Diese Lesung und viele weitere fanden im Rahmen des 11. Steglitzer Literaturfests statt, das an nur einem Samstag etliche Veranstaltungen für unterschiedliche Altersgruppen bot. Die Anzahl der Besucher war insgesamt recht überschaubar, was im Hinblick auf die Lesung auch nicht verwunderlich war, denn auf der Website des Verlages hätte man vergeblich nach Informationen zu dieser Lesung gesucht, sie stand nämlich leider nur auf den Websites zum Fest. Wirklich schade, es gab nämlich viel zu entdecken. Da ich frühzeitig dort war, konnte ich im angeschlossenen Café nicht nur eine heiße Schokolade genießen, sondern noch an der wirklich gut bestückten Tombola teilnehmen. Für mein 50-Cent-Los konnte ich mir ein Buch aussuchen und meine Wahl viel natürlich auf Diese eine Woche im November, sodass ich es mir später signieren lassen konnte.
Im Veranstaltungssaal wurde vor der Lesung, was ich reichlich merkwürdig fand und worüber sich auch der Autor wunderte, ohne jegliche Begründung erst einmal ein Buch mit dem Titel Love Alice vorgestellt, dass eben gerade nicht von Michael Wallner geschrieben wurde. Positiv zu erwähnen ist hier jedoch, dass die beiden Mädchen sehr frei über das Buch gesprochen haben.
Darauf folgte eine Vorstellung des anwesenden Autors sowie seines neuesten Buches, wieder durch Jugendliche der BLI. Dabei erfuhr man, dass er aus Österreich stammt und Regie sowie Schauspiel studiert hat, weshalb er auch des Öfteren als Regisseur arbeitet und Drehbücher schreibt. Bis dahin hatte er acht Romane veröffentlicht, von denen April in Paris der wohl bekannteste ist. Diese Eröffnungsrede war allerdings leider schon im Vorfeld vollkommen ausformuliert und nur abgelesen worden, was gerade in Anbetracht der Kürze nicht hätte sein müssen.
Im Anschluss sprach der Autor selbst über sein Buch. Weil es in Venedig spielt, erzählte er viel über die italienische Stadt, ihre Entstehung und den Vergleich zwischen früher und heute. Dieser kleine geschichtliche Überblick über das venezianische Reich war überraschenderweise sehr interessant. Das Weltreich hatte damals z.B. sogar das Monopol für alle Gewürze. Und im Buch geht es darum, dass Venedig eben diese „Macht“ wiedererlange solle.
Daraufhin fasste Michael Wallner den Anfang der Handlung zusammen, verriet dabei für meinen Geschmack aber viel zu viel, was besonders ungünstig ist, wenn man das Buch noch nicht gelesen hat, das allerdings noch vor hatte.
Übergangslos fing er dann plötzlich an zu lesen. Die entsprechende Szene war ziemlich spannend und wurde auch gut vorgetragen, wobei er seine Stimme mit vielen Gesten unterstützte. Der Schreibstil war allerdings etwas gewöhnungsbedürftig und wirkte manchmal ein wenig emotionslos. Es folgte eine zweite Szene aus dem späteren Verlauf des Buches bis er insgesamt etwa dreißig Minuten gelesen hatte.
Anschließend durfte das Publikum ihm Fragen stellen, die er alle beantwortete. Er wählte Venedig als Schauplatz aus, weil es ein geomantischer Ort sei. Die Handlung spielt im November, weil dann nicht der Tourismus im Vordergrund stehe, sondern die „alte Macht“ der Stadt. Obwohl man auf Grund der hohen Kriminalität vorsichtig sein müsse, mag er Venedig sehr gern. Den Geheimbund, der im Buch eine Rolle spielt, soll es wirklich gegeben haben, er habe nur den Namen geändert. Er wurde zwar mit Napoleons Einzug zerschlagen, die Familien würden aber weiterhin bestehen.
Er selbst wollte eine Woche nach der Lesung ebenfalls wieder nach Venedig fahren, weil es zu dieser Jahreszeit für Touristen unattraktiv ist und man nur dann die Stadt richtig sehen könne. Sie erinnert ihn mit ihrer „entthronten Schönheit“ an Wien, das ebenfalls einmal die Hauptstadt eines Weltreiches gewesen sei. Deshalb empfiehlt er auch einen Spaziergang durch Wien kurz vor Mitternacht, weil es dann leer und schön beleuchtet sei.
Für ein paar Lacher sorgte seine Antwort auf die Frage nach seinen eigenen Abenteuern in Venedig: „Über mein Sexleben spreche ich nicht.“
Obwohl er sich so für das venezianische Reich interessiert, wurde aus Diese eine Woche im November kein historischer Roman, da so etwas sich, wie er offen zugab, zur Zeit einfach nicht gut verkaufen ließe. Dieses Jahr soll jedoch bei Luchterhand ein neues Buch erscheinen, das im Kuba der 1920er spielt und damit wenigstens ein wenig historisch ist.
Er schreibt meistens an mehreren Projekten gleichzeitig, weshalb er nicht sagen kann, wie lange er für ein Buch braucht. Er schreibt täglich in der Früh sowie in der Nacht ein paar Stunden und entscheidet erst am jeweiligen Morgen, an welchem er an diesem Tag arbeitet, wobei er natürlich seine Deadlines beachten muss.
Zum Thema Recherche hatte er eine sehr entschiedene Meinung. Seiner Ansicht nach nützt Recherche „einen Scheiß ohne Vision“. Er hält sie für überbewertet und verglich sie sogar mit „Klopapier“. Deshalb mache er das nur so Zwischendurch, habe aber natürlich ein Grundkonzept. Seine Vision für dieses Jugendbuch war das Wiederauferstehen einer gedemütigten Macht vor einer Kulisse, die durch das Acqua alta jedes Jahr zwei Zentimeter absinkt, sowie das Aufeinanderprallen von zwei so verschiedenen Protagonisten.
In diesem Zusammenhang erzählte er auch, dass beispielsweise die Romane von Donna Leon nicht ins Italienische übersetzt würden, obwohl sie dort spielen, weil mangels umfassender Recherche keinerlei Straßennamen, Umgebungen oder ähnliches stimmen würden und man diesbezügliche Leserbriefe vermeiden wolle.
Nachdem alle Fragen beantwortet waren, bedankte er sich bei den Besuchern und signierte zum Abschluss noch ein paar Bücher.
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