[Im Ton-Studio] Wie wird eigentlich ein Hörbuch aufgenommen?

28. April 2015 | 21:16 | Erlebt

Im letzten Quartal des vergangenen Jahres habe ich ein Praktikum in einem deutschen Hörbuchverlag absolviert, in dessen Rahmen ich am 20. November 2014 im Berliner Ton-Studio „Der Apparat“ aktuellen Hörbuch-Aufnahmen beiwohnen durfte, um zu sehen, wie so ein Hörbuch eigentlich entsteht. In meinem Fall waren das die Aufnahmen zu Die Karlsson-Kinder – Wikinger und Vampire von Katarina Mazetti, wobei ich allerdings nicht nur die Sprecherin Melanie Pukaß, sondern auch den sympathischen Simon Jäger (u.a. die deutsche Stimme von Matt Damon) kennen lernte, der zeitgleich Wings of Fire – Die Prophezeiung der Drachen von Tui T. Sutherland einlas.

Während der Aufnahmen sitzt der Sprecher bzw. die Sprecherin in einem Schall isolierten Aufnahmeraum und liest das entsprechende Manuskript vor. Regisseur und Tontechniker/Cutter arbeiten von einem anderen Raum aus, können dabei aber die ganze Zeit über mit dem Sprecher kommunizieren.

Die Aufgabe des Sprechers besteht natürlich darin den Text fehlerfrei und ansprechend vorzutragen, sie sind dabei aber unterschiedlich selbstständig, wie mir mitgeteilt wurde. Je besser die Sprecher sind, desto weniger Arbeit hat der Regisseur, weil sie sich bei Fehlern dann automatisch selbst verbessern und einen Satz oder Absatz von allein noch einmal von vorn beginnen, zum Beispiel wenn sie etwas falsch ausgesprochen oder nicht so schön betont haben.

Der Regisseur gibt Anweisungen in Bezug auf Aussprache (deutsch oder englisch) und Betonung (fröhlich, ironisch, traurig, gelangweilt, lachend) und achtet während des Lesens darauf, ob der Text korrekt und verständlich vorgelesen wird. Bei einem solchen Kinderbuch passt er beispielsweise auch auf, dass die vielen, verschiedenen Stimmen der jeweiligen Charaktere immer gleich klingen, sodass man sie schon allein daran unterscheiden kann, oder dass Akzente konstant beibehalten werden. Falls es dem Sprecher selbst nicht aufgefallen ist, wird er bei einem Fehler kurz unterbrochen und die betreffende Stelle dann gleich noch einmal eingelesen. Häufig sind das nur so Kleinigkeiten wie hat/hatte, muss/musste, etc. Zum Teil werden auch verschiedene Alternativen aufgenommen, wenn man sich bei einer Reihe zum Beispiel gerade nicht sicher ist, wie ein Name o.Ä. im Vorgänger ausgesprochen wurde. Dadurch kann man später einfach die passende Variante auswählen, sobald man sich vergewissert hat, welche die richtige ist.

Der Tontechniker/Cutter ist zum einen natürlich für den Ton verantwortlich und zum anderen für das Schneiden der Endfassung. Er markiert sich schon während der Aufnahmen die Stellen im Manuskript, die später wegen Fehlern, Pausen, Atemgeräuschen oder Ähnlichem herausgeschnitten oder bearbeitet werden müssen. Ansonsten würde die nachträgliche Bearbeitung viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Wie lange die Hörbuchaufnahmen insgesamt dauern hängt dabei vor allem vom Umfang des jeweiligen Buches ab. Für Wings of Fire – Die Prophezeiung der Drachen waren drei Tage eingeplant, danach ist zumindest der Job des Sprechers erst einmal erledigt. Bei Die Karlsson-Kinder – Wikinger und Vampire ging man von ein bis zwei Tagen aus. Daneben kommt es natürlich darauf an, wie viele Stunden am Stück der Sprecher oder die Sprecherin lesen können bis sie eine kurze Pause brauchen. Schließlich will je niemand ein Hörbuch hören, bei dem der Sprecher wegen Überanstrengung der Stimme am Ende nur noch heiser krächzt.




Kommentare

  1. Bücher - lost in translation

    Danke für den Bericht, es ist spannend zu sehen, wie viel Arbeit im Detail in so einem Hörbuch steckt.

    • Gern. Ich fand es auch total spannend bei diesen Aufnahmen dabei zu sein, daher wollte ich mein Erlebnis und meine Erkenntnisse gern teilen. :)

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