Eines vorweg: Ich habe Der Report der Magd von Margaret Atwood, das Buch, auf dem die Serie basiert, noch nicht gelesen, sodass ich keinen direkten Vergleich ziehen oder mir ein Urteil darüber erlauben kann, wie gut die Vorlage umgesetzt wurde. Meine Bewertung beruht somit allein auf der Serie bzw. ihrer ersten Staffel.
The Handmaid’s Tale ist eine wahrlich beeindruckende Serie, deren erste Staffel mich beinahe sprachlos zurückgelassen hat. Ich habe die erste Staffel innerhalb weniger Tage angeschaut, weil ich mich einfach nicht mehr davon losreißen konnte und in meinen Augen hat die Serie bzw. die Staffel die zahlreichen Auszeichnungen und Nominierungen mehr als verdient.
Geradezu schonungslos zeigen die Serienmacher, was man den fruchtbaren Frauen in Gilead antut und das Leid der Mägde ist unheimlich schwer mit anzusehen. Es ist einem unbegreiflich, wie erbarmungslos sogar andere Frauen mit diesen jungen Mägden umgehen, sie gewaltsam unterwerfen, sie indoktrinieren und foltern -alles unter dem Deckmantel einer vermeintlich gottgewollten, natürlichen Weltordnung, die sich kaum unnatürlicher anfühlen könnte. Um eine Zivilisation zu retten, die diese Rettung vielleicht gar nicht verdient hat, werden sie gezwungen sich regelmäßig wortwörtlich vergewaltigen zu lassen – in Anwesenheit der Ehefrauen, die dabei zusehen, wie ihr Ehemänner versuchen eine andere Frau zu schwängern. In einer zukünftigen Welt, in der künstliche Befruchtung kein Problem darstellen würde.
Empfangen sie daraufhin tatsächlich ein Kind, trägt man sie auf Händen, behandelt sie wie ein Familienmitglied und verwöhnt sie regelrecht. Bleibt eine Schwangerschaft aus, behandelt man sie wir den letzten Dreck und gibt ihnen allein die Schuld daran. Dann sind sie es, die die Schwangerschaft durch ihren entgegenstehenden Willen verhindern. Nach der Zeugungsfähigkeit des Mannes wird nicht gefragt, der Mann steht schließlich über allem und ist fehlerfrei, nahezu gottesgleich. Obwohl die Fruchtbarkeit der Frauen vorher medizinisch festgestellt wurde – sonst wären sie keine Mägde – wird der Fehler allein bei ihnen gesucht.
Um der unausweichlichen Bestrafung für ihr Versagen zu entgehen, lassen sich einige Mägde auf Verkehr mit anderen Männern ein. Doch das ist ein Verbrechen, welches auf beiden Seiten hart bestraft wird und in den meisten Fällen zumindest für den beteiligten Mann zum Tode führt – sofern er nicht zu den Machthabern des Systems gehört, die sich nahezu alles erlauben können und damit durchkommen.
Darüber hinaus können die Frauen niemandem vertrauen und mit niemandem offen sprechen, denn um jeglichen Widerstand von Vornherein im Keim zu ersticken, werden die Mägde dazu angehalten einander zu bespitzeln und zu verraten, sobald sie sich in irgendeiner Form auffällig verhalten. Nicht alle von ihnen würden das tatsächlich tun, aber es gibt kaum eine Möglichkeit herauszufinden, wer die neue Doktrin bereits verinnerlicht und wer die Gehirnwäsche unbeschadet überstanden hat und den unbedingten Gehorsam nur vorspielt, bis sich eine Gelegenheit zur Flucht oder zum erneuten Umsturz bietet. Selbst untereinander müssen sie also permanent aufpassen, was sie sagen, und andauernd ihre Treue zum System beteuern, um nicht negativ aufzufallen.
Schrecklich und unvorstellbar, doch zum Glück nur fiktiv und keineswegs in der Realität umsetzbar, mögen einige nun vielleicht denken. Mit dieser Annahme sollte man allerdings vorsichtig sein, denn was die Serie noch beeindruckender macht, sind die Rückblenden, die eindrucksvoll zeigen, wie es zu diesem Umsturz gekommen ist und wie leicht es wäre, ein solches System tatsächlich zu etablieren. Denn Gilead entstand nicht von heute auf morgen, es war vielmehr ein schleichender Prozess, der sich die Ängste der Menschen zunutze gemacht hat und dessen Ende viele nicht haben kommen sehen. Ein Prozess, an dem manche Frauen sogar mitgewirkt haben. Erst hat man den Frauen „nur“ verboten zu arbeiten, dann durften sie plötzlich kein eigenes Geld und kein Eigentum mehr haben. Stück für Stück hat man ihnen – auf legalem Weg – ihre Lebensgrundlage entzogen und sie völlig machtlos gemacht. Einigen gelang die Flucht, andere, wie die Protagonistin June, haben zu lange gezögert und sind letztlich gescheitert. Man kann nur hoffen, dass man in der Realität schlauer wäre, die Warnzeichen früher erkennt und rechtzeitig die Koffer packt, bevor einem die Mittel für eine Ausreise vollends genommen werden.
June wurde bei dem Fluchtversuch von ihrem Mann und ihrem gemeinsamen Kind getrennt. Ihren Mann hält sie für Tod, doch der Gedanke daran, ihre Tochter eines Tages wieder in den Armen zu halten, lässt sie durchhalten. Ohne diese Hoffnung würde June dieses Leben womöglich nicht lange ertragen können. Generell ist es bewundernswert, dass so viele der Mägde diese Unterdrückung aushalten, ohne verrückt zu werden oder sich das Leben zu nehmen, um diesem Dasein zu entkommen.
Mehr als einmal denkt man, dass es nicht schlimmer kommen könne, nur um dann eines besseren belehrt zu werden. Wo man auf Hilfe hofft, wird man am Ende nur enttäuscht, denn statt die Frauen zu befreien, will man sie lieber wie ein Stück Fleisch kaufen, um auch im eigenen Land wieder Kinder „produzieren“ zu können. Vor ihrem Leid verschließt man lieber die Augen, es ist immerhin viel angenehmer sich von dem schönen Schein blenden zu lassen.
Das Verhalten eines anderen Landes, das zwar nicht aktiv in das Geschehen eingreift, aber zumindest jenen, denen die Flucht gelingt, tatkräftig unter die Arme greift, rührt dagegen sofort zu Tränen. Statt ihnen mit Argwohn, Hass oder Gleichgültigkeit zu begegnen, werden sie freundlich in ihrer Mitte aufgenommen und, sofern möglich, mit Freunden oder Familienmitgliedern vereint, denen ebenfalls die Flucht gelang. Man bringt ihnen Verständnis entgegen für das Martyrium, das sie hinter sich haben, und hilft ihnen dabei sich wieder eine lebenswerte Existenz aufzubauen. Niemand käme auf die Idee, sie aus finanziellen Gründen, Platzmangel o.Ä. wieder dorthin zurückzuschicken!
Am Ende der ersten Staffel gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer für diejenigen, die noch immer in Gilead gefangen sind, an den man sich als Zuschauer gern klammern möchte. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, doch diese Entwicklung macht einen unheimlich neugierig auf die zweite Staffel und das, was einen darin erwartet.
Die dystopische Serie überzeugt aber nicht nur durch die fesselnde und zugleich bedrückende Handlung, sondern auch mit der schauspielerischen Leistung der einzelnen Darsteller, allen voran natürlich der Hauptdarstellerin Elisabeth Moss. Sie verkörpert die Rolle der June bzw. Desfred überaus authentisch und man nimmt ihr jede der Emotionen ab, die sie im Laufe der Staffel zeigt. Joseph Fiennes, Yvonne Strahovski und Ann Dowd spielen ihre Rollen ebenfalls so überzeugend, dass man für ihre Charaktere nur Verachtung empfindet und hofft, dass sie alle am Ende das bekommen, was sie verdienen.
Fazit
Die erste Staffel von The Handmaid’s Tale überzeugt auf ganzer Linie und in jeder Hinsicht. Die Serie nimmt sich Zeit, wenn es darum geht bestimmte Entwicklungen nachvollziehbar aufzuzeigen, und zieht dann das Tempo an, um die Handlung wieder voranzutreiben. Zugleich kann die Serie mit Schauspielern punkten, die es verstehen den Figuren Leben einzuhauchen und ihre jeweiligen Emotionen glaubhaft darzustellen. Nach dem vielversprechenden Ende der letzten Episode, wird man sich die zweite Staffel daher keinesfalls entgehen lassen.
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