den Anfang machte in meiner Gruppe das Lektorat, das hier vor allem für den Einkauf der Lizenzen zuständig ist. Fischer Tor hat es sich von Anfang an zum Ziel gesetzt das gesamte Feld an Fantasy und Science Fiction abzudecken, einschließlich Horror, Bücher deutscher Autoren und medienaffiner Titel, d.h. insbesondere solcher Titel, die zurzeit als Film oder Serie adaptiert werden. Aktuell arbeiten sie in ihrem sechsten Programm, das unter anderem eine kommentierte Ausgabe von Dracula enthält.
Nach 10 Minuten ging es dann weiter zum Online-Marketing, das für Leserunden, Influencer und Online-Kampagnen jeder Art zuständig ist. Diese Abteilung betreut auch die relativ aufwendige Website des Imprints, auf der unter anderem regelmäßig kostenlose Kurzgeschichten veröffentlicht werden, was mir bislang völlig unbekannt war. Für die zahlreichen Artikel greift der Verlag gern auf externe Autoren zurück.
Danach begaben wir uns zum klassischen Marketing. Diese Abteilung ist für die Vorschauen und jede Form von gedruckter Werbung – Kundenflyer, Lesezeichen, Postkarten, Leseproben, Poster – verantwortlich. Pro Programm gäbe es allerdings nur 1-2 Schwerpunkttitel für die derartige Druckerzeugnisse in Auftrag gegeben würden, für alle anderen Titel sei dann kein Budget mehr vorhanden. Vor allem deshalb sei es gut, wenn die Autoren diesbezüglich selbst aktiv werden und sich Aktionen überlegen würden. Im Hinblick auf die Cover übernehme der Verlag sehr häufig die Originale und prüfe generell bei jedem Titel, ob das Motiv für den deutschen Markt geeignet sei. Die Ausstattung der Titel werde durch die Verkaufsprognose beeinflusst.
Anschließend machten wir uns auf den Weg zum Vertrieb. Diese Abteilung betreut unter anderem die Vertreter/Außendienstmitarbeiter, die wiederum in direktem Kontakt mit dem Buchhandel in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz stehen. Die Zusammenarbeit mit dem Handel sei für den Verlag nach wie vor sehr wichtig und würde aus einem Geben und Nehmen bestehen. Der Vertrieb stelle dem Handel die einzelnen Titel des neuen Programms vor oder spreche Empfehlungen aus und gemeinsam entscheide man dann über die Auswahl der Titel und die jeweilige Menge. Von den Schwerpunkttiteln bekomme der Buchhandel zudem entsprechende Leseexemplare. Für die großen Filialisten (Hugendubel, Thalia, Mayersche, etc.) gebe es inzwischen außerdem speziell zuständige Key Account Manager, um mit den Ketten nicht nur die Bestellungen zu regeln, sondern ggf. ein besonderes Marketing zu organisieren.
Auf meine Frage hin bestätigte der Mitarbeiter, dass es auch bei Fischer schon vorgekommen sei, dass ein bestimmter Titel wegen zu weniger Bestellungen des Handels wieder aus dem Programm genommen wurde, das sei aber eher die Ausnahme. Ein zweiter Versuch mit neuer Aufmachung zu einem späteren Zeitpunkt sei zwar dann grundsätzlich möglich, würde allerdings nicht zwingend erfolgen.
Unsere letzte Station führte uns schließlich zum Programmleiter Hannes Riffel, der uns unter anderem etwas über den Verlag und seine Entstehung erzählte. Die Fischer Verlage gehören, genau wie Droemer & Knaur, Kiepenheuer & Witsch und Rowohlt, zur Holtzbrinck Publishing Group, wobei die beiden Gesellschafter ihre Verlage wirklich lieben würden und es dem familiengeführten Unternehmen ihm zufolge daher weniger um eine hohe Rendite gehe und man bereits zufrieden sei, wenn es keine Verluste gäbe. Der us-amerikanische Verlag Macmillan gehöre ebenso zu der Verlagsgruppe wie die Website tor.com. 2014 sei bei Fischer dann erstmals die Überlegung aufgekommen ein neues SciFi/Fantasy Label zu gründen, obwohl der Zeitpunkt nicht gerade ideal und der Markt schon sehr gesättigt gewesen sei. Von Tor hätte man aber mehr oder weniger nur den Namen des Labels übernehmen können, da die Autoren bereits an andere deutsche Verlage gebunden gewesen seien. Hannes Riffel sei die Programmleitung angeboten worden, er habe allerdings darauf bestanden in Berlin zu bleiben, was der Grund dafür sei, dass Fischer Tor, im Unterschied zu den anderen Fischer Verlagen, seinen Sitz in Berlin habe. Tor wolle, wie bereits gesagt, alle Bereiche der Phantastik (Fantasy, SciFi, Horror) abdecken und im Handel nicht beim Jugendbuch liegen. Aktuell würden sie ca. 20 Titel pro Jahr veröffentlichen.
Seiner Meinung nach würden die Leute heute nicht zwingend weniger lesen, sondern nur anders, weshalb er die ganze Diskussion darum müßig fände. Heute würden allerdings auch viele TV-Serien in großen Bögen erzählt, weshalb zum Beispiel Netflix ständig neue, gute Stoffe suche. Für ihn sei es in Ordnung, wenn ein gutes Buch sich einmal nicht gut verkaufen würde. Für schlechte Bücher gelte das hingegen nicht, solche wolle er gar nicht verkaufen. Seine Hauptaufgabe sei es herauszufinden, was die Kunden lesen wollen. Sein persönlicher Geschmack sei insofern also nicht ausschlaggebend.
Nach den letzten 10 Minuten hatten alle Gruppen die fünf Stationen durchlaufen und wir kamen wieder in der großen Gruppe zusammen, in der wir uns noch mindestens eine weitere Stunde über Bücher und alles, was dazu gehört, unterhielten. Jeder hatte die Möglichkeit nun noch einmal Fragen zu stellen oder bestimmte Themen zu vertiefen. Deutschland sei nach den USA der zweitgrößte Buchmarkt der Welt, ein Erfolg in den USA sei aber noch lange keine Garantie für einen Erfolg in Deutschland.
Der Verlag wolle vor allem deshalb nicht, dass seine Titel in der Jugendbuch-Abteilung liegen, weil er keine Schenker, sondern Selbstkäufer ansprechen wolle. Die Verkaufszahlen hingen auch damit zusammen, zu welchem Regal die Kunden gingen und viele Erwachsene würden nichts aus dem Jugendbuch-Regal wollen. Inhaltlich wolle der Verlag dagegen nicht per se wegen vom Jugendbuch, Mortal Engines gehöre zum Beispiel eher in diese Kategorie. Nach oben sei das Alter der Leser ohnehin offen. Young Adult sei ein neues Phänomen und habe dem Genre-Markt eher geschadet. Früher hätten diese Leser nämlich direkt zur Genre-Literatur gegriffen und Jugendliche schon immer Fantasy und Science Fiction gelesen.
Beim Vergleich der deutschen Cover mit den Originalen fiel jemandem auf, dass der Autorenname in Deutschland üblicherweise oben stünde, wohingegen er in den USA oft am unteren Rand zu finden sei. Das seien eigentlich nur zwei unterschiedliche Gewohnheiten, daran etwas zu ändern halte man jedoch für ein Risiko mit ungewissen Auswirkungen (Stichwort Neuromarketing). Ebenso finde man in den USA auf Covern häufig Zitate anderer Autoren, in Deutschland sei das aber eher unüblich.
Damit neigte sich der interessante Abend langsam dem Ende zu, wobei sich fast alle Verlagsmitarbeiter noch Zeit für das eine oder andere persönliche Gespräch nahmen. Zum Abschied durfte sich jeder Besucher aus einer Vielzahl von Titeln dann sogar noch ein Buch aussuchen. Meine Wahl fiel dabei auf Armada von Ernest Cline, auf das ich nun schon sehr gespannt bin. Sollte der Verlag im nächsten Jahr wieder seine Türen öffnen, was ich sehr hoffe, bin ich auf jeden Fall wieder dabei.
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